Ein unbezahlter Arbeitstag
Beschäftigte von KB PowerTech protestierten gegen Stundenerhöhung ohne Lohnausgleich
Bei einem Warnstreik vor den Werkstoren von Knorr-Bremse in Marzahn sprach IG-Metall-Chef Abel von einem »Lohnklau«. Die Arbeitszeit wurde um sieben Stunden erhöht. Mit einem Warnstreik, einem Autokorso von Tegel nach Marzahn und einem lauten Trötenkonzert vor den Werkstoren protestieren gut 100 Mitarbeiter von Knorr-Bremse PowerTech am Mittwochvormittag gegen die Erhöhung ihrer Arbeitszeit von 35 auf 42 Stunden pro Woche. »Eine 42Stunden-Woche ohne Lohnausgleich ist einfach nur Mist. Unsere Kollegen arbeiten sieben Stunden zu viel. Das ist Lohnklau«, ruft IG-Metall-Mann Klaus Abel unter lautem Trötenjubel. Trotz Kälte und Nieselregens protestieren die Metaller vor den Werkstoren – auf öffentlichem Straßenland. Auf das Betriebsgelände selbst dürfen die Teilnehmer ebenso wenig wie die Presse. Anlass des Protestes ist die Aufsichtsratssitzung des Unternehmens, die zeitgleich in Marzahn tagt und der die Gewerkschafter »kräftig einheizen wollen«, wie sie sagen.
Der Bremsenhersteller PowerTech wurde vor drei Jahren von KnorrBremse aufgekauft. Zuvor galt, wie es der Manteltarifvertrag für die Metallbranche vorsieht, die 35-StundenWoche. Knorr-Bremse kündigte jedoch zu Ende 2017 die Tarifbindung für die rund 350 Beschäftigten in Tegel. Die arbeiten seitdem 42 Stunden. Ausgenommen davon sind Altmitarbeiter, die der IG Metall angehören. »Damit geht eine Spaltung durch die Belegschaft«, sagt Klaus Abel. Seine Gewerkschaft fordert, dass der Arbeitgeber mit den Beschäftigten über einen Tarifvertrag verhandelt. »Knorr-Bremse lehnt das ab. Darum unser Warnstreik.« Er appellierte an die Teilnehmer, mehr Kollegen für eine Gewerkschaftsmit- gliedschaft zu gewinnen, »um mit ihnen gemeinsam den Tarifvertrag zu erkämpfen«.
Tariflosigkeit hätte bei KnorrBremse System, sagt der Gewerkschafter. Ebenso das Herausdrängen von Gewerkschaften, die Knorr-Bremse Abel zufolge als »Einmischung von außen« ansieht. »Über 5000 Beschäftigte in diesem Unternehmen bundesweit arbeiten wöchentlich sieben Stunden umsonst. Die sprudelnden Gewinne fließen an die Familie des Firmenpatriarchen und Multimilliardärs Heinz Hermann Thiele. Auf dem Rücken seiner Beschäftigten ist er zu sagenhaftem Reichtum gelangt und gilt heute als siebentreichster Deutscher«, sagt Abel. Er verweist auf die aktuelle Forbes-Liste, wonach nur 112 Menschen auf der Welt reicher seien als Thiele. »Der sollte sich schämen, seine Belegschaft noch im Jahr 2018 mit 42 Stunden auszupressen, wo wir als IG Metall doch schon vor über 20 Jahren die 35-Stunden-Woche eingeführt haben.«
Unterstützung bekommen die Beschäftigten am Mittwoch vom Reinickendorfer Wirtschaftsstadtrat Uwe Brockhausen (SPD). »Gehen Sie auf ihre Beschäftigten zu«, ruft er in Richtung von Knorr-Bremse. »Einen guten Wirtschaftsstandort zeichnen nicht nur hohe Gewinne aus, sondern auch Stabilität, Arbeitsplatzsicherheit und eine gute Bezahlung.« Den Gewerkschaftern rief er zu: »Bleiben Sie aktiv! Es lohnt, seine demokratischen Rechte einzufordern.«
Auch Vertreter von Knorr-Bremse sind vor Ort. Sie verteilen einen Mitarbeiterbrief, dem zufolge jeder Beschäftigte im April einmalig 300 Euro zusätzlich erhalten soll. Ab Juli sollen die Einkommen um fünf Prozent steigen, ab Juli 2019 noch einmal um 1,5 Prozent. Außerdem werden Prämien in Aussicht gestellt, abhängig von der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens.
Abel von der IG Metall freut sich darüber nicht ungetrübt. »Natürlich begrüßen wir Lohnzuwächse. Aber das alles soll auf der Basis von 42 Wochenstunden beruhen. Außerdem haben solche einseitigen Zusagen des Arbeitgebers eine geringere Verbindlichkeit als ein Tarifvertrag.«
Freude löste hingegen eine SMS des Gewerkschaftsvertreters aus, die dieser aus der zeitgleich stattfindenden Aufsichtsratssitzung zu den Männern und Frauen vor den Werktoren sandte. Er hätte klar gemacht, dass die 42-Stunden-Woche »mit uns nicht zu machen« sei und das Unternehmen hätte Verhandlungsbereitschaft signalisiert, stand dort.