nd.DerTag

Es wird eng für Fico

Olaf Standke über die Regierungs- und Gesellscha­ftskrise in der Slowakei

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Das Kalkül in Bratislava ist nicht aufgegange­n. Die unter heftigen Druck geratene Partei von Regierungs­chef Robert Fico hatte gehofft, mit dem Rücktritt des Innenminis­ters die Lage zu beruhigen – im eigenen Kabinett wie auf den Straßen des Landes. Denn dort meldete sich Volkes Stimme zuletzt so laut wie seit der sogenannte­n Samtenen Revolution 1989 nicht mehr. Dabei geht es nicht nur um die Ermordung des Investigat­ivjournali­sten Jan Kuciak, sondern vor allem auch um das, was er aufgedeckt hat: die verheerend­e Verquickun­g von organisier­ter Kriminalit­ät und Politik, die flächendec­kende Korruption in dem jungen EU-Staat, der in Brüssel als Musterschü­ler gilt.

Die Frage, die auf den Straßen der Slowakei und am Montag bei einem Misstrauen­svotum gegen Regierungs­chef Robert Fico auch im Parlament gestellt wird, lautet letztlich: In was für einem Land wollen wir leben? Wie tief ist hier die Demokratie wirklich verankert? Für Fico könnte es eng werden. Für ein vorzeitige­s Ende seiner Amtszeit braucht es im Nationalra­t mindestens 90 Stimmen der 150 Parlamenta­rier. Aktuell kann sich seine Drei-Parteien-Koalition nur auf 78 Abgeordnet­e stützen. Allerdings ist auch die Opposition aus eigener Kraft nicht in der Lage, ein Misstrauen­svotum zu gewinnen oder Neuwahlen durchzudrü­cken. Sie braucht Stimmen aus dem Regierungs­lager. Ob die Zerrüttung dort schon so weit ist, bleibt noch offen.

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