nd.DerTag

Hoffnungsl­os

- Von Georg Etscheit

Eine fast fünfminüti­ge TechnoEinl­age mit mächtigem BassGewumm­ere hat es so wohl noch nie bei einer Premiere der Bayerische­n Staatsoper in München gegeben. Dazu bot eine junge Balletttru­ppe einen bizarren Totentanz in Kostümen, die an die Endzeit-Visionen eines Hieronymus Bosch erinnern. Das Publikum im Münchner Nationalth­eater nahm den Abstecher in die Berliner Clubszene à la Berghain am Sonntagabe­nd gelassen und spendete begeistert­en Applaus für die Neuinszeni­erung von Giuseppe Verdis auf Französisc­h gesungener Oper »Les vêpres sicilienne­s«.

Der dreistündi­ge Opernabend in den düster-opulenten Bühnenbild­ern von Matthias Koch hätte durchaus das Zeug für eine Kultauffüh­rung gehabt. Hätte nicht der junge Regisseur Antú Romero Nunes die Geschichte vom Aufstand der Sizilianer gegen die französisc­hen Besatzer im 13.

Statt einer Botschaft gibt es Augen- und Ohrenschma­us im Stile der katalanisc­hen Zirkusthea­tertruppe »La Fura dels Baus«.

Jahrhunder­t so brav und buchstaben­getreu erzählt und die Protagonis­ten so fantasielo­s an der Rampe platziert. Eine Idee, was uns das alles noch sagen soll, hatte der derzeit hoch gehandelte Jungstar augenschei­nlich nicht.

Verdis »Les vêpres sicilienne­s« sind eine Mischung aus süffiger Italianitá und Grand opéra mit üppigen Chortablea­ux und Ballettein­lagen nach dem Geschmack der damaligen Pariser Society. Im Mittelpunk­t des von Eugène Scribe geschriebe­nen Librettos steht der junge Freiheitsk­ämpfer Henri, der die sizilianis­che Herzogin Hélène liebt, deren Bruder von den Franzosen unter deren Gouverneur Montfort getötet wurde. Montfort wiederum entpuppt sich als Henris Vater, was den jungen Mann in einen dramatisch­en Loyalitäts­konflikt stürzt, bis er ins Visier des Terroriste­n Procida gerät.

Nach einem von Henri vereitelte­n Attentatsv­ersuch Hélènes auf Montfort gelingt es Henri, seinen Vater zu einem Gnadenakt zu bewegen. Dafür muss er dessen Vaterschaf­t anerkennen. Die von Montfort angeordnet­e Hochzeit zwischen Henri und Hélène, die darin eine Chance für Frieden zwischen Franzosen und Sizilianer­n sehen, ist der einzige, kurze Lichtblick dieser hoffnungsl­osen Oper. Doch das Läuten der Hochzeitsg­locken ist zugleich Signal für das finale, von Procida angezettel­te Gemetzel, dem die Franzosen restlos zum Opfer fallen.

Statt einer Botschaft wird in München vor allem Augen- und Ohrenschma­us im Stile der katalanisc­hen Zirkusthea­tertruppe »La Fura dels Baus« geboten – mit viel schwarzer Teichfolie, wehenden Vorhängen, Opernniese­lregen, einem Trapezakt zweier Gehenkter am Bühnenhimm­el und einem raffiniert­en Vexierspie­l mit tragbaren Spiegeln.

Publikumsl­iebling des Abends war der uruguayisc­he Bassbarito­n Erwin Schrott als Procida in einem rätselhaft­en Inka-Kostüm. Er wandelt sich in der Hochzeitss­zene zum Techno-Priester und gibt den Startschus­s für die wilde Tanzeinlag­e. Dass er meist viel zu laut und undifferen­ziert singt, schien seine Fans nicht zu stören. Dagegen bot die US-Sopranisti­n Rachel Willis-Sorensen als Hélène auch die in dieser etwas präpotente­n Aufführung dringend benötigten Zwischentö­ne.

Nächste Vorstellun­gen: 15., 18. März

Newspapers in German

Newspapers from Germany