Das Geld fehlt für Bildung und Infrastruktur
LINKE-Europaabgeordneter Martin Schirdewan über den Steuer-Sonderaussschuss im Europaparlament
Ab Montag wird im Europaparlament über die Zusammensetzung des neuen Sonderausschusses zu Steuerfragen (Taxe 3) abgestimmt. Es kann also bald losgehen mit der Arbeit. Was will das Parlament Neues herausfinden?
Der Vorgängerausschuss beschäftigte sich mit der Aufarbeitung der im Jahr 2016 aufgedeckten Vorgänge rund um die Panama Papers. Da ging es vor allem darum, wie illegale Steuerhinterziehung und Geldwäsche mithilfe einer Anwaltskanzlei in Panama organisiert wurden. Der neue Sonderausschuss wird die im vergangenen Herbst öffentlich gemachten Paradise Papers zum Thema haben. Da wird es vor allem um legale Steuertricks gehen, mit denen Unternehmen und Wohlhabende die Staaten jährlich um Hunderte Milliarden Euro prellen.
Wie will der neue Ausschuss arbeiten? Wird EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wieder aussagen müssen, wie in den vorherigen Ausschüssen? Schließlich ist er als ehemaliges Regierungsmitglied von Luxemburg verantwortlich für die dubiosen Steuerdeals des Großherzogtums mit internationalen Konzernen.
Ob Juncker nochmal aussagen muss, wird sich im Laufe der Ausschusssitzungen zeigen. Vor allem wird sich das Gremium neben der Aufarbeitung des Skandals auch mit der Formulierung von Empfehlungen beschäftigen, wie Steuervermeidung und Steuerhinterziehung künftig verhindert werden können. Außerdem werden erstmals die britischen Überseegebiete, die häufig Steueroasen sind, und die Digitalwirtschaft Thema sein. Denn Konzerne wie Apple, Amazon und Google sind bei der Steuervermeidung ganz vorne mit dabei.
Wird es im Ausschuss auch um die Schwarze Liste von Steueroasen gehen, die die EU kürzlich aufstellte? Die muss der Ausschuss natürlich auf ihre Konsistenz prüfen und entsprechende Anpassungen von den EU-Finanzministern fordern. Das ist ganz wichtig. Es kann nicht sein, dass nachdem bereits im Januar acht Staaten von der Liste genommen worden sind, jetzt offenbar auch noch Bahrain, die Marshall-Inseln und St. Lucia gestrichen werden sollen. Dann stehen drei Monate nach der Veröffentlichung von ursprünglich 17 nur noch sechs Länder auf der Liste. Wenn das in der Geschwindigkeit weitergeht, wird diese angebliche schwarze Liste von Steueroasen noch vor dem Sommer leer sein. Ohne dass ein einziges Problem gelöst wurde und ohne dass gegen Steuervermeidung, Steuerflucht und Geldwäsche vorgegangen worden ist.
Experten monieren, dass es keine Sanktionsmöglichkeiten gibt und auf der Liste für die Steuervermeidungs- und Steuerhinterziehungspraktiken nur relativ unbedeutende Länder stehen. Der ganze Entstehungsprozess der Liste ist intransparent. Würde der EURat das Problem ernst nehmen, dann wären auch Staaten wie die USA, die Schweiz und EU-interne Steueroasen wie Malta, Luxemburg oder die Niederlande auf der Schwarzen Liste. Und auch Deutschland wird wegen seiner laxen Regeln von unabhängigen Organisationen als Geldwäscheparadies kritisiert.
Warum blockieren die EU-Staaten? Sie wollen ihren Konzernen nicht zu sehr auf die Füße treten und denken immer noch, dass sie von dem Steuerwettbewerb profitieren. Dabei fehlt das Geld, das die Unternehmen durch Steuervermeidung sparen können, für Bildung und Infrastruktur. So wandert das Geld, das eigentlich der Allgemeinheit gehören sollte, in die Taschen der Aktienbesitzer.
Nach Taxe 1, Taxe 2 und dem Panama-Papers-Sonderausschuss ist Taxe 3 der vierte temporäre Sonderausschuss, der sich im Europaparlament mit dubiosen Steuertricks, Hinterziehung und Geldwäsche beschäftigt. Wäre es angesichts all dieser Probleme nicht Zeit für einen ständigen Untersuchungsausschuss zu Steuerfragen? Ein solcher Untersuchungsausschuss soll nach dem Willen des europäischen Parlaments auch kommen. Doch wird dieser Ausschuss erst in der nächsten Legislaturperiode eingesetzt werden.
Die EU-Wahlen finden erst 2019 statt. Warum dauert das so lange? Es gibt im Parlament die große Übereinkunft, dass es zeitlich nicht mehr zu schaffen ist, einen solchen Untersuchungsausschuss zu bilden. Stattdessen ist der neue Sonderausschuss für eine Dauer von zwölf Monaten angesetzt und kann danach zweimal um jeweils drei Monate verlängert werden. Insgesamt wird der Sonderausschuss also bis zum Ende der Legislatur dauern. Und danach kann das neue Parlament eben einen ständigen Ausschuss für Steuerfragen gründen, wie es im Abschlussbericht zu den Panama-Papers-Untersuchungen angeregt wird.
Also war man sich im Europaparlament im Gegensatz zu vorangegangenen Ausschüssen recht einig über Taxe 3?
Ganz so harmonisch verlief es leider nicht. Konservative und Liberale haben den Prozess verzögert. Dadurch hat es länger gedauert als geplant, bis der Ausschuss zustande kam. Doch mittlerweile sind die Verhandlungen zwischen den Fraktionen abgeschlossen und Ende Februar gab das Parlament dem Ausschuss sein Mandat.