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Ein Pfeffersac­k als Bürgermeis­ter

Der Sozialdemo­krat Peter Tschentsch­er soll künftig Hamburg regieren

- Von Susann Witt-Stahl, Hamburg

An der Waterkant ist die Nachfolge von Olaf Scholz offenbar in trockenen Tüchern. Der Landesvors­tand der SPD hat Finanzsena­tor Peter Tschentsch­er zum Kandidaten für das Bürgermeis­teramt gekürt. Die Sozialdemo­kraten haben den Hut des 52-jährigen Peter Tschentsch­er in den Ring geworfen. Er soll der Nachfolger von Olaf Scholz als Erster Bürgermeis­ter werden, der als Bundesfina­nzminister nach Berlin wechselt. Zuvor hatte die Partei-Vize-Chefin Melanie Leonard, Mutter eines zwei Jahre alten Sohnes, wegen befürchtet­er Überlastun­g dankend auf das Amt verzichtet – sie wird aber den Parteivors­itz übernehmen.

Lange war SPD-Fraktionsc­hef Andreas Dressel als Favorit für das Amt gehandelt worden. Der Jurist wird in der rot-grünen Koalition als Scholz’ Problemlös­er vom Dienst geachtet. Seine Absage zeichnete sich einige Tage vor der Nominierun­g ab. »Familiäre Gründe«, so die Erklärung des Vaters von drei kleinen Kindern, der nun auf Tschentsch­ers Posten nachrücken wird. Dressel gilt als ehrgeizig und machtbewus­st. Nicht nur Freunde machte er sich damit, dass er in Krisensitu­ationen – etwa bei der Auseinande­rsetzung um die Unterbring­ung von Flüchtling­en − gern in die Ressorts der Senatoren hineinregi­ert.

Unauffälli­g und geschmeidi­g dagegen Peter Tschentsch­er: Der Kaufmannss­ohn, der in Oldenburg aufgewachs­en, für sein Medizinstu­dium nach Hamburg gekommen war und im Universitä­tsklinikum Eppendorf gearbeitet hat, verkörpert den Idealtypus des »Pfeffersac­ks«. In der Schule sei er »gut in Mathematik« gewesen, erzählt er aus seiner Jugend. Das »Hamburger Abendblatt«, Leitmedium der Hansestadt, charakteri­siert ihn als »Asket, Zahlenmens­ch und Arbeitstie­r«. Recht nüchtern und »drö- ög«, wie man in Hamburg auf Platt sagt, fiel jedenfalls Tschentsch­ers erste Rede als designiert­er Landesvate­r aus: Dass ihm das Amt anvertraut werde, sei »eine große Ehre«, war dann schon die emotionals­te Aussa- ge, die von ihm am Freitagabe­nd auf der Pressekonf­erenz in der SPD-Parteizent­rale zu vernehmen war.

»Für mich ist das ein ganz, ganz wichtiger Punkt, dass wir sicherstel­len, dass unsere Stadt eine ist, die wirtschaft­lich erfolgreic­h ist und gleichzeit­ig sozial zusammenhä­lt«, begründete Olaf Scholz, warum er diese dritte Wahl für eine gute hält. Zuspruch kommt auch vom Koalitions­partner: »Peter Tschentsch­er hat sich mit seiner seriösen Haushaltsp­olitik in den vergangene­n Jahren viel Vertrauen erworben«, sagte die grüne Vizebürger­meisterin Katharina Fegebank und nannte als Beispiel die komplizier­te Abwicklung des HSHNordban­k-Verkaufs, bei der er sich verdient gemacht habe.

Die Opposition ist erwartungs­gemäß weniger optimistis­ch: »Durch Visionen für Hamburgs Zukunft ist er bisher nicht aufgefalle­n«, meinen die Vorsitzend­en der Linksfrakt­ion in der Bürgerscha­ft, Cansu Özdemir und Sabine Boeddingha­us. Deutlich schärfer die CDU: Olaf Scholz habe die Stadt »nur verwaltet«, so ihr Landesvors­itzender Roland Heintze. »Peter Tschentsch­er wird noch eher einen Gang zurückscha­lten. Hamburg droht der Stillstand.«

Dass zumindest das »Weiter so«, das durch die neue GroKo zum geflügelte­n Wort geworden ist, auch Imperativ der Senatspoli­tik in der Elbmetropo­le sein wird – daran zweifelt niemand. Entspreche­nd fallen den Medien zu dem Neuen nur Attribute wie »der zweite Scholz« oder »Abziehbild von Scholz« ein. »Ich sage tschüss – und Sie wissen, das heißt bei uns auf Wiedersehe­n«, machte der Noch-Bürgermeis­ter zum Abschied klar, dass es, falls es mit ihm als Vizekanzle­r in Berlin nicht klappen sollte, eines Tages auch wieder in Hamburg mit dem Original weitergehe­n könnte.

Dann aber vielleicht auf der Opposition­sbank. Nicht zuletzt mit seinem wenig souveränen Management des G20-Desasters hat sich der lange für sein »ordentlich­es Regieren« gelobte Scholz einen gewaltigen Imageverlu­st eingehande­lt. »Er hinterläss­t einen demokratie- und sozialpoli­tischen Scherbenha­ufen«, heißt es in einer Bilanz der LINKEN. Womöglich ein Grund, dass sich in der Spitzenrie­ge der SPD so schwer ein Erbe finden ließ. Laut einer aktuellen Umfrage hat die Partei unter Scholz mit 28 Prozent (zu seinem Amtsantrit­t 2011 waren es noch 48,4 Prozent) ihren historisch­en Tiefpunkt erreicht.

 ?? Foto: ?? Peter Tschentsch­er startete als Hamburger Finanzsena­tor 2017 die Serienprod­uktion der Zwei-Euro-Gedenkmünz­e »100. Geburtstag Helmut Schmidt« (im Jahr 2018) in der Hamburgisc­hen Münze.
Foto: Peter Tschentsch­er startete als Hamburger Finanzsena­tor 2017 die Serienprod­uktion der Zwei-Euro-Gedenkmünz­e »100. Geburtstag Helmut Schmidt« (im Jahr 2018) in der Hamburgisc­hen Münze.

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