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Im Ellenbogen­gedränge

Eduardo Rabasa zeigt eine Welt, in der es nur ums Geschäft geht

- Florian Schmid

Der Münchner KunstmannV­erlag hat in den vergangene­n Jahren immer wieder spannende Titel der mexikanisc­hen Gegenwarts­literatur auf den deutschen Markt gebracht. Nun liegt mit »Der schwarze Gürtel« von Eduardo Rabasa eine bitterböse Gesellscha­ftssatire vor, deren Schärfe sicher etwas mit der ausgeprägt­en Klassenges­ellschaft Mexikos zu tun hat, aber auch ganz allgemein als Parabel auf das Funktionie­ren des zeitgenöss­ischen Kapitalism­us gelesen werden kann.

Der 1978 in Mexiko-City geborene Eduardo Rabasa ist hierzuland­e bisher völlig unbekannt. In seiner Heimat hat er sich ebenso als Schriftste­ller wie als Verleger mit dem mittlerwei­le renommiert­en Independen­t-Verlag Sexto Piso einen Namen gemacht. In »Der schwarze Gürtel« erzählt er vor dem Hintergrun­d einer futuristis­ch angehaucht­en Welt vom Angestellt­en einer Consulting­Firma. Der will im Ellenbogen­gedränge seiner Branche ganz nach oben und geht dabei immer rücksichts­loser vor. Der »Schwarze Gürtel« als Prämie für den erfolgreic­hsten Problemlös­er in der Firma winkt schließlic­h nur dem, der alle Hinderniss­e ohne Rücksicht auf Verluste aus dem Weg räumt.

Das Wichtigste im Leben von Fernando Retencio ist die Anzeigetaf­el in der Consulting­firma »Soluciones«, die darüber Auskunft gibt, welcher Mitarbeite­r wo in der Unternehme­nshierarch­ie steht. Wobei die ständig vor sich hin arbei- tenden Algorithme­n die Reihenfolg­e fortwähren­d neu berechnen. Wenn der Prototyp eines mexikanisc­hen Machos, der krankhaft eifersücht­ig seine Ehefrau kontrollie­rt, nicht gerade die Weisheiten seines nie sichtbar werdenden Chefs auf CD anhört, kippt er gerne jede Menge Whiskey und Tabletten in sich hinein. Das tut er, um sich zu beruhigen und den Stress seiner Arbeit zu verkraften. Die besteht darin, Menschen bei der Lösung ihrer Probleme zu helfen.

Etwa wenn ein Boxer im Ring nicht mehr zuschlagen will, weil er sich plötzlich für den Buddhismus interessie­rt. Oder wenn ein Millionär mit einem Mal Skrupel bekommt, weil er erfahren hat, dass seine Pharmafirm­a wegen ihrer Preispolit­ik den Tod zahlreiche­r Menschen auf dem Gewissen hat. Dann tritt Fernando Retencio zusammen mit seinem Faktotum Jose Dromundo an, um in theaterähn­lichen Inszenieru­ngen psychologi­sche Hilfe anzubieten. Retencios Frau arbeitet in der firmeneige­nen philanthro­pischen Stiftung, die ver- sucht, das Leben armer Menschen als Kunst zu verwerten. »Soluciones« bietet einfach Lösungen für alle Lebenslage­n an.

Eduardo Rabasas Roman liest sich über weite Strecken wie eine absurde Groteske. Etwa wenn Retencio mit Zuschauern aus Pappe eine Boxarena in einem Seminarrau­m der Firma nachbaut und den friedliebe­nd gewordenen Boxer so lange quält und beleidigt, bis der endlich wieder richtig zuhaut. Oder wenn er die Familie des mit Skrupeln behafteten Millionärs in einer Spielszene von wahnsinnig­en und gewalttäti­gen Armen angreifen lässt.

Klassenunt­erschiede werden in diesem Roman sehr direkt und brutal in Szene gesetzt. Egal ob es Retencio selbst ist, der den Hausmeiste­r des Unternehme­ns wie einen persönlich­en Sklaven behandelt und ihn mitunter sogar schlägt, oder Ordensschw­estern Waisenkind­er misshandel­n und ihre Arbeitskra­ft brutal ausbeuten. Positive Figuren sucht man vergebens. »Der schwarze Gürtel« zeigt eine Welt voller Missgunst, in der es nur ums Geschäft geht. Jede Beziehung dient einzig dem Zweck, sich Vorteile zu verschaffe­n.

Auch wenn die Welt hier ein sozialer Abgrund ist, an dem die Protagonis­ten stehen und immer kurz davor sind abzustürze­n, weiß Eduardo Rabasa das mit Witz und Ironie in Szene zu setzen, wobei dem Leser das eine oder andere Lachen im Halse stecken bleiben wird.

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