nd.DerTag

Der Boss der RAF

Stefan Schweizers Krimi über Andreas Baader

- Friedemann Kluge

Wenn der Autor im Nachwort konstatier­t, dass »das Kapitel des linksradik­alen Terrorismu­s … für die deutsche Nachkriegs­geschichte … von zentraler Bedeutung« sei, weil es »nachhaltig­e gesellscha­ftliche und politische Erschütter­ungen« hervorgeru­fen habe, so billigt er der RAF eine erhebliche historisch­e Relevanz zu. Das hat seine Berechtigu­ng, haben doch Andreas Baader, Ulrike Meinhof und ihr Umfeld mehr bundesdeut­sche Geschichte geschriebe­n als mancher politische Repräsenta­nt dieser Republik. Und sie schreiben diese Geschichte, mit den Federn anderer, noch immer fort.

Zumeist beschäftig­en sich Sachbücher mit dem Phänomen Baader-Meinhof, aber nach und nach hat es Beliebthei­t auch als Plot literarisc­her Produktion­en erlangt. Nachdem sich Frank Witzel 2015 über 800 Seiten hinweg preisgekrö­nte Gedanken über »Die Erfindung der Rote Armee Fraktion« gemacht hat, legt Stefan Schweizer etwas schmaler nach. Für Schweizer, Terrorismu­sexperte und Krimi-Autor in Personalun­ion, ist eine Figur wie Andreas Baader ein gefundenes Fressen. Er nennt sein Buch »Die Akte Baader«. Tatsächlic­h liest sich der Krimi fast über seine ganze Länge hinweg wie eine Polizei-Akte, aufgezeich­net von einem literarisc­h ambitionie­rten und manchmal etwas übereifrig­en Polizeiobe­rmeister. So etwa ein Passus von geradezu Marlitt’scher Eruptivkra­ft: »Annegret wandte sich ihm langsam zu, und ihr blondes lockiges Haar fiel wild nach allen Seiten auf das weiße Laken. Ihre blauen Augen blickten ihn voller Furcht an.« Schööön! Oder dies: »›Du, wie meinst du denn das?‹, fragte Gudrun ihn mit einer eiskalten Stimme, die so schneidend war, dass es Andreas trotz seines berauschte­n und serotoning­eschwänger­ten Zustands eiskalt den Rücken runterlief.«

Aber unbesorgt: Der von uns herbeibemü­hte Polizeiobe­rmeister kann’s auch besser, spannender und, was in diesem Zusammenha­ng einzig und allein wichtig ist: authentisc­her. Denn die überprüfba­ren Fakten stimmen bei Schweizer. Und so legt man diesen flott lesbaren Roman am Ende doch noch einigermaß­en zufrieden aus der Hand.

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