Protein in harter Schale
Eier sind lange Zeit zu Unrecht verteufelt worden.
Das in Hühnereiern enthaltene Lezithin verbessert die Gedächtnisleistung und sorgt für eine bessere Cholesterinaufnahme. Eine schwefelhaltige Aminosäure hilft auch noch gegen Frühjahrsmüdigkeit. Bis vor Kurzem wurde Herzkranken vom Verzehr von Hühnereiern strikt abgeraten. Nun sind wieder ein bis zwei Eier pro Tag erlaubt, aber die Freude scheint getrübt. Rund 19 Milliarden Eier werden jährlich in Deutschland verbraucht. Etwa zehn Prozent davon stammen von Bio-Legehennen, die jeweils bis zu 300 Eier pro Jahr legen. Kann die dafür erforderliche Anzahl von circa sechs Millionen Bio-Legehennen wirklich in kleinen Scharen auf grünen Wiesen gehalten werden? Wie ist es um die Qualität des Hühnereies bestellt?
»Die Henne hat gerade ein Ei gelegt, das hat ihr weh getan, deshalb gackert sie«, erläutert die alte Frau vor ihrem Garten, in dem Apfelbäume und am Rand Brombeerhecken wachsen. Hier spazieren etwa 30 Hühner über eine Wiese. Die Hühnerhaltung betreibt sie als geringfügigen Nebenerwerb, um ihre Rente aufzubessern und sich an den Stadtkindern zu freuen, die mit ihren Eltern bei einem Landausflug frische Eier kaufen.
Die Lebensrealität der meisten BioLegehennen und damit der Gesundheitswert ihrer Produkte sehen dagegen ganz anders aus. Dennoch erreicht das Protein aus dem kleinen Hühnerei eine viel höhere biologische Wertigkeit als das verschiedener Fleischsorten. Die biologische Wertigkeit der Proteine ist ein Maß dafür, mit welcher Effizienz diese in körpereigene (menschliche) Proteine umgesetzt werden können. Durch das günstige Verhältnis der enthaltenen lebensnotwendigen Aminosäuren erreicht ein Proteinmix aus Hühnerei, zusammen mit Kartoffeln gegessen, sogar den absoluten Wert von 138. Fleisch wird nur mit einer biologischen Wertigkeit von etwa 80 eingestuft.
Ein Ei pro Tag genügt also, um eine ausreichende Proteinzufuhr zu gewährleisten, wenn hinreichend Kartoffeln, Blattgemüse, Brot oder Müsli auf dem Speiseplan stehen, aber Nüsse oder Hülsenfrüchte nicht vertragen werden. Wer vorwiegend Fleisch isst, braucht mehr davon, um ausreichend Protein zu erhalten. Jedoch wird ohnehin doppelt so viel konsumiert, wie der tägliche Eiweißbedarf erfordert.
Halb so viel Fleisch oder Wurst, dafür ab und zu ein Ei, das wäre für die Verlangsamung des weltweiten Klimawandels schon ein großer Se- gen. Es stellt sich nur die Frage, wie die Hühnerhaltung artgerechter und förderlicher für die Gesundheit gestaltet werden kann.
Momentan scharren Legehennen – gleich ob Boden-, Freiland- oder Biohaltung – noch viel zu oft in ihrem eigenen Kot. Infektionen, Entzündungen und ein teils qualvolles Sterben der Tiere sind die Folge. Auch in der EU-Bio-Verordnung sind riesige Hühnerställe mit bis zu 30 000 Hennen pro Stallgebäude erlaubt. Immerhin stammt das Futter aus ökologischer und meist regionaler Landwirtschaft, ohne Einsatz von gentechnisch verändertem Soja. Die Bio-Eier, die gemäß der EU-Bio-Verordnung erzeugt werden, gelangen hauptsächlich in die Discounter.
Die ökologischen Anbauverbände wie Demeter, Bioland, Naturland und Gäa arbeiten nach strengeren Vorschriften und halten maximal 3000 Legehennen pro Stallgebäude. Zum nächsten Stall ist ein Mindestabstand von 150 Metern einzuhalten. Davon erhofft man sich, dass Infektionskrankheiten nicht so schnell von einer Herde auf die andere überspringen. Der Verband Gäa ergänzt auf seiner Website »ProVieh«, dass mindestens acht Stunden Nachtruhe ohne Kunstlicht gewährleistet sein müssen. Diese Bio-Eier werden hauptsächlich in Bio-Läden verkauft. Eine Zertifizierung durch einen der öko- logischen Anbauverbände können sich Landwirte erst ab einer bestimmten Betriebsgröße leisten.
Hennen in konventioneller Freilandhaltung trinken öfter aus Regenwasserpfützen, die schnell mit Kot und Bakterien verseucht sind. So erkranken die Tiere häufiger, und die entsprechenden Freilandeier sind oft mit Rückständen von Medikamenten belastet. Für Bio-Legehennen werden dagegen Wintergärten eingerichtet und die Tiere bei Regenwetter nicht immer ins Freie gelassen. Mit mobilen Ställen, die auf Wiesen regelmäßig weiterversetzt werden, verhindern einige Bio-Bauern ein Verschlammen des Auslaufes.
Besonders für Menschen mit schwachem Immunsystem, Kinder und alte Menschen können Salmonellen und andere Darmbakterien lebensgefährlich werden. Vor dem Genuss sollten daher die Eier gut durcherhitzt werden. Bei 70 Grad Celsius werden Salmonellen abgetötet, diese Temperaturen werden im Eigelb nach sechs bis sieben Minuten Kochzeit erreicht. Grundsätzlich sollte man Eier nach dem Kauf in der Verpackung belassen und unter 7 Grad Celsius aufbewahren. Bei Sommerhitze verbietet sich der Genuss von Speisen aus rohen Eiern wie selbst gemachte Mayonnaise oder Desserts mit Eischnee.
Beachtet man diese Hygienevorschriften, können Hühnereier ein sehr wertvolles Nahrungsmittel sein. Im Eigelb steckt viel Lezithin, das die Gedächtnisleistung verbessert, aber auch dafür sorgt, dass der Körper Cholesterin besser verarbeitet. Zudem enthalten Eigelb und Eiklar eine beachtliche Menge der schwefelhaltigen Aminosäure Methionin, die Nervenbotenstoffe aktiviert, auf diese Weise gegen Frühjahrsmüdigkeit hilft und leichte Winterdepressionen vertreibt.
Ältere Menschen tun gut daran, ihre tägliche Proteinaufnahme etwas zu erhöhen, um ihre Muskelmasse und die Gesundheit des Immunsystems zu erhalten. So hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung die Empfehlungen für ältere Erwachsene ab 65 Jahren von 0,8 auf 1,0 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht erhöht. Besonders Rührei und Omelette sind leicht verdaulich und auch bei Kauund Schluckschwierigkeiten geeignet.
Zu viel Cholesterin kann mit dem täglichen Ei nicht aufgenommen werden. Für Gesunde gibt es keine statistischen Zusammenhänge zwischen einem derart vorsichtigem Konsum und Herzkrankheiten. Nur Diabetiker sollten nicht mehr als drei Hühnereier pro Woche essen, um das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu minimieren.
Eier von Tieren, die mit reichlich Grünfutter versorgt werden, liefern zudem Omega-3-Fettsäuren sowie Vitamine wie Folsäure und Carotin. Deshalb sind diese Eier besonders im Frühjahr zu genießen.