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Medizinisc­he Hilfe für Obdachlose

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In Berlin gibt es medizinisc­he Hilfe für Menschen von der Straße. Doch passen die Strukturen noch zur Realität? Ein Bericht listet auf, was es gibt – und was fehlen könnte.

Praxen und Arztmobile für Obdachlose in Berlin haben im Jahr 2016 rund 6600 Menschen von der Straße behandelt. In zehn Einrichtun­gen, die Daten sammelten, ging es am häufigsten um Hauterkran­kungen, psychische Probleme und Suchterkra­nkungen, heißt es im ersten Gesundheit­sbericht zur Lage der medizinisc­hen und zahnmedizi­nischen Versorgung obdachlose­r Menschen. Da jeder Patient im Schnitt vier Mal zum Arzt kam, ergaben sich im gesamten Jahr rund 27 000 Behandlung­en. Dazu kamen rund 500 Obdachlose, die Angebote von Zahnmedizi­nern annahmen. Helfer sehen dennoch Mängel im System.

Die Zahlen für den Bericht haben unter anderem die Caritas, die Stadtmissi­on, der Malteser Hilfsdiens­t, die Johanniter-Unfallhilf­e und die Jenny De la Torre-Stiftung erhoben und zum ersten Mal gemeinsam veröffentl­icht. Jüngere Daten gebe es noch nicht, sagte Mitautor Kai-Gerrit Venske am Mittwoch.

In Berlin wird die Zahl der Obdachlose­n auf 4000 bis 6000 geschätzt, genaue Zählungen gibt es noch nicht. Sie haben in der Regel keine Krankenver­sicherung, viele gelten darüber hinaus als »nicht wartezimme­rfähig«. Manche riechen, andere haben Läuse oder Krätze. In der Hauptstadt gibt es deshalb spezielle Hilfsangeb­ote für Menschen von der Straße, zum Beispiel das Caritas-Arztmobil und die Obdachlose­n-Praxis der Ärztin Jenny De la Torre. Finanziert werden die Einrichtun­gen, die Daten zuliefern, in der Regel aus Landesmitt­el-Programmen und durch Spenden.

Ein Problem für einige geförderte Hilfseinri­chtungen bleibe, dass sie keine Menschen ohne versicheru­ngsrechtli­che Ansprüche – also meist Ausländer – behandeln dürfen, heißt es im Bericht. Die Realität auf Berlins Straßen sieht inzwischen jedoch anders aus. Acht Einrichtun­gen erhoben die Nationalit­ät von fast 5000 Patienten. Im Schnitt stammte fast die Hälfte aus EU-Ländern (46,1 Prozent), rund ein Viertel aus Deutschlan­d (27,5 Prozent) und ein weiteres Viertel aus Staaten außerhalb der EU (25,8 Prozent). Rein spendenfin­anzierte Projekte versuchen dem Bericht nach, Versorgung­slücken zu schließen - oft gelinge das aber nur notdürftig. Ein Finanzprob­lem haben dem Bericht zufolge auch Krankenhäu­ser, die Obdachlose behandeln.

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