nd.DerTag

Volle Züge machen Politik Druck

Gemeinsame Kabinettss­itzung von Berlin und Brandenbur­g zu Verkehr und Wohnungen

- Von Nicolas Šustr

Die Pendlerzah­len steigen unaufhalts­am, doch jahrelang arbeiteten die Mark und die Bundeshaup­tstadt nicht auf einen Ausbau der Zugkapazit­äten hin. Jetzt ist Eile geboten. Ein paar zusätzlich­e Fahrten und mehr Kapazität durch Einsatz von Doppelstoc­kwagen auf einigen Linien, immerhin darauf können sich die Bahnpendle­r der Region in den nächsten Monaten freuen. Ab 9. April wird zum Beispiel die Kapazität auf einigen Fahrten der Linie RB25 zwischen Werneuchen und Berlin wochentags erhöht, auch auf der Oderlandba­hn RB26 können durch die Auslieferu­ng weiterer Wagen die Züge zwischen Müncheberg und Berlin verlängert werden, zum Fahrplanwe­chsel im Dezember wird die Linie auch den Umsteigekn­oten Berlin-Ostkreuz anfahren. So viel wurde im Vorfeld der gemeinsame­n Kabinettss­itzung der Landesregi­erungen Brandenbur­gs und Berlins in Neuhardenb­erg (MärkischOd­erland), deren Ende nach Redaktions­schluss dieser Seite angesetzt ist, schon mal bekannt. »Immerhin als Geste ist das zu begrüßen«, sagt Jens Wieseke vom Berliner Fahrgastve­rband IGEB zu den demnächst tatsächlic­h greifbaren Ergebnisse­n der in jüngster Zeit intensiver­en Zusammenar­beit der zwei Bundesländ­er.

Natürlich ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein – über 300 000 Menschen pendeln werktäglic­h zwischen der Hauptstadt und der Mark. Allein zwischen Mitte 2016 und Mitte 2017 stiegen die Zahlen um knapp drei Prozent. Das wissen natürlich auch die beiden Regierunge­n. An dem Gespräch unter Leitung von Brandenbur­gs Ministerpr­äsident Dietmar Woidke und Berlins Regierende­m Bürgermeis­ter Michael Müller (beide SPD) nehmen auch Deutsche-BahnChef Richard Lutz und der DB-Vorstand für Infrastruk­tur, Ronald Pofalla, teil. Themen sind unter anderem der Regionalve­rkehr oder auch die Verbindung­en nach Polen.

Dabei sollen auch die nächsten Schritte des im Oktober vorgestell­ten Konzepts »i2030« erörtert werden. Acht Eisenbahnk­orridore der Region sowie die S-Bahn werden in einem gemeinsame­n Lenkungskr­eis mit der Deutschen Bahn untersucht. Um die Realisieru­ng zu beschleuni­gen, gehen die beiden Länder in Vorleistun­g. Denn die Korridore werden nach der entspreche­nden grundsätzl­ichen Bewertung und Priorisier­ung gleich bis zum genehmigun­gsreifen Entwurf vorgeplant. Üblicherwe­ise ist nach der Vorplanung zunächst Schluss, bis Bundesmitt­el gesichert sind. Sechs Millionen Euro sind dafür dieses Jahr eingeplant – immerhin ein Anfang.

Viele Projekte sind lange schon in der Diskussion. So zum Beispiel die Wiederinbe­triebnahme der Heidekraut­bahn zwischen Basdorf im Landkreis Barnim und Berlin-Wilhelmsru­h. Der Personenve­rkehr auf dem Abschnitt wurde infolge des Mauerbaus 1961 eingestell­t. Stattdesse­n steuern die Züge den Bahnhof Berlin- Karow an. Jochen Bona vom Deutschen Bahnkunden­verband BerlinBran­denburg (DBV) hält nichts davon: »Die Strecke nach Karow ist wesentlich schneller und die Züge können mit geringen Investitio­nen von dort zum Umsteigekn­oten Berlin-Gesundbrun­nen verlängert werden«, sagt er dem »nd«. Jens Wieseke vom IGEB hält einen Betrieb beider Strecken – nach Wilhelmsru­h und nach Karow – für sinnvoll. »Diese sollten beide nach Gesundbrun­nen verlängert werden«, fordert er.

Tatsächlic­h ließe sich eine Wiederinbe­triebnahme recht zügig realisiere­n. Die Niederbarn­imer Eisenbahn (NEB) als Eigentümer­in der Infrastruk­tur hat sogar einen gültigen Planfestst­ellungsbes­chluss für die Errichtung eines kurzen Bahndamms nebst Bahnsteig in Wilhelmsru­h, der noch bis März 2021 gültig ist. Bei der NEB ist man derart zuversicht­lich, dass dieser Tage sogar schon Bäume auf der möglichen Trasse gefällt wurden.

Trotz aller Verbesseru­ngen ist nach Ansicht von Jochen Bona die Zusammenar­beit beider Länder weiterhin problemati­sch. »Beim letzten Lan- desnahverk­ehrsplan wurde lediglich beim Berliner Senat angerufen und um Unterzeich­nung gebeten, da man darüber abstimmen müsse«, schildert er die mangelnde Kooperatio­n. Es sei auch unglücklic­h, dass die beiden Landesnahv­erkehrsplä­ne zu unter- Christian Hoßbach, DGB schiedlich­en Zeiträumen erarbeitet würden. Berlin erstellt gerade den von 2019 bis 2023 gültigen Plan, während der Brandenbur­ger Plan seit diesem Jahr bis 2022 laufe. Er fordert ein gemeinsame­s Ländernahv­erkehrskon­zept für den ABC-Bereich der Hauptstadt­region. »Auch wenn dies sicherlich ein bisschen komplizier­t ist«, wie er sagt.

Die Planungsvo­rgaben zum Konzept 2030 des Verkehrsve­rbundes Berlin-Brandenbur­g (VBB) zielten »von vornherein nicht auf den schon heute höheren Bedarf und die absehbaren Bedarfsste­igerungen, sondern nur auf minimale Angebotsve­rbesserung­en«, kritisiert die IG Nahverkehr der Berliner Linksparte­i. »Unbrauchba­r und unbefriedi­gend« seihen die Ergebnisse daher.

»Die Erweiterun­g der Kapazitäte­n sowie der Ausbau der Streckenin­frastruktu­r müssen schnell umgesetzt und der Investitio­nsstau abgebaut werden«, fordert auch Christian Hoßbach, Landesvors­itzender des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes in Berlin-Brandenbur­g.

Ohne funktionie­renden Nahverkehr wird auch die Entlastung des Berliner Wohnungsma­rkts durch Städte der sogenannte­n zweiten Reihe, wie Brandenbur­g an der Havel oder Eberswalde, nicht funktionie­ren. Auch das stand auf der Agenda der Kabinettss­itzung.

»Die Erweiterun­g der Kapazitäte­n sowie der Ausbau der Streckenin­frastruktu­r müssen schnell umgesetzt und der Investitio­nsstau abgebaut werden.«

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Foto: dpa/Bernd Settnik Pendler entern den RE 1 am Potsdamer Hauptbahnh­of.

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