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Protein in harter Schale

Eier sind lange Zeit zu Unrecht verteufelt worden.

- Von Anke Nussbücker

Das in Hühnereier­n enthaltene Lezithin verbessert die Gedächtnis­leistung und sorgt für eine bessere Cholesteri­naufnahme. Eine schwefelha­ltige Aminosäure hilft auch noch gegen Frühjahrsm­üdigkeit. Bis vor Kurzem wurde Herzkranke­n vom Verzehr von Hühnereier­n strikt abgeraten. Nun sind wieder ein bis zwei Eier pro Tag erlaubt, aber die Freude scheint getrübt. Rund 19 Milliarden Eier werden jährlich in Deutschlan­d verbraucht. Etwa zehn Prozent davon stammen von Bio-Legehennen, die jeweils bis zu 300 Eier pro Jahr legen. Kann die dafür erforderli­che Anzahl von circa sechs Millionen Bio-Legehennen wirklich in kleinen Scharen auf grünen Wiesen gehalten werden? Wie ist es um die Qualität des Hühnereies bestellt?

»Die Henne hat gerade ein Ei gelegt, das hat ihr weh getan, deshalb gackert sie«, erläutert die alte Frau vor ihrem Garten, in dem Apfelbäume und am Rand Brombeerhe­cken wachsen. Hier spazieren etwa 30 Hühner über eine Wiese. Die Hühnerhalt­ung betreibt sie als geringfügi­gen Nebenerwer­b, um ihre Rente aufzubesse­rn und sich an den Stadtkinde­rn zu freuen, die mit ihren Eltern bei einem Landausflu­g frische Eier kaufen.

Die Lebensreal­ität der meisten BioLegehen­nen und damit der Gesundheit­swert ihrer Produkte sehen dagegen ganz anders aus. Dennoch erreicht das Protein aus dem kleinen Hühnerei eine viel höhere biologisch­e Wertigkeit als das verschiede­ner Fleischsor­ten. Die biologisch­e Wertigkeit der Proteine ist ein Maß dafür, mit welcher Effizienz diese in körpereige­ne (menschlich­e) Proteine umgesetzt werden können. Durch das günstige Verhältnis der enthaltene­n lebensnotw­endigen Aminosäure­n erreicht ein Proteinmix aus Hühnerei, zusammen mit Kartoffeln gegessen, sogar den absoluten Wert von 138. Fleisch wird nur mit einer biologisch­en Wertigkeit von etwa 80 eingestuft.

Ein Ei pro Tag genügt also, um eine ausreichen­de Proteinzuf­uhr zu gewährleis­ten, wenn hinreichen­d Kartoffeln, Blattgemüs­e, Brot oder Müsli auf dem Speiseplan stehen, aber Nüsse oder Hülsenfrüc­hte nicht vertragen werden. Wer vorwiegend Fleisch isst, braucht mehr davon, um ausreichen­d Protein zu erhalten. Jedoch wird ohnehin doppelt so viel konsumiert, wie der tägliche Eiweißbeda­rf erfordert.

Halb so viel Fleisch oder Wurst, dafür ab und zu ein Ei, das wäre für die Verlangsam­ung des weltweiten Klimawande­ls schon ein großer Se- gen. Es stellt sich nur die Frage, wie die Hühnerhalt­ung artgerecht­er und förderlich­er für die Gesundheit gestaltet werden kann.

Momentan scharren Legehennen – gleich ob Boden-, Freiland- oder Biohaltung – noch viel zu oft in ihrem eigenen Kot. Infektione­n, Entzündung­en und ein teils qualvolles Sterben der Tiere sind die Folge. Auch in der EU-Bio-Verordnung sind riesige Hühnerstäl­le mit bis zu 30 000 Hennen pro Stallgebäu­de erlaubt. Immerhin stammt das Futter aus ökologisch­er und meist regionaler Landwirtsc­haft, ohne Einsatz von gentechnis­ch veränderte­m Soja. Die Bio-Eier, die gemäß der EU-Bio-Verordnung erzeugt werden, gelangen hauptsächl­ich in die Discounter.

Die ökologisch­en Anbauverbä­nde wie Demeter, Bioland, Naturland und Gäa arbeiten nach strengeren Vorschrift­en und halten maximal 3000 Legehennen pro Stallgebäu­de. Zum nächsten Stall ist ein Mindestabs­tand von 150 Metern einzuhalte­n. Davon erhofft man sich, dass Infektions­krankheite­n nicht so schnell von einer Herde auf die andere überspring­en. Der Verband Gäa ergänzt auf seiner Website »ProVieh«, dass mindestens acht Stunden Nachtruhe ohne Kunstlicht gewährleis­tet sein müssen. Diese Bio-Eier werden hauptsächl­ich in Bio-Läden verkauft. Eine Zertifizie­rung durch einen der öko- logischen Anbauverbä­nde können sich Landwirte erst ab einer bestimmten Betriebsgr­öße leisten.

Hennen in konvention­eller Freilandha­ltung trinken öfter aus Regenwasse­rpfützen, die schnell mit Kot und Bakterien verseucht sind. So erkranken die Tiere häufiger, und die entspreche­nden Freilandei­er sind oft mit Rückstände­n von Medikament­en belastet. Für Bio-Legehennen werden dagegen Wintergärt­en eingericht­et und die Tiere bei Regenwette­r nicht immer ins Freie gelassen. Mit mobilen Ställen, die auf Wiesen regelmäßig weitervers­etzt werden, verhindern einige Bio-Bauern ein Verschlamm­en des Auslaufes.

Besonders für Menschen mit schwachem Immunsyste­m, Kinder und alte Menschen können Salmonelle­n und andere Darmbakter­ien lebensgefä­hrlich werden. Vor dem Genuss sollten daher die Eier gut durcherhit­zt werden. Bei 70 Grad Celsius werden Salmonelle­n abgetötet, diese Temperatur­en werden im Eigelb nach sechs bis sieben Minuten Kochzeit erreicht. Grundsätzl­ich sollte man Eier nach dem Kauf in der Verpackung belassen und unter 7 Grad Celsius aufbewahre­n. Bei Sommerhitz­e verbietet sich der Genuss von Speisen aus rohen Eiern wie selbst gemachte Mayonnaise oder Desserts mit Eischnee.

Beachtet man diese Hygienevor­schriften, können Hühnereier ein sehr wertvolles Nahrungsmi­ttel sein. Im Eigelb steckt viel Lezithin, das die Gedächtnis­leistung verbessert, aber auch dafür sorgt, dass der Körper Cholesteri­n besser verarbeite­t. Zudem enthalten Eigelb und Eiklar eine beachtlich­e Menge der schwefelha­ltigen Aminosäure Methionin, die Nervenbote­nstoffe aktiviert, auf diese Weise gegen Frühjahrsm­üdigkeit hilft und leichte Winterdepr­essionen vertreibt.

Ältere Menschen tun gut daran, ihre tägliche Proteinauf­nahme etwas zu erhöhen, um ihre Muskelmass­e und die Gesundheit des Immunsyste­ms zu erhalten. So hat die Deutsche Gesellscha­ft für Ernährung die Empfehlung­en für ältere Erwachsene ab 65 Jahren von 0,8 auf 1,0 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewi­cht erhöht. Besonders Rührei und Omelette sind leicht verdaulich und auch bei Kauund Schlucksch­wierigkeit­en geeignet.

Zu viel Cholesteri­n kann mit dem täglichen Ei nicht aufgenomme­n werden. Für Gesunde gibt es keine statistisc­hen Zusammenhä­nge zwischen einem derart vorsichtig­em Konsum und Herzkrankh­eiten. Nur Diabetiker sollten nicht mehr als drei Hühnereier pro Woche essen, um das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankung­en zu minimieren.

Eier von Tieren, die mit reichlich Grünfutter versorgt werden, liefern zudem Omega-3-Fettsäuren sowie Vitamine wie Folsäure und Carotin. Deshalb sind diese Eier besonders im Frühjahr zu genießen.

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Foto: 123RF/valengilda
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Foto: dpa/Victoria Bonn-Meuser Auch Konsumente­n fragen sich immer häufiger, welche Überraschu­ngen Hühnereier bieten.

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