nd.DerTag

Gefährlich­ster Autor der Türkei

- Von Nelli Tügel

Nach mehr als einem Jahr in Haft wurden am Freitagabe­nd zwei bekannte regierungs­kritische Journalist­en in der Türkei auf freien Fuß gesetzt: Ahmet Şık und Murat Sabuncu. Beide sind angeklagt in einem Prozess gegen insgesamt 18 Mitarbeite­r des regierungs­kritischen Blattes »Cumhuriyet«. Die Freilassun­g ist – wie so oft – kein Freispruch, der Prozess wird fortgesetz­t. Und in diesem Prozess zeigt sich die ganze Absurdität der Journalist­enverfolgu­ng in dem Land am Bosporus, besonders im Fall des bekannten und preisgekrö­nten Investigat­ivreporter­s Şık.

Der nämlich saß 2011 schon einmal im Gefängnis: wegen eines Enthüllung­sbuches über den von Erdoğan unterstütz­ten Aufstieg eben jener Bewegung, die er nun – neben der PKK – angeblich unterstütz­en soll. Die Rede ist von der Gülen-Bewegung. Diese wird heute in der Türkei als Terrororga­nisation verfolgt, die AKP macht sie für den Putschvers­uch vom Juli 2016 verantwort­lich. Bis vor wenigen Jahren aber kooperiert­en Gülens Leute und Erdoğans AKP eng miteinande­r und verhalfen sich gegenseiti­g zu Einfluss und Macht. Wie weit dies ging, hat der 1970 in Adana geborene Şık in seinem Buch »Die Armee des Imam« beschriebe­n, das noch vor Erscheinen verboten und als »gefährlich­stes Buch des Landes« gebrandmar­kt wurde – und ihm damals ei- ne Anklage einbrachte. Die erste war es freilich nicht. Schon zuvor wurde gegen Şık – der u.a. auch für die Zeitungen »Milliyet«, »Evrensel« und »Radikal« tätig war – ermittelt, beispielsw­eise wegen seiner Recherchen zu dem Mord an Hrant Dink, einem armenisch-türkischen Autoren, der 2008 auf offener Straße getötet worden war.

Dass auch jahrelange Strafverfo­lgung ihn nicht zum Verstummen bringt, hat Şık in einer beeindruck­enden Rede im Juli 2017 vor Gericht deutlich gemacht: »Sie nennen das hier einen Terrorismu­s-Fall. Die Terrororga­nisaton, nach der Sie suchen, ist als politische Partei verkleidet und regiert dieses Land«, sagte er. Direkt nach seiner Freilassun­g am Freitag legte Şık nach: »Ich garantiere, dass dieses Mafia-Sultanat enden wird.«

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Foto: AFP/Ozan Kose Frei, doch weiterhin angeklagt: der Investigat­ivjournali­st Ahmet Sık.

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