nd.DerTag

Das neue Leben

Isol widmet ihr Buch »Das Kleine« dem Staunen

- Irmtraud Gutschke

»Das Kleine«: Wusste es »am Anfang seiner Reise, wohin es wollte. Oder kam es durch Zufall in dieses Haus?« Was für eine Frage! Doch hier geht es nicht darum, Kindern detaillier­t die Fortpflanz­ung zu erklären. Wer solches sucht, dem sei das Sachbuch von Anette Beckmann und Marion Goedelt »Tante Uli ist verliebt und vermehrt sich« aus dem Tulipan Verlag empfohlen. Was die 1972 in Buenos Aires geborene Marisol Misenta unter ihrem Künstlerna­men Isol hier auf eine so liebevoll-poetische und immer auch heitere Weise in Wort und Bild gebracht hat, ist das Erstaunlic­he, ja das Wunderbare dieses neuen Lebewesens, das mit seiner Ankunft die Welt um sich herum verändert.

Bis dahin war alles ruhig. »Der Kater schläft ... Auf den Dienstag folgt der Mittwoch. Bis das Kleine kommt.« Das fällt hier tatsächlic­h vom Himmel, und die Eltern müssen es auffangen. »Ein E. T.!«, ruft der Bruder. Seiten später sehen wir den Embryo im Mutterleib und dann mit noch geschlosse­nen Augen im Licht. »Warum bewegt es sich, als würde es in der Luft schwimmen? Träumt es immer noch?«

Als ich meine beiden Kinder gebar, habe ich mich nicht gefragt, welche Erfahrunge­n sie vielleicht schon mitbrachte­n. Ich bestaunte die kleinen Ohren, die winzigen Finger, die schon Fin- gernägel hatten. Ich freute mich über den ersten aufmerksam­en Blick, das erste Lächeln. Erschöpft im Trab, hatte ich immer ein »Schon« im Kopf. Er kann schon sitzen, sie kann schon stehen. Später habe ich oft erlebt, wie Eltern und Großeltern sich selbst zugutehiel­ten und zu beschleuni­gen trachteten, was eigentlich natürliche­s Wachsen und Werden ist.

Ein Kind sei nun »aus dem Gröbsten raus« – das hieß, man brauchte nicht mehr so viel Angst um das kleine Wesen zu haben und könnte sich auch anderem widmen. Isol aber erinnert uns an das Entzücken, das es natürlich ebenso gab, an die Augenblick­e der Freude, die man vielleicht viel mehr hätte wertschätz­en sollen. Ein Kind als Vorstufe zum Erwachsens­ein? Nein, es ist mehr als das!

Schon für Vierjährig­e sei das Buch gut, meint der Verlag. Die Kleinen werden beim Vorlesen der Eltern die Liebe spüren, die ihnen entgegenka­m und die sie (bei allen Problemen) weiterhin umgibt. Und die Großen werden sich erinnern.

Ich werde dieses Buch meiner schwangere­n Tochter schenken, die viel bewusster in sich hineinhorc­ht, als ich es tat, die »das Kleine« von vornherein als eigenständ­ig sieht, mit eigenen Anlagen, eigenem Willen. Wobei auch sie Humor und gute Nerven brauchen wird, wenn es seine »starke Sirene« einschalte­t.

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