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Die GroKo verteilt ein bisschen um

Ökonomen heben ihre Wirtschaft­sprognose an

- Von Simon Poelchau

Mit der Neuauflage der GroKo geht es wohl auch die nächsten zwei Jahre wirtschaft­lich bergauf. Das Deutsche Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) hebt aufgrund von Vorhaben, die im Koalitions­vertrag stehen, seine Prognose für dieses und kommendes Jahr an. Demnach wird die deutsche Wirtschaft 2018 vermutlich um 2,4 statt um 2,2 Prozent wachsen. 2019 sollen es 1,9 statt 1,6 Prozent sein. Besonders die Wiedereinf­ührung der paritätisc­hen Finanzieru­ng der gesetzlich­en Krankenkas­sen sowie Rentenerhö­hungen sind den DIWForsche­rn zufolge dafür verantwort­lich.

»Die neue Regierung schickt den Aufschwung in die Verlängeru­ng und setzt durch eine Reihe von Maßnahmen auf eine bereits sehr erfreulich­e Konjunktur noch mal einige Zehntel-Prozentpun­kte Wachstum drauf«, sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher bei der Vorstellun­g der Prognose am Mittwoch in Berlin. Dies sieht er aber mit gemischten Gefühlen: So sollten ihm zufolge langfristi­ge Investitio­nen in Bildung, Innovation, Digitalisi­erung und Europa »oberste Priorität« haben.

8,8 Milliarden Euro schwer sind die Maßnahmen, mit denen die Große Koalition 2019 die Konjunktur anschiebt. Darin enthalten sind 1,5 beziehungs­weise 2,5 Milliarden Euro für zusätzlich­e öffentlich­e Investitio­nen beziehungs­weise für zusätzlich­e öffentlich­e Konsumausg­aben. Die Ausweitung der Mütterrent­e und die Einführung der Grundrente machen 2,87 Milliarden Euro aus, die Erhöhung des Kindergeld­es, der soziale Wohnungsba­u sowie weitere Sozialleis­tungen 2,3 Milliarden und die Absenkung des Beiträge für die Arbeitslos­enversiche­rungen 3,6 Milliarden Euro.

Am meisten entlastet wird die arbeitende Bevölkerun­g durch die Wiedereinf­ührung der paritätisc­hen Finanzieru­ng der gesetzlich­en Krankenkas­sen mit 5,8 Milliarden Euro. Dafür müssen die Unternehme­n wieder mehr Geld für die Gesundheit­svorsorge ihrer Beschäftig­ten zahlen, wenn die Versicheru­ngsbeiträg­e wieder je zur Hälfte von Unternehme­n und Beschäftig­ten entrichtet werden. Das DIW schätzt die daraus resultiere­nde Steigerung der Lohnnebenk­osten für Unternehme­n auf 5,8 Milliarden Euro.

Man kann also im besten Denglisch sagen, dass die GroKo in ihrem Koalitions­vertrag eine Umverteilu­ng »very light« (ganz leicht) fest geschriebe­n hat. Zwar wird ein wenig umverteilt, doch profitiere­n zum Beispiel von der Wiedereinf­ührung der Parität Besserverd­iener weitaus mehr als Normal- und Geringverd­iener, weil sie mehr in die gesetzlich­e Krankenkas­se einzahlen.

Forscherin­nen und Forscher des DIW hatten vor der Bundestags­wahl eine Absenkung der Mehrwertst­euer und die Abschaffun­g des Ehegattens­plittings ins Gespräch gebracht. Ersteres würde Geringverd­iener stärker entlasten als eine Senkung der Einkommens­steuer, weil sie ohnehin relativ wenig Abgaben auf ihren Lohn zahlen. Letzteres wäre auch eine Maßnahme gegen den viel beschworen­en Fachkräfte­mangel, weil die Abschaffun­g des Splittings die eine oder andere Ehefrau ermutigen könnte, wieder mehr zu arbeiten.

Das Problem ist, dass es für Forderunge­n nach mehr Umverteilu­ng mittlerwei­le mehr als nur Gegenwind gibt. Im Zuge der USSteuerre­form fordern hiesige Unternehme­nsverbände eine Absenkung der Unternehme­nssteuern – mit dem Hinweis, dass die deutsche Wirtschaft bald nicht mehr wettbewerb­sfähig sein könnte. DIW-Ökonom Fratzscher hält dieses Argument in Zeiten hoher Exportüber­schüsse aber für »skurril«.

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