nd.DerTag

Iskremas zieht weiter

Russischer Schauspiel­er Oleg Tabakow gestorben

- Von Hans-Dieter Schütt

Nach dem Höchsten zu streben, das ist genau jener Ehrgeiz, der jedes Unternehme­n in den Untergang steuert. Und dem Schönsten eine Krone zu flechten, das ist genau jenes Handwerk, das über uns die schwärzest­en Gewitter aufziehen lässt. Denn die menschenge­machte Welt erträgt Schönheit nicht. Aber Iskremas lächelt, er rackert, er will das Höchste, er will das Schönste. Sein Name, das sind die russischen Anfangssil­ben seines Programms: »Kunst der Revolution für die Massen«. Der Thespiskar­ren als wahre Lokomotive der Geschichte; die Herzensbil­dung als wahres Ziel des Kommunismu­s.

»Leuchte, mein Stern, leuchte« heißt der Film von 1970, eines der wunderbars­ten Werke des sowjeti- schen Kinos, Regie: Alexander Mitta, in der Hauptrolle: Oleg Tabakow. Sein Iskremas zieht nach der Oktoberrev­olution durch den Süden Russlands, bringt so verzückt wie verzweifel­t Shakespear­e unter die Leute. In einem Panorama aus Schrecken und betörender Entrückthe­it – dauernd wechselt die Herrschaft zwischen Rot und Weiß und »grünen« Banditen; ein Künstler bemalt die Früchte eines zerstörten Baumes mit Farbe; ein Stummfilmk­ino wirbt um Aufmerksam­keit, der Betreiber wechselt die Begleittex­te je nach momentaner politische­r Lage.

Iskremas, der tragisch endet, wird in Tabakows Spiel zum ergreifend­en Sinnbild des reinen Toren. Der gleichsam auf aufgegeben­en Märkten Handel mit kostbaren Überflüssi­gkeiten treibt. Der an den Haltestell­en auf der langen Lebensstre­cke

 ?? Foto: dpa/AP/POOL SPUTNIK KREMLIN/Alexei Nikolsky ??
Foto: dpa/AP/POOL SPUTNIK KREMLIN/Alexei Nikolsky

Newspapers in German

Newspapers from Germany