Mit aufrechtem Gang
Dem »Alt-68er«-Autor Klaus Schmidt ist mit seiner politischen Biografie ein rundum gutes Buch gelungen
Zahlreiche Veröffentlichungen werden sich in diesem Jubiläumsjahr des »68er«-Themas annehmen. Das Opus von Klaus Schmidt wird unter all den entsprechenden Publikationen schon deshalb herausragen, weil es in wunderbarem Duktus und pointierter Diktion kritisch-solidarisch die Ereignisse von und seit fünf Dekaden Revue passieren lässt. Es wäre – leider – nie erschienen, hätte der mittlerweile 82-jährige Kölner Theologe, Historiker, Menschenrechts- und Friedensaktivist sowie politischer Sachbuchautor einen umgekehrten Werdegang eingeschlagen.
Klaus Schmidt wuchs in einer wohlbehüteten Akademikerfamilie am Niederrhein auf. Nach dem Abitur auf dem Jesuitenkolleg in Bad Godesberg waren seine Studienorte neben Bonn, Hamburg, Heidelberg und Göttingen auch Städte in den USA, wo er zu Beginn der 1960er Jahre als Stipendiat des Ökumenischen Rats der Kirchen Studien, Praktika und ein Anti-Rassismus-Training unter Martin Luther King durchführte. Zurück in der damals von einer Aufbruch- stimmung erfassten Bundesrepublik, erfuhr Schmidt in Köln im Zeitraffer (s)eine »Politisierung des Gewissens«. Er engagierte sich als Berufsschulpfarrer in der außerparlamentarischen Opposition, unter anderem als Vorsitzender des »Republikanischen Clubs«. Aufrüttelnd wirkte die Staatsvisite des Schahs von Persien in der Bundesrepublik Anfang Juni 1967, bei der der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen wurde.
Mit der Theologin Dorothee Sölle und anderen politisch engagierten und streitbaren Christen führte Schmidt das »Politische Nachtgebet« durch. Eine immer mehr auch auf Bundesebene beachtete Veranstaltungsreihe, die mit der Parole »Vietnam ist Golgatha« begann und von 1968 bis 1972 regelmäßig in der Kölner Antoniterkirche stattfand.
Die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland hätte den »linksradikalen Pfarrer« am liebsten suspendiert, wäre ihr Ansinnen nicht durch geballte Proteste vereitelt worden.
In den 1970er Jahren solidarisierte sich der Studierendenpfarrer Schmidt mit Teilen der (internationalistischen) Studentenbewegung und pflegte unter anderem eine enge Freundschaft mit dem nicaraguanischen Staatsbürger deutscher Abstammung Enrique Schmidt Cuadra. Dieser hatte sich mit einem Stipendium für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Universität zu Köln immatrikuliert.
Dort wurde er Auslandsreferent des AStA und trat als exponierter Gegner des SomozaRegimes in seinem Heimatland auf. Als die sandinistischen Revolutionäre nach Jahren des Guerillakampfes 1979 die Macht erlangten, wurde er Polizeichef von Managua und danach Minister für das Post- und Fernmeldewesen. 1984 kam er bei Gefechten gegen die »Con- tras« ums Leben. In Nikaragua wurde er mit einem Staatsbegräbnis, in Köln von einer großen Trauergemeinde geehrt.
1987/88 arbeitete sein deutscher Freund Klaus Schmidt selbst, diesmal als theologischer Dozent und Menschenrechtsarbeiter, in einem Land der »Dritten Welt«, den Philippinen. Im Auftrag des dortigen Protestantischen Kirchenrats beteiligte er sich an »fact-finding missions« zur Aufdeckung blutiger Übergriffe von Militärs und Paramilitärs. Das Militär entführte ihn und zwei seiner Begleiter und unterstellte ihnen die Beteiligung an Guerilla-Aktionen. Dank Interventionen der deutschen Botschaft in Manila, des Außenministers Hans-Dietrich Genscher und zahlreicher politischer und kultureller Prominenz, darunter Schmidts langjähriger Freund Günter Wallraff, kam er auf freien Fuß und nahm 1989 seinen Dienst in der Berufs(fach)schule wieder auf.
Vor allem nach seiner Pensionierung 1994 wurde er publizistisch mit (Doppel-)Biografien über rheinische Demokra- ten im Umkreis der Revolution von 1848/49 tätig. Zu Standardwerken avancierten seine Bücher »Glaube, Macht und Freiheitskämpfe. 500 Jahre Protestanten im Rheinland« (2007) und »Kölns kleine Leute. Geschichten und Porträts« (2011).
Im Nachwort zu Schmidts neuem Buch merkt der Schriftsteller Günter Wallraff an: »Die Autobiografie von Klaus Schmidt hat das Zeug, ein Dokument der Zeitgeschichte zu werden, obwohl es eine sehr persönliche Selbstbeschreibung ist. Ich habe mich beim Lesen seines Textes an viele Begeben- heiten erinnert und zwischen den Zeilen immer wieder den Ratgeber entdeckt, der er mir persönlich oft war. Nicht aufdringlich, sondern die eigenen Unzulänglichkeiten und Fehler reflektierend, nicht eitel, sondern oft mit einem Augenzwinkern.« Eben.