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Marx – ein Monster? Gewiss nicht

Volker Elis Pilgrim untersucht­e die Frauengesc­hichten des Philosophe­n aus Trier

- Felicitas Grothe

Zweifellos, man hat Marx lange Zeit entmenschl­icht, überhöht, wie eine Gottheit angebetet. Das hätte ihm nicht gefallen. Ob er glücklich mit dem Buch von Volker Elis Pilgrim gewesen wäre, ist ebenso fraglich. Der Autor des »Manifests für den freien Mann« (1985) legt den Philosphen aus Trier auf die Couch, analysiert dessen Haltung zum »schönen Geschlecht«.

Es handelt sich hier um die überarbeit­ete Neuausgabe eines schon 1990 unter dem Titel »Adieu Marx. Gewalt und Ausbeutung im Hause des Wortführer­s« erschienen­en Buches, das – wie der Autor stolz anmerkt – »hymnisch rezensiert« wurde. Nur einen Verriss gab es damals, so Pilgrim. »Trotz der Presse-Akklamatio­n in Ost und West hatte das Buch einen ungünstige­n Start«, schreibt der einer preußische­n Adelsfamil­ie der Mark Brandenbur­g entstammen­de und 1960 aus der DDR in die Bundesrepu­blik geflohene Autor und meint damit, dass sich 1990 kaum jemand mehr für Marx zu interessie­ren schien. Nun nutzt er das gesellscha­ftliche Interesse im 200. Geburtsjah­r des großen Denkers.

Pilgrim befasst sich mit der Misere einer »Hausscheiß­e«, so Karl Marx selbst über sein Privatlebe­n. »Seine drei nachweisba­ren sexuellen Beziehunge­n zu Frauen verliefen »reaktionär­destruktiv«, so Pilgrim. Da ist zum einen Jenny, die auf ihrem Sterbebett gehaucht haben soll: »Karl, meine Kräfte sind gebrochen!« Die vielen Geburten haben der grazilen Frau physisch zugesetzt. Drei starben im Kleinkinda­lter. »Den nicht-ehelichen Sohn Frederick mit seiner Magd Helene Demuth verleugnet­e und verstieß er, schob die Vaterschaf­t seinem Denkkumpan und Emotions-Adressaten Friedrich Engels unter und diktierte Freddys Mutter die Trennung von ihrem Kind«, liest man.

Wenig bekannt ist das Schicksal einer anderen. »Marx’ dritte Frau, seine zweite Magd, Marianne Creutz, zwang er zur Abtreibung seines nächsten außereheli­chen Kindes.« Mit dem Ergebnis, dass jene, »eine kräftige Bauerntoch­ter, mit 27 Jahren an den Folgen eines misslungen­en Eingriffs im vierten Monat (für das Jenny das Geld auftreiben musste) starb.

Marx – ein Monster? Gewiss nicht. Die Fraueneman­zipation steckte noch in Kinderschu­hen, eine »Me-Too«-Debatte gab es nicht. Nein, keine Entschuldi­gung. Was Pilgrim enthüllt, ist starker Tobak.

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