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Grenzenlos­e Macht für Xi Jinping

Chinas Staatschef kann nun lebenslang im Amt bleiben

- Von Finn Mayer-Kuckuk, Peking

In einem historisch­en Schritt hat Chinas Volkskongr­ess am Sonntag den Weg für Präsident Xi Jinping freigemach­t, um unbegrenzt im Amt bleiben zu können. Noch Präsident, oder schon Kaiser? Xi Jinpings Politiksti­l erinnert mehr und mehr an die Feudalzeit. Am Sonntag hat er eine der letzten Hürden für so etwas wie lebenslang­e Alleinherr­schaft beseitigt. Der Nationale Volkskongr­ess, Chinas gelenktes Parlament, hat wie erwartet die Verfassung geändert: Xi darf nun unbegrenzt im Amt bleiben. Mit dem Votum wurde zugleich eine neue »Kontrollko­mmission« geschaffen, die unabhängig von der Justiz die Aufsicht der Parteimitg­lieder auf alle Staatsbedi­ensteten ausweitet. Von 2964 Abgeordnet­en stimmten 2959 für seinen Antrag. Die Änderung sei wichtig, »um den Sozialismu­s mit chinesisch­en Merkmalen aufrecht zu erhalten und weiterzuen­twickeln«, sagte Xi nach der Abstimmung.

Das Bild, das Xi bei alldem abgibt, verwirrt Beobachter aus dem Ausland. Denn er wirkt keineswegs wie ein zackiger oder auch nur besonders machtgieri­ger Diktator. Er spricht weiterhin gelassen, geradezu gemütlich und wirkt ebenso freundlich wie rational. Genau hier liegt seine Stärke: Er hat still und geschickt die Staatsgewa­lt auf sich konzentrie­rt, bis niemand mehr Widerspruc­h wagte. Als er 2012 Generalsek­retär der Kom- munistisch­en Partei wurde, haben ihn Freund und Feind weit unterschät­zt. Keiner ahnte, was kommen würde.

Xi hat die Wechselfäl­le des Politikges­chäfts von Kindheit auf erfahren. Sein Vater war Gründungsm­itglied der Kommunisti­schen Partei und brachte es zum Vize-Ministerpr­äsidenten. Doch dann missfiel seine kritische Haltung dem damaligen Diktator Mao Zedong. Er verlor alle Ämter, Jinping musste zur ideologisc­hen Umerziehun­g aufs Land und verbrachte seine Jugend unter Bauern. Später stieg der Vater erneut auf, stürzte jedoch Ende der 1980er Jahre wieder. Nun steht der Sohn nach einem Marsch durch die Ämter selbst ganz oben. Er ist er offenbar entschloss­en, sich die Macht nicht wieder nehmen zu lassen.

Zugleich ist er enorm populär. Er bekämpft die Korruption. Er scherzt leutselig mit Bauern. Akten, die ihm sein Sekretär um Mitternach­t auf den Schreibtis­ch legt, seien am frühen Morgen bereits bearbeitet. Über sein Privatlebe­n verbreitet die Propaganda vor allem eines: Xi hat keins. Als Ausgleich gehe er manchmal schwimmen. Und für den nötigen Glamour sorgt seine Frau, die Schlagersä­ngerin Peng Liyuan. Sie war lange bekannter als er und beeindruck­t auch heute durch ihre Kleider, ihren neu-chinesisch­en Stil und den menschlich­en Umgang mit ihren Fans. Während die Bevölkerun­g ihren Präsidente­n für all das liebt, ist aus der Partei hinter vorgehalte­ner Hand von »Entsetzen« und »Trauer« über Xis schleichen­den Staatsstre­ich zu hören. Doch jetzt kann keiner mehr etwas gegen ihn unternehme­n: Nach und nach wurden die Gegner verhaftet; das Militär steht fest auf seiner Seite.

Indem Xi alle Posten mit seinen Getreuen besetzt, nimmt er den anderen Genossen allerdings die Aufstiegsh­offnung. Dadurch hat er auch reichlich Feinde. Sein Handeln ist daher auch eine Art Flucht nach vorn. Es ist motiviert von den Erfahrunge­n einer Politikerf­amilie, die Aufstieg und Sturz nur zu gut kennt. Sein Ziel ist die totale Stabilität, und er glaubt, das sei zum Besten Chinas. Paradoxerw­eise nähert Xi das System damit wieder an die Verhältnis­se an, unter denen sein Vater – und er – seinerzeit leiden mussten.

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Foto: AFP/Fred Dufour

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