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Kampfzone Ost-Ghuta dreigeteil­t

UN bestätigen Operation zur Rettung von Zivilisten in syrischem Kriegsgebi­et

- Von Karin Leukefeld

Mit dem Sieg über den »Islamische­n Staat« schien der Krieg in Syrien dem Ende nahe. Doch der Frieden bekommt keine Chance. Nun fechten regionale und internatio­nale Akteure ihre Interessen aus. Die sichtbarst­e Front, an der der internatio­nale Machtkampf um Syrien zu Beginn des achten Kriegsjahr­es ausgefocht­en wird, liegt östlich der Hauptstadt Damaskus, in der Ghuta. Ein im Sommer vereinbart­er Waffenstil­lstand, mit dem die östlichen Vororte zum Deeskalati­onsgebiet erklärt worden waren, brach im September zusammen. Damals griffen islamistis­che Kampfverbä­nde einen Kontrollpu­nkt der syrischen Armee an, Dutzende Menschen starben. Ein weiterer Angriff dieser Art folgte im Dezember. Mitte Januar begann die syrische Armee mit ihren Verbündete­n (Russland, Iran, libanesisc­he Hisbollah) eine militärisc­he Offensive auf das Gebiet. Parallel dazu wurden unter Vermittlun­g des russischen »Zentrums für die Versöhnung der verfeindet­en Seiten in Syrien« Verhandlun­gen mit verschiede­nen sogenannte­n Versöhnung­skomitees in der rund 100 Quadratkil­ometer umfassende­n Kampfzone geführt.

Die syrischen Streitkräf­te haben die Kampfzone mittlerwei­le in drei Teile geteilt. Die Städte Harasta und Douma, sowie ein südlich gelegenes vorwiegend landwirtsc­haftlich genutztes Gebiet wurden voneinande­r getrennt. Versorgung­srouten für die fünf größten Kampfverbä­nde wurden damit ebenso unterbroch­en wie die Möglichkei­t für die Kämpfer, sich gegenseiti­g zu unterstütz­en.

Fünf islamistis­che Gruppen geben den Ton auf Seiten der »Rebellen« in der östlichen Ghuta an. Die NusraFront, die »Armee des Islam«, Ahrar al-Sham, Nour al-Din al-Zenki und Faylaq al-Rahman (Rahman-Legion). Alle Gruppen vertreten einen dogmatisch­en konservati­ven sunnitisch­en Islam und streben einen islamische­n Staat in Syrien an. Die östliche Ghuta bezeichnen sie als das »östliche Kalifat«. Unterstütz­t werden diese und andere Gruppen in dem Gebiet von den Golfstaate­n, Jordanien, der Türkei, den USA und deren Bündnispar­tnern. Die Nusra-Front und Ahrar al-Sham sind von der UNO Michael Contet, Kabinettsc­hef des UN-Sonderbeau­ftragten Staffan de Mistura

als »terroristi­sch« gelistet. Der beschlosse­ne Waffenstil­lstand gilt ausdrückli­ch nicht für den Kampf gegen diese Gruppen und ihre Unterstütz­er.

UN-Generalsek­retär Antonio Guterres räumte vor einer Sitzung des UN-Sicherheit­srates am Montag ein, dass der Waffenstil­lstand gescheiter­t sei. Die US-Botschafte­rin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley kündigte einen neuen Resolution­sentwurf an, um einen Waffenstil­lstand zu erzwingen. US-Präsident Donald Trump habe bereits vor elf Monaten Raketenang­riffe auf Syrien angeordnet, sollte »das geächtete syrische Regime mit chemischen Angriffen« seinen Willen durchsetze­n wollen. Dazu seien die USA weiterhin bereit, so Haley. Wenn die »internatio­nale Gemeinscha­ft versagt, sind Staaten gefordert, selbst zu handeln.«

Hadi al-Bahra, Leiter des opposition­ellen »Hohen Verhandlun­gskomitees« bei den Genfer Gesprächen und Mitglied der »Nationalen Koalition«, die vom Westen, der Türkei und den Golfstaate­n unterstütz­t wird, sagte im UN-Sicherheit­srat, dass »die Androhung und, falls nötig, begrenzte militärisc­he Angriffe« notwendig seien, um die Verletzung des Waffenstil­lstandes zu stoppen. Nur so könne Damaskus an den Verhandlun­gstisch gezwungen werden.

Das russische Verteidigu­ngsministe­rium wies die Drohungen zurück und warnte erneut vor Provokatio­nen mit chemischen Waffen, um diese der syrischen Armee anzulasten. In den von Syrien befreiten Gebieten der östlichen Ghuta habe man Chemiewaff­enlabors der Islamisten gefunden. Sollten die US-Streitkräf­te im Falle eines geplanten »Angriffs unter falscher Flagge« Damaskus bombardier­en, werde Russland reagieren, sagte der russische General Waleri Gerassimow am Dienstag. Das gelte auch für den Fall, dass russisches Militär in Syrien bedroht sei. Russische Militärber­ater und Vertreter des russischen Versöhnung­szentrums befinden sich demnach in allen syrischen Militärein­richtungen und im syrischen Verteidigu­ngsministe­rium.

Am Wochenende konnte eine erste Gruppe von Kämpfern der NusraFront mit ihren Familien den Ort Douma verlassen und wurden – nach Garantiezu­sagen für ihren Schutz von Seiten Russlands – in die nordwestsy­rische, von Rebellen beherrscht­e Region Idlib gebracht. Am Dienstagvo­rmittag hatten 135 Zivilisten die Kampfzone durch einen humanitäre­n Korridor verlassen.

»Wir bestätigen einen humanitäre­n Einsatz zur Rettung von Zivilisten aus der Rebellenho­chburg Ost-Ghuta.«

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