Die Gesetzeslage erschwert die Aufklärung
Um die Fluchttendenz zu reduzieren, hat sich die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) auf dem 56. Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar dafür ausgesprochen, den UnfallfluchtParagrafen zu reformieren. Dazu Fragen & Antworten an Christian
Janeczek. Rechtsanwalt in der Kanzle Roth & Partner in Dresden und Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der AG Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins.
Wie viele Fälle von Fahrerflucht gibt es in ihrer Kanzlei? Im Jahr sind es heute etwa 100 Fälle – und die Tendenz ist weiter steigend. Personenschäden kommen aber nur sehr selten vor, meistens geht es um die typischen »Parkplatzrempler«.
Was sind die Ursachen für diese Zunahme? Vieles spricht dafür, dass die größeren Autos mit dafür verantwortlich sind. Die Fahrer sind heute immer stärker abgeschottet und können oft weder sehen noch hören, dass sie einen anderen Wagen touchiert haben. Bestenfalls spüren sie es über die taktile Wahrnehmung. Hinzu kommt: Die Autos werden größer, die Parkplätze nicht. Auch die automatischen Einparkhilfen haben die Situation nicht verbessert, die Anzahl der Parkschäden ist seit ihrer Einführung sogar gestiegen. Das kann zum Beispiel daran liegen, dass der Fahrer nicht wie vorgesehen darauf reagiert.
Was raten Sie Autofahrern, die einen parkenden Wagen beschädigt haben? Das Gesetz verlangt, dass jeder Autofahrer, der einen anderen Wagen beschädigt hat, auf dessen Halter warten und ihm seine Personalien angeben muss. Wer dies nicht tut, begeht Fahrerflucht und wird entsprechend bestraft. Auch dann, wenn er sich im Rahmen der »tätigen Reue« innerhalb der nächsten 24 Stunden nach dem Vorfall, freiwillig bei der Polizei oder dem Halter meldet.
Leider definiert das Gesetz das nicht genau. Es kommt also auf den Einzelfall an. So wird auf dem Supermarktparkplatz eine längere Wartezeit gefordert, da es wahrscheinlich ist, dass der Halter zeitnah erscheint. Beschädigt man dagegen nachts die Leitplanke auf der Autobahn, genügt eine kurze Wartezeit, da höchstwahrscheinlich niemand von der Autobahnmeisterei vorbeikommen wird. Als Richtwert würde ich tagsüber eine Wartezeit von einer Stunde empfehlen. Erscheint in dieser Zeit niemand, muss der Unfallverursacher unverzüglich zur Polizei und den Vorfall melden. Eine Visitenkarte hinter den Scheibenwischer zu klemmen, reicht nicht aus. Man kann das tun, muss aber trotzdem zusätzlich zur Polizei.
Wie beurteilen Sie das gültige Strafmaß für Fahrerflucht? Aktuell muss man in diesem Fall mit sehr harten Strafen rechnen – und das wie gesagt auch dann, wenn man sich schnell eines Besseren besinnt und doch noch meldet. Die Strafhöhe richtet sich vor allem nach dem Ausmaß des Schadens: Ab 1300 Euro handelt es sich laut Gesetz um einen bedeutenden Schaden. Das hat in der Regel zur Folge, dass der Führerschein entzogen und eine Sperrfrist von mindestens sechs Monaten verhängt wird. Ein Schaden von 1300 Euro ist bei heutigen Autos schnell erreicht. Deswegen haben wir beim Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar eine Anhebung dieser Grenze diskutiert.
Was heißt das genau?
Die Reformvorschläge betreffen zwei Punkte: zum einen um die Anhebung der Schadensgrenze auf 10 000 Euro. Dann bekommt der Täter noch immer eine Geldstrafe und Fahrverbot von bis zu sechs Monaten, aber ihm droht zumindest kein Führerscheinentzug. Zum anderen wollen wir die »tätige Reue« reformieren. Wir sind der Meinung: Wer flüchtet, dann aber doch zurückkehrt oder zur Polizei geht, sollte straflos bleiben. Nur so hat der Flüchtende eine Motivation, sich zu stellen. Auf diese Weise können wir die Anzahl der Fahrerfluchten reduzieren und die Geschädigten bleiben nicht auf ihren Kosten sitzen – und das ist ja das eigentliche Ziel der Strafverfolgung.