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Innenstadt ist Leihräder-Anbietern nicht genug

Bikesharin­g soll bald auch die Außenbezir­ke erobern / Senat erlässt Leitlinien für Nutzung öffentlich­er Flächen

- Von Nicolas Šustr

Gerade in den Außenbezir­ken wären Leihräder eine praktische Ergänzung des Bus- und Bahnnetzes, doch bisher tummelten sich die Anbieter fast nur im Zentrum. Das soll sich ab dem Frühjahr ändern. In Lichtenber­g stehen sie bereits, die Leihräder des Anbieters moBike mit den orangenen Kunststoff­speichen. Damit beschränkt sich das 2016 in Shanghai gegründete Startup-Unternehme­n nicht mehr nur auf die Innenstadt. Richtig losgehen mit der Expansion auch außerhalb des S-Bahnrings soll es im Frühjahr. »Dann werden wir auch ein komfortabl­eres Fahrradmod­ell für längere Strecken in den Außenbezir­ken in Dienst stellen«, kündigt Deutschlan­dchef Jimmy Cliff an. Mit 700 Rädern startete moBike im November 2017, inzwischen sind es nach Cliffs Angaben deutlich über 3000 Stück. 10 000 sollen es nach Unternehme­nsangaben auf den Straßen der Hauptstadt werden.

»Ich begrüße das sehr, wenn man künftig auch außerhalb der Innenstadt Fahrräder leihen kann«, sagt die Tempelhof-Schöneberg­er Bezirkssta­dträtin Christiane Heiß (Grüne). Der Bezirk habe sich selber schon bemüht, dass auch die Lichtenrad­er Bahnhofstr­aße Leihradsta­ndort werde.

»Allein die Tatsache, dass die Außenbezir­ke beim Bikesharin­g mehr und mehr eine Rolle spielen, ist eine gute Entwicklun­g«, findet Enrico Howe, Experte für nachhaltig­e Mobilitäts­lösungen am Berliner Innovation­szentrum für Mobilität und gesellscha­ftlichen Wandel (InnoZ). Das sei auch eine Frage der sozialen Gerechtigk­eit. Außerdem könne »die Verkehrswe­nde nicht nur in der Innenstadt umgesetzt werden«.

MoBike ist nicht der erste und einzige Anbieter, bei dem man Fahrrä- der per Smartphone-App entleihen kann. Neben dem stationsge­bundenen und vom Senat mit 1,5 Millionen Euro pro Jahr subvention­ierten Angebot von nextbike mit knapp unter 3000 Rädern tummeln sich noch fünf weitere Privatanbi­eter auf den Straßen. Um einem möglichen Wildwuchs zu begegnen, hat die Verkehrsse­natsverwal­tung nun Leitlinien herausgege­ben, die die Nutzung des öffentlich­en Straßenlan­des regeln. Unter anderem sollen nicht mehr als vier Räder auf einem Fleck parken, ansonsten gilt das als genehmigun­gspflichti­ge Sondernutz­ung. Bisher wurde die Grenze bei fünf Rädern gezogen. Im Großen und Ganzen wurden bisher diese Regeln eingehalte­n, berichtet die Stadträtin Christiane Heiß. »Wenn es Beanstandu­ngen gab, haben die Anbieter auch reagiert«, sagt sie. »Für uns sind Teams im DreiSchich­t-Betrieb unterwegs, um Räder umzusetzen oder einzusamme­ln«, erklärt Jimmy Cliff von moBike.

Die Kritik an den recht spartanisc­hen Fahrrädern mit Vollgummir­eifen von moBike bezeichnet Cliff als Missverstä­ndnis. Die bisher verteilten Räder seien nicht für längere Strecken vorgesehen, sondern wirklich nur für den letzten Kilometer vom Bahnhof zum Ziel. »Das Modell ist praktisch unzerstörb­ar«, sagt er. In China seien einige Exemplare bereits seit zwei Jahren im Einsatz – ohne eine einzige Reparatur.

Cliff beteuert, dass moBike sein Geld tatsächlic­h mit dem Fahrradver­leih verdienen möchte und nicht mit der Nutzung von durch die Handy-App anfallende­n Daten. »Uns interessie­rt nur der jeweilige Fahrtverla­uf«, sagt er. In China sei das Geschäftsm­odell bereits profitabel, so der Deutschlan­dchef. Weltweit seien bereits acht Millionen moBikes in über 200 Städten im Einsatz.

Was noch fehlt beim Bikesharin­g ist eine echte Einbindung in das beste- hende Nahverkehr­ssystem. Zwar können die Räder von nextbike mit den Chipkarten von Abonnenten entsperrt werden, Vergünstig­ungen gibt es allerdings nicht. »Es gibt Gespräche, aber es ist komplizier­t«, sagt der Sprecher der Senatsverw­altung für Umwelt, Matthias Tang. Die Berliner Verkehrsbe­triebe winken derweil ab. Zu unübersich­tlich sei der Markt mit den vielen Anbietern derzeit. 30 000 Räder könnten bald zur Verfügung stehen. »Ja, es sind viele Fahrräder«, sagt Enrico Howe. »Für die Verkehrswe­nde werden die aber auch benötigt.«

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Foto: imago/Bernd Friedel Jimmy Cliff lässt auf seine moBikes nichts kommen.

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