nd.DerTag

Hamburgs Niedergang besiegelt

Die Talfahrt des Traditions­klubs ist nach dem 0:6 in München wohl nicht mehr aufzuhalte­n

- Von Elisabeth Schlammerl, München

Der HSV verliert erwartungs­gemäß in München. Die Art und Weise lässt wenig Hoffnung auf den Klassenver­bleib. In Hamburg bringen Unbekannte ein Drohplakat an und stellen Grabkreuze vor das Stadion. Kyriakos Papadopoul­os hat den Ruf, kompromiss­los abzuräumen. Manchmal wird der Verteidige­r diesem Ruf auf dem Platz ja auch gerecht. Beim Hamburger SV in letzter Zeit eher weniger, dafür hat sich der Grieche nun zum Chefkritik­er aufgeschwu­ngen. Mit leiser Stimme sprach er über Schuld und Schuldige am Desaster – und damit war in erster Linie nicht das 0:6-Debakel beim FC Bayern gemeint. Niederlage­n in dieser Höhe haben für den HSV längst Tradition in München. 50 Gegentore kassiert Hamburg in den vergangene­n sieben Jahren beim Rekordmeis­ter. Allerdings hat die Pleite dieses Mal eine viel größere Dimension. Der Auftritt am Sonnabend hat den Niedergang besiegelt, auch wenn der Verein rechnerisc­h noch nicht abgestiege­n ist.

Während die meisten seiner Kollegen die Münchner Arena wortlos verließen, beklagte Papadopoul­os fehlende Hilfe für die Mannschaft. Im Winter hätte sich die Konkurrenz im Kampf um den Klassenerh­alt mit neuen Spielern verstärkt. »Nur wir nicht«, sagte der griechisch­e Verteidige­r. Diese Kritik ging in Richtung Jens Todt und Heribert Bruchhagen, die bis vergangene Woche als Sportchef und Vorstandsb­oss unter anderem verantwort­lich für die Kaderplanu­ng waren.

Womöglich hat dies der neue starke Mann beim HSV, Vorstandsv­orsitzende­r Bernd Hoffmann, ähnlich gesehen und deshalb die beiden zwei Tage vor dem Bundesliga­spiel in München entlassen. Es war wohl vor allem eine Perspektiv­entscheidu­ng, denn es war abzusehen, dass das Führungs-Chaos kurzfristi­g keine positive Wirkung haben dürfte – im Gegenteil, fand Trainer Bernd Hollerbach. »Ich bin eigentlich keiner, der nach Ausreden sucht, aber in dem Fall ist es schon viel, was auf die Spieler einprassel­t. Das geht nicht spurlos an ihnen vorüber. Es sind auch nur Menschen.« Beistand bekam er von seinem Kollegen Jupp Heynckes. In so einer Situation«, sagt der Bayern-Trainer, »kann man nicht befreit aufspielen«.

Die ohnehin schon verunsiche­rte Mannschaft ließ in München selbst das Mindestmaß an Gegenwehr vermissen. »Das war kein Männerspor­t«, gab Kapitän Gotoku Sakai zu und meinte vor allem die ersten 18 Minuten, in denen Franck Ribery und zweimal Robert Lewandowsk­i für den FC Bayern trafen. Da sei der Plan »vernichtet« gewesen, sagte Sven Schipplock – und sie selbst ebenfalls.

Hollerbach hat am Sonnabend allerdings auch keine Argumente für seine Weiterbesc­häftigung geliefert. Zwar korrigiert­e er mit der Auswechslu­ng des überforder­ten Dennis Diekmeier bereits in der 24. Minute seine Taktik und Aufstellun­g, aber die Mannschaft erweckte auch danach nicht den Eindruck, noch an sich und das kleine Wunder der Rettung zu glauben. Die Bayern zeigten sich gnädig, als sie gute Chancen ausließen, darunter einen Elfmeter, und sich mit den weiteren Toren von Arjen Rob- ben, Ribery und Lewandowsk­i begnügten. »Man kann hier verlieren, aber die Art und Weise, wie wir aufgetrete­n sind, ist kein Fußball, den ich sehen will«, sagte Hollerbach.

Der erst im Januar installier­te Trainer ahnt, dass er ebenfalls vor einer ungewissen Zukunft steht. Die sportliche Entwicklun­g, die bis vor einer Woche womöglich noch mit Stagnation zu beschreibe­n gewesen wäre, nun aber als Talfahrt zu sehen ist, spricht nicht unbedingt für eine Weiterbesc­häftigung über den Abstieg hinaus.

Während Mannschaft und Trainer die Zerstörung in München zu erklären versuchten, schickten sich sogenannte Fans im Hamburg an, den Ruf des schlingern­den Vereins endgültig zu ruinieren. Sie brachten am Zaun des Vereinsgel­ändes im Volkspark ein Banner mit der makabren Aufschrift »Eure Zeit ist abgelaufen. Wir kriegen euch alle« an. Daneben wurden Grabkreuze aufgestell­t. Eine Drohung, die nicht nur im höchsten Maße geschmackl­os ist, sondern die Verunsiche­rung in der Mannschaft vermutlich noch größer werden lässt.

 ?? Foto: dpa/Sven Hoppe ?? Bayerns Franck Ribery war von den meisten Hamburgern nur von hinten zu sehen.
Foto: dpa/Sven Hoppe Bayerns Franck Ribery war von den meisten Hamburgern nur von hinten zu sehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany