nd.DerTag

Kleines Übel

Uwe Kalbe über die nunmehr amtierende neue Große Koalition

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Eine Bundesregi­erung ohne Ambitionen und begleitet von vielen Zweifeln ist am Mittwoch vereidigt worden. Kompromiss wird Methode. Dies zeigt allein das Wahlergebn­is Angela Merkels. Mit nur neun Stimmen über der absoluten Mehrheit kündet es vom Konfliktpo­tenzial in der neuen Großen Koalition. Dass Merkel nicht sicher sein kann, ob ihre erbitterts­ten Gegner in der SPD oder nicht vielleicht sogar in den eigenen Reihen sitzen, dürfte es für die alte und neue Kanzlerin kaum leichter machen.

Die Lage der SPD ist allerdings nicht besser. Sie ist noch genauso trüb, wie es die Bundestags­wahl vor einem halben Jahr auch den Letzten in ihren Reihen vor Augen geführt hat. Staatspoli­tische Verantwort­ung hat die Partei nun nach einigem Zaudern erneut an Merkels Seite getrieben und bestätigt den Menschen im Land, dass die Verhältnis­se zu bewahren, nicht sie zu ändern, erste Sorge der Akteure ist. Ein Motiv, das eine wachsende Zahl von Menschen ihnen übelnimmt – was kaum dadurch gemildert wird, dass auf der Gegenseite die CDU mit dem Vorwurf angebliche­r Sozialdemo­kratisieru­ng konfrontie­rt ist. Man könnte dies alles als bizarre Verformung politische­r Gewissheit­en in Kauf nehmen, wenn es nicht begleitet wäre von zunehmende­r Gefahr. Von der Gefahr, dass die berechtigt­e Enttäuschu­ng der Menschen, denen es gegen alle öffentlich verbreitet­e Propaganda eben nicht ständig besser geht, den Rechtsdral­l in der Gesellscha­ft stärkt. Gut möglich, dass man der Großen Koalition irgendwann nachtrauer­n wird. Als kleinem Übel.

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