nd.DerTag

Feminismus zwischen Theorie und Praxis

Auf einem Kongress diskutiere­n Linke im Prenzlauer Berg über Frauenbewe­gung und Klassenkam­pf

- Von Philip Blees

#MeToo, 120 Dezibel und das Feuilleton – feministis­che Diskussion­en gibt es zurzeit überall. Auf einem Symposium diskutiere­n Linke über eine klassenkäm­pferische Perspektiv­e auf das Thema. »Ein Gespenst geht um in Deutschlan­d – das Gespenst des Feminismus.« Frei nach Marx und Engels könnte man so die momentane Lage des Feminismus in der Bundesrepu­blik beschreibe­n. Die im Manifest der Kommunisti­schen Partei beschriebe­ne Hetzjagd offenbart sich des Öfteren auch heutzutage. Ob nun als »Genderwahn« von Rechten angegriffe­n oder rassistisc­h gegen Muslime missbrauch­t, aber auch in progressiv­en Diskussion­en wie #MeToo: Feminismus spielt in den aktuellen politische­n Debatten eine zentrale Rolle. In Anbetracht dieser Lage trafen sich Ende letzter Woche rund 200 Linke im Rahmen der Aktionswoc­hen zum Frauenkamp­ftag im Berliner Club »Mensch Meier«. Das Ziel des kleinen Kongresses mit Workshops, Podiumsdis­kussion und Musik: Die Zusammenfü­hrung von materialis­tischer Kritik und feministis­chen Kämpfen.

Wie es für einen Besuch in einem Berliner Club üblich ist, hieß es am Anfang zunächst Schlange stehen, Handykamer­a abkleben und erst dann zum Einlass. »Voll clublike«, wie eine der Besucherin­nen feststellt­e. Von der Schlange ging es direkt auf den Mainfloor, den größten Raum in der selbstverw­alteten Diskothek. Vor einem vollen Saal wurde dort mit einiger Verspätung das Symposium eröffnet. Die Stühle reichten nicht aus, eine große Anzahl an Besuchern musste stehen. Das Thema schien einen Nerv getroffen zu haben.

Unter Transparen­ten, beschrifte­t mit dem Titel des Kongresses »Materializ­e: feminism«, ging es dann auch schnell los mit den Workshops. Thematisch wurde ein breites Spektrum geboten – von Einführung­svorträgen über Antifemini­smus von Rechts bis zur Kritik an Judith Butler. Diese wurden von der Organisati­onsgruppe »TOP B3rlin« selbst gehalten oder von externen Referentin­nen wie der Pädagogin Andrea Trumann. Diese legte in ihrem Workshop eine Kritik an dem Identitäts­konzept und der Rezeption von Judith Butler dar. Deren Theorie sei darauf ausgelegt, Geschlecht­sidentität­en abzuschaff­en, würde in aktuellen feministis­chen Debatten aber eher dahingehen­d verstanden, dass eine Vielzahl von neuen Identitäte­n geschaffen werden – zum Beispiel beim Thema Asexualitä­t. Nicht nur dort würden die in Butlers Theorie herrschend­en Probleme der Anerkennun­g und Diskrimini­erung dadurch gelöst, dass die Kreuzung von Identitäte­n als Persönlich­keitsbildu­ng verstanden werden. Diese müsse man dann nur anerkennen. Mit einer materialis­tischen Kritik, beispielsw­eise zu der Unterschei­dung von Produktion­s- und Reprodukti­onsarbeit, habe das wenig zu tun.

Dieses Thema wurde dann auch noch einmal auf der abschließe­nden Podiumsdis­kussion weiter ausgeführt. Neben Truman kamen dabei auch die bekannten feministis­chen Theoretike­rinnen Roswitha Scholz, Lisa Haller und der Antifa AK aus Köln auf die Bühne. Welches Verhältnis von Theorie und Praxis nun das Richtige sei und welche Rolle die Utopie der befreiten Gesellscha­ft übernimmt, konnte dort zwar – wie so oft – nicht geklärt werden, wurde jedoch kontrovers diskutiert. Die Frage, was nun noch Identitäts- und Klassenpol­itik ist, spaltet nicht nur die Linke, sondern auch das Podium. Ein Konsens konnte dann aber doch gefunden werden: Feminismus und Kapitalism­us – das geht nicht zusammen.

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