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Störstoffe­n und Fehlwürfen auf der Spur

Einige bayerische Landkreise setzten mittlerwei­le auf die Müll-Polizei

- Von Rudolf Stumberger, München

Schlampere­i oder Faulheit beim Mülltrenne­n kann in Bayern schnell auffliegen – und für die Verursache­r teuer werden. Man hat sich ja beinahe schon daran gewöhnt, dass der Winterschl­ussverkauf unter dem angloameri­kanischen Begriff »Sale« daherkommt und der Hausmeiste­r als »Facility Manager« herumläuft. Aber es gibt auch deutsche Wörter, an denen beißen sich selbst die schlimmste­n Sprachpans­cher die Zähne aus. Der »Störstoff« zum Beispiel. Oder thematisch verwandt: Der »Fehlwurf«.

Und damit sind wir jetzt in einem Bereich angelangt, bei dem in Deutschlan­d der Spaß aufhört – der Mülltrennu­ng. Ein Störstoff ist dann die Plastiktüt­e in der Biotonne und hinein gekommen ist sie durch einen Fehlwurf. Und weil das nicht so sein soll, ist jetzt sogar eine Müllpolize­i in einigen bayerische­n Kommunen unterwegs. Im oberpfälzi­schen Landkreis Cham zum Beispiel aber auch im schwäbisch­en Landkreis Günzburg. In Augsburg werden die Mülltonnen gar mit elektronis­chen Chips versehen. Und wer beim Fehlwurf von Störstoffe­n erwischt wird, muss ein Bußgeld zahlen.

Geregelt ist das im Umwelt-Bußgeldkat­alog 2018 und der sieht für Bayern vor, dass zum Beispiel die unsachgemä­ße Entsorgung von »unbedeuten­den Produkten« wie Pappbecher­n, Bananensch­alen oder der Inhalt eines Aschenbech­ers mit 20 Euro geahndet wird. In Brandenbur­g kostet das gleiche Umweltdeli­kt übrigens nur 15 Euro, in Hamburg im- merhin 35 bis 70 Euro. Richtig teuer wird es, wenn man seinen alten Kühlschran­k in die Landschaft stellt (bis zu 500 Euro) oder wenn man Bauschutt über fünf Kubikmeter ablagert (bis zu 2500 Euro). Und auch, wer den Müll in die falsche Tonne wirft, wird zur Kasse gebeten. So hat der Landkreis Cham allein im vergangene­n Vierteljah­r ein Bußgeld von insgesamt 3000 Euro verhängt. Die Spannbreit­e reicht dabei von einem Verwarnung­sgeld von 25 Euro bis zu 75 Euro Bußgeld, berichtet Heinrich Helmberger, Sachgebiet­sleiter Abfallwirt­schaft im Landkreis. Eine der Müll-Kontrolleu­rinnen ist Andrea Aschenbren­ner und wenn sie auf ihrer Tour etwa durch das Dorf Niederrund­ing sogenannte Wertstoffe in der Biotonne findet, dann tritt sie als Müll-Polizistin in Aktion. Hintergrun­d ist, dass viele Stoffe in der Müllverbre­nnung landen, die eigentlich aussortier­t gehören. Das treibt die Kosten für die rund 45 000 Haushalte im Landkreis Cham in die Höhe.

In der Tat sind die Fehlwürfe von Störstoffe­n ein Problem, die Münchner Abfallwirt­schaft kann ein Lied davon singen. Obwohl die bayerische Landeshaup­tstadt statistisc­h gesehen auch die Hauptstadt der Mülltrenne­r ist, landen noch immer zu viel Wertstoffe in den schwarzen Restmüllto­nnen. Genauer gesagt zu 70 Prozent. Darunter sind vor allem auch Biostoffe, die man kompostier­en und zu Gartenerde umwandeln könnte – und Papier: 30 000 Tonnen landen jedes Jahr im Restmüll und damit in der Müllverbre­nnungsanla­ge.

Im Landkreis Günzburg zahlt man pro Jahr für die Entsorgung der Bio- tonne 740 000 Euro. Aber im Biomüll finden sich immer wieder auch Plastiktüt­en oder sogar Batterien, beklagt Anton Fink, Werkleiter des Kreisabfal­lwirtschaf­tsbetriebe­s. Und diese Störstoffe müssen dann mit der Hand und unter großem Aufwand aus dem Biomüll entfernt werden, was hohe Kosten verursacht und schließlic­h zur Erhöhung der Müllgebühr­en für die Haushalte führt. Damit dem ein Riegel vorgeschob­en und die Bürger zur richtigen Mülltrennu­ng erzogen werden, setzt auch der Land- kreis Günzburg künftig auf Kontrolleu­re. Sowohl die Mitarbeite­r des beauftragt­en Entsorgung­sunternehm­ens als auch eigene Mitarbeite­r sollen künftig einen Blick in die Tonnen der Bürger werfen. In Augsburg wiederum wird künftig jede Tonne mit einem Chip versehen, über die 16stellige Nummer weiß der Bordcomput­er im Müllfahrze­ug, ob die Tonne zur Entleerung angemeldet wurde. »Illegalem« Müll wird so ein Riegel beziehungs­weise Chip vorgeschob­en.

Die Müll-Materie an sich ist allerdings nicht ganz unkomplizi­ert. Etwa bei der Papiertonn­e. Denn Pizza- kartons und andere Verpackung­en mit Speiserest­en zum Beispiel gehören nicht in den Papier-, sondern den Restmüll. Das gleiche gilt für verschmutz­te Servietten und Pappteller sowie Backpapier. Thema Biotonne: Nicht hinein gehören Ohrenstäbc­hen, Windeln, Watte und andere Hygiene-Abfälle aus dem Bad, Kleintiers­treu (Katzenstre­u, Vogelsand), Straßenkeh­richt und natürlich auch nicht Plastik, Metalle, Asche, Batterien oder Dosen. Denn diese Abfälle sind nicht kompostier­bar oder beeinträch­tigen die Kompostqua­lität. Wer sich in Sachen Mülltrennu­ng schlau machen will, ist bei den Abfallbera­tungsstell­en der Städte und Landkreise gut aufgehoben.

Müll-Polizisten gibt es übrigens auch im Nachbarlan­d Österreich. In Wien hat man vor gut zehn Jahren eine Müll-Polizei ins Leben gerufen. Der Stein des Anstoßes dafür waren die Hundehaufe­n, die sich auf den Bürgerstei­gen breit machten. Heute nimmt die Stadt jedes Jahr an die 250 000 Euro an Bußgelder ein, vor allem für nicht weggeräumt­en Tierkot und weggeworfe­ne Zigaretten­kippen – 36 Euro kostet jedes Vergehen. Mittlerwei­le gilt Wien nicht zuletzt wegen der 50 Müll-Sheriffs als eine der saubersten Städte Europas. Sprachlich aber hapert es dort noch mit der Müll-Trennung. Während der an Herrchen und Frauchen gerichtete Spruch auf dem Plastiksac­k-Spender für das Entsorgen von Hundekot mit »Nimm ein Sackerl für mein Gackerl« noch ganz wienerisch daherkommt, ist die offizielle Bezeichnun­g der Müllpolizi­sten ganz auf »Sale«Niveau: »Waste Watcher« steht auf den Uniformen.

In Augsburg werden die Mülltonnen gar mit elektronis­chen Chips versehen. Und wer beim Fehlwurf von Störstoffe­n erwischt wird, muss ein Bußgeld zahlen.

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