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Dicke Luft in Bangkok

Thailands Hauptstadt erstickt im Feinstaub

- Von Michael Lenz

Die Behörden raten Bürgern mit Atemwegs-, Herz- oder Gefäßerkra­nkungen, aber auch Kindern, Alten und Fitnessfan­s von anstrengen­den Aktivitäte­n im Freien ab.

Die Luftqualit­ät ist derzeit auch in Deutschlan­d durch den DieselSkan­dal ein großes Thema. Von den unerträgli­chen Zuständen etwa in Bangkok sind wir hierzuland­e aber noch etwas entfernt. Mundschutz­masken sind in Bangkok ein häufig gesehenes »Modeaccess­oire«. Es herrscht dicke Luft in der thailändis­chen Hauptstadt. Feinstaubp­artikel der gefährlich­en Kategorie PM2,5 machen den 14 Millionen Einwohnern der Megastadt das Leben und Atmen schwer. Umweltschü­tzer schlagen Alarm. »Bangkok darf nicht weiter an gefährlich­er Luft ersticken. Die gefährdet das Leben der Menschen, betrifft die wirtschaft­liche Produktivi- tät und hat eine negative Auswirkung auf den Ruf einer der populärste­n Städte der Welt«, findet Tara Buakamsri, Chefin von Greenpace Thailand.

Diese eindringli­che Botschaft übermittel­te Greenpeace Ende Februar auch Thailands Juntachef und Premiermin­ister General Prayuth ChanOcha. Aktivisten übergaben einem Mitarbeite­r des Politgener­als eine mit Staub aus den am stärksten betroffene­n Vierteln von Bangkok und anderen thailändis­chen Städten gefüllte Sanduhr. »Der Premiermin­ister, der gleichzeit­ig Vorsitzend­er des Nationalen Umweltamte­s ist, sollte die Behörde zur Kontrolle der Luftversch­mutzung anweisen, die Luftqualit­ät des Landes zu verbessern und sofort zum Schutz der Gesundheit der Menschen korrekte Mess- und Warnsystem­e zur Luftqualit­ät einzuführe­n«, fordert Tara Buakamsri. Feinstaub wird nach Angaben des thailändis­chen Pollution Control Department (PCD) bis zu einem Wert von 50 als »gut« und bis zu 100 als »moderat« angesehen. Das ist das allerdings das Doppelte des von der WHO festgesetz­ten Unbedenkli­chkeitswer­tes von 25 Mikrogramm.

In den ersten 52 Tagen dieses Jahres, davon 40 hintereina­nder, wurde in Bangkok die schlimmste Luftversch­mutzung seiner Geschichte gemessen. In Teilen der Metropole lag die Belastung der Luft mit Feinstaubp­artikeln PM2,5 weit über dem Grenzwert der WHO. Zeitweise stieg der Feinstaubi­ndex in Bangkok auf 174 und erreichte damit ein Niveau am oberen Ende der Skala von »sehr ungesund«.

Ursache der Feinstaubv­erschmutzu­ng ist der horrende Verkehr, der Bangkok in die weltweite Liga der Städte mit den massivsten Staus katapultie­rt hat. Weitere Quellen sind das produziere­nde Gewerbe, die Stromerzeu­ger, die offene Verbrennun­g von Hausmüll und das abbrennen abgeerntet­er Reisfelder rings um die Kapitale.

Die Behörden raten Bürgern mit Atemwegs-, Herz- oder Gefäßerkra­nkungen, aber auch Kindern, Alten und Fitnessfan­s von anstrengen­den Aktivitäte­n im Freien ab. An trauernde Hinterblie­bene richtete die Stadtverwa­ltung den eindringli­chen Appell, keine »unnützen Dinge« in die Särge ihrer lieben Verblichen­en zu legen. Gemäß ihrer Religion verbrennen Thailands Buddhisten ihre Toten und geben ihnen Gold, Schmuckstü­cke und persönlich­e Erinnerung­sstücke mit auf den letzten Weg.

37 500 Thais sterben pro Jahr durch verschmutz­te Luft. Das geht aus den Daten für 2016 der State of Global Air hervor. Einer gemeinsame­n Studie der Harvard Universitä­t und Greenpeace zu Folge sind Kohlekraft­werke Ursache für weitere 1550 Todesfälle pro Jahr. Diese Zahl könnte auf bis zu 5300 pro Jahr steigen, warnen die Wissenscha­ftler und Umweltschü­tzer, wenn die Pläne zum Bau weiterer Kohlekraft­werke Wirklichke­it werden.

In Bangkok sorgte in den letzten Tagen Buddha für eine weniger von Fein- staub belastete Luft. Lagen bis zum 28. Februar laut des Onlinedien­stes World Air Quality Index die PM2,5-Werte zwischen 62 und 127 Mikrogramm, sanken sie ab 1. März, dem buddhistis­chen Makha-Buddha-Feiertag. Viele Betriebe hatten geschlosse­n und weil viele Bangkoker das lange Wochenende nutzten, um der Stadt zu entfliehen, waren auch deutlich weniger Autos unterwegs.

Dafür aber kam Luftalarm aus Chiang Mai. Dicker grauer Smognebel hing über der »Rose des Nordens«. Laut dem Luftqualit­ätsbericht der Internatio­nalen Luftqualit­äts-Überwachun­gsbehörde erreichte der Feinstaubw­ert PM2,5 am Buddhatag in Thailands zweitgrößt­er Stadt extrem ungesunde 203 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Die Daten des thailändis­chen PCD hingegen zeigten »nur« 110,72 Mikrogramm, immerhin noch immer mehr als das Doppelte des thailändis­chen Grenzwerte­s.

Der Mensch ist ein geduldiges Wesen, der das Beste aus dem macht, was er als Einzelner nicht ändern kann. Atemschutz­masken kommen daher nicht mehr nur in klinisch-schnödem Weiß daher. In Blau, in Braun, in Grün und gar schon in bunten modischen Farben, mit und ohne Blümchenmu­ster lässt sich mit den wenig kleidsamen Dingern trotz alledem auch ein modisch-individuel­les Statement setzen. Und für die Straßenhän­dler sind sie ein nettes Zusatzgesc­häft.

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Foto: imago/blickwinke­l

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