Innenstadt ist Leihräder-Anbietern nicht genug
Bikesharing soll bald auch die Außenbezirke erobern / Senat erlässt Leitlinien für Nutzung öffentlicher Flächen
Gerade in den Außenbezirken wären Leihräder eine praktische Ergänzung des Bus- und Bahnnetzes, doch bisher tummelten sich die Anbieter fast nur im Zentrum. Das soll sich ab dem Frühjahr ändern. In Lichtenberg stehen sie bereits, die Leihräder des Anbieters moBike mit den orangenen Kunststoffspeichen. Damit beschränkt sich das 2016 in Shanghai gegründete Startup-Unternehmen nicht mehr nur auf die Innenstadt. Richtig losgehen mit der Expansion auch außerhalb des S-Bahnrings soll es im Frühjahr. »Dann werden wir auch ein komfortableres Fahrradmodell für längere Strecken in den Außenbezirken in Dienst stellen«, kündigt Deutschlandchef Jimmy Cliff an. Mit 700 Rädern startete moBike im November 2017, inzwischen sind es nach Cliffs Angaben deutlich über 3000 Stück. 10 000 sollen es nach Unternehmensangaben auf den Straßen der Hauptstadt werden.
»Ich begrüße das sehr, wenn man künftig auch außerhalb der Innenstadt Fahrräder leihen kann«, sagt die Tempelhof-Schöneberger Bezirksstadträtin Christiane Heiß (Grüne). Der Bezirk habe sich selber schon bemüht, dass auch die Lichtenrader Bahnhofstraße Leihradstandort werde.
»Allein die Tatsache, dass die Außenbezirke beim Bikesharing mehr und mehr eine Rolle spielen, ist eine gute Entwicklung«, findet Enrico Howe, Experte für nachhaltige Mobilitätslösungen am Berliner Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ). Das sei auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Außerdem könne »die Verkehrswende nicht nur in der Innenstadt umgesetzt werden«.
MoBike ist nicht der erste und einzige Anbieter, bei dem man Fahrrä- der per Smartphone-App entleihen kann. Neben dem stationsgebundenen und vom Senat mit 1,5 Millionen Euro pro Jahr subventionierten Angebot von nextbike mit knapp unter 3000 Rädern tummeln sich noch fünf weitere Privatanbieter auf den Straßen. Um einem möglichen Wildwuchs zu begegnen, hat die Verkehrssenatsverwaltung nun Leitlinien herausgegeben, die die Nutzung des öffentlichen Straßenlandes regeln. Unter anderem sollen nicht mehr als vier Räder auf einem Fleck parken, ansonsten gilt das als genehmigungspflichtige Sondernutzung. Bisher wurde die Grenze bei fünf Rädern gezogen. Im Großen und Ganzen wurden bisher diese Regeln eingehalten, berichtet die Stadträtin Christiane Heiß. »Wenn es Beanstandungen gab, haben die Anbieter auch reagiert«, sagt sie. »Für uns sind Teams im DreiSchicht-Betrieb unterwegs, um Räder umzusetzen oder einzusammeln«, erklärt Jimmy Cliff von moBike.
Die Kritik an den recht spartanischen Fahrrädern mit Vollgummireifen von moBike bezeichnet Cliff als Missverständnis. Die bisher verteilten Räder seien nicht für längere Strecken vorgesehen, sondern wirklich nur für den letzten Kilometer vom Bahnhof zum Ziel. »Das Modell ist praktisch unzerstörbar«, sagt er. In China seien einige Exemplare bereits seit zwei Jahren im Einsatz – ohne eine einzige Reparatur.
Cliff beteuert, dass moBike sein Geld tatsächlich mit dem Fahrradverleih verdienen möchte und nicht mit der Nutzung von durch die Handy-App anfallenden Daten. »Uns interessiert nur der jeweilige Fahrtverlauf«, sagt er. In China sei das Geschäftsmodell bereits profitabel, so der Deutschlandchef. Weltweit seien bereits acht Millionen moBikes in über 200 Städten im Einsatz.
Was noch fehlt beim Bikesharing ist eine echte Einbindung in das beste- hende Nahverkehrssystem. Zwar können die Räder von nextbike mit den Chipkarten von Abonnenten entsperrt werden, Vergünstigungen gibt es allerdings nicht. »Es gibt Gespräche, aber es ist kompliziert«, sagt der Sprecher der Senatsverwaltung für Umwelt, Matthias Tang. Die Berliner Verkehrsbetriebe winken derweil ab. Zu unübersichtlich sei der Markt mit den vielen Anbietern derzeit. 30 000 Räder könnten bald zur Verfügung stehen. »Ja, es sind viele Fahrräder«, sagt Enrico Howe. »Für die Verkehrswende werden die aber auch benötigt.«