Die beste Agentin des KGB
Kerstin Fielstedde: Ein ungemein vergnügliches und spannendes Debüt
Indy, die Topagentin des KGB, des Katzengeheimbundes, ermittelt heimlich im Finanzministerium für Liegenschaften und offizielle Prachtbauten (FLoP). Sie soll herausfinden, warum der Berliner Großflughafen noch immer nicht fertig ist und sich der Stuttgarter Tiefbahnhof in ein Milliardengrab verwandelt hat. Plötzlich wird sie attackiert. Indy ist bestens ausgebildet und wehrt sich mit Krallen und Zähnen, doch gegen ein Dutzend kräftiger Ratten hat sie keine Chance. Als sie wieder zu sich kommt, befindet sie sich in einem Versuchslabor; man hat ihr Drogen verabreicht.
Ian, Indys Bruder, macht sich Sorgen um seine Schwester. Einen Verbündeten findet er in dem Kreuzberger Norwegerkater Maxim, einem von Indys Verehrern. Gemeinsam lassen sie sich von einem Kurier zum Orakel des Ostens fahren, das in einer Chemiepfütze in Sachsen residiert und einen ersten Hinweis liefert: »Im Schlossbark Bellevue/ währded ihr Freindä findhn./ Achded uff Zerberus,/ wohnd Under den Linden.«
Ian und Maxim finden Zerberus – es ist ein Pinscher namens Honeyball, Chef eines Modeimperiums und Spezialagent des BND, des Bundes Neugieriger Dobermänner, eines Geheimdienstes, der zur Zeit des Kalten Krieges von den besten Schnüfflern der CIA-Suchhundestaffel gegründet worden war. Er bringt den Luftaufklärer Kilo Foxtrott mit ins Team, einen heimatlosen Spatzen. Um dem Maulwurf Sumo, der in einer Hightechfestung im Berliner Untergrund lebt und eine Armee von Ratten befehligt, Paroli bieten zu können, nimmt die Truppe Verbindung zu dem Regenwurmchef Big Leader auf, der einen seiner besten Guerilleros abstellt. Hinzu kommt noch ein Überläufer aus Sumos Streitmacht, der Sprengstoffexperte Xplode, einst Minensuchratte der Bundeswehr in Afghanistan.
Nun geht es hinunter in die UBahn-Schächte und Bunker von Berlin, um dem Finanzmagnaten Sumo das Handwerk zu le- gen. Werden die tierischen Helden es schaffen, Indy zu retten?
Zugegeben, das alles klingt verrückt. Der Rezensent, der sprechende und denkende Tiere bisher nur aus diversen Fabeln, Orwells »Animal Farm« und dem Fernsehen kannte – Stichwort Fuchs und Elster –, näherte sich dem Debüt von Kerstin Fielstedde mit Skepsis. Funktioniert so etwas als Roman? Oh ja, sogar sehr gut! Man vermisst die Zweibeiner, diese Dosenöffner und Napffüller, gar nicht, die Tiere sind hier die besseren Menschen.
Das Ganze ist tatsächlich so spannend wie eine der klassischen James-Bond-Geschichten, rasant erzählt und dabei urkomisch. Der intellektuelle Spaß besteht darin, die Anspielungen auf real existierende Personen und aktuelle politische Probleme zu entschlüsseln. So hat Modezar Honeyball eine Konkurrentin in Paris, die sich von ihrem Zweibeiner zu den Fashionevents tragen lässt – der dünne Weißhaarige kann doch nur Karl Lagerfeld sein.
Schmunzelnd und kichernd stellt man fest, dass die Erklärungen, die hier für das Scheitern verschiedener Großprojekte geliefert werden, nicht unglaubwürdiger sind als die offiziell verkündeten. Wenn man die intensive und vergnügliche Lektüre beendet hat und reflektiert, kann man sogar eine soziale Botschaft entdecken: dass sich nämlich traditionell verfeindete Lebewesen, hier sind es Katze, Hund, Spatz, Regenwurm und Ratte, in einem Einsatz für das Leben zusammenfinden können.