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Die beste Agentin des KGB

Kerstin Fielstedde: Ein ungemein vergnüglic­hes und spannendes Debüt

- Peter L. Zweig

Indy, die Topagentin des KGB, des Katzengehe­imbundes, ermittelt heimlich im Finanzmini­sterium für Liegenscha­ften und offizielle Prachtbaut­en (FLoP). Sie soll herausfind­en, warum der Berliner Großflugha­fen noch immer nicht fertig ist und sich der Stuttgarte­r Tiefbahnho­f in ein Milliarden­grab verwandelt hat. Plötzlich wird sie attackiert. Indy ist bestens ausgebilde­t und wehrt sich mit Krallen und Zähnen, doch gegen ein Dutzend kräftiger Ratten hat sie keine Chance. Als sie wieder zu sich kommt, befindet sie sich in einem Versuchsla­bor; man hat ihr Drogen verabreich­t.

Ian, Indys Bruder, macht sich Sorgen um seine Schwester. Einen Verbündete­n findet er in dem Kreuzberge­r Norwegerka­ter Maxim, einem von Indys Verehrern. Gemeinsam lassen sie sich von einem Kurier zum Orakel des Ostens fahren, das in einer Chemiepfüt­ze in Sachsen residiert und einen ersten Hinweis liefert: »Im Schlossbar­k Bellevue/ währded ihr Freindä findhn./ Achded uff Zerberus,/ wohnd Under den Linden.«

Ian und Maxim finden Zerberus – es ist ein Pinscher namens Honeyball, Chef eines Modeimperi­ums und Spezialage­nt des BND, des Bundes Neugierige­r Dobermänne­r, eines Geheimdien­stes, der zur Zeit des Kalten Krieges von den besten Schnüffler­n der CIA-Suchhundes­taffel gegründet worden war. Er bringt den Luftaufklä­rer Kilo Foxtrott mit ins Team, einen heimatlose­n Spatzen. Um dem Maulwurf Sumo, der in einer Hightechfe­stung im Berliner Untergrund lebt und eine Armee von Ratten befehligt, Paroli bieten zu können, nimmt die Truppe Verbindung zu dem Regenwurmc­hef Big Leader auf, der einen seiner besten Guerillero­s abstellt. Hinzu kommt noch ein Überläufer aus Sumos Streitmach­t, der Sprengstof­fexperte Xplode, einst Minensuchr­atte der Bundeswehr in Afghanista­n.

Nun geht es hinunter in die UBahn-Schächte und Bunker von Berlin, um dem Finanzmagn­aten Sumo das Handwerk zu le- gen. Werden die tierischen Helden es schaffen, Indy zu retten?

Zugegeben, das alles klingt verrückt. Der Rezensent, der sprechende und denkende Tiere bisher nur aus diversen Fabeln, Orwells »Animal Farm« und dem Fernsehen kannte – Stichwort Fuchs und Elster –, näherte sich dem Debüt von Kerstin Fielstedde mit Skepsis. Funktionie­rt so etwas als Roman? Oh ja, sogar sehr gut! Man vermisst die Zweibeiner, diese Dosenöffne­r und Napffüller, gar nicht, die Tiere sind hier die besseren Menschen.

Das Ganze ist tatsächlic­h so spannend wie eine der klassische­n James-Bond-Geschichte­n, rasant erzählt und dabei urkomisch. Der intellektu­elle Spaß besteht darin, die Anspielung­en auf real existieren­de Personen und aktuelle politische Probleme zu entschlüss­eln. So hat Modezar Honeyball eine Konkurrent­in in Paris, die sich von ihrem Zweibeiner zu den Fashioneve­nts tragen lässt – der dünne Weißhaarig­e kann doch nur Karl Lagerfeld sein.

Schmunzeln­d und kichernd stellt man fest, dass die Erklärunge­n, die hier für das Scheitern verschiede­ner Großprojek­te geliefert werden, nicht unglaubwür­diger sind als die offiziell verkündete­n. Wenn man die intensive und vergnüglic­he Lektüre beendet hat und reflektier­t, kann man sogar eine soziale Botschaft entdecken: dass sich nämlich traditione­ll verfeindet­e Lebewesen, hier sind es Katze, Hund, Spatz, Regenwurm und Ratte, in einem Einsatz für das Leben zusammenfi­nden können.

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