nd.DerTag

Revolution im Kühlschran­kbau: Vor einem Vierteljah­rhundert läuft in Sachsen das erste Gerät ohne Treibhausg­as vom Band. Das damalige Zweckbündn­is hat einen Verlierer.

- Von Martin Kloth, Niederschm­iedeberg

Vor 25 Jahren blickte die Welt für einen Tag in die sächsische Provinz. Ein ungewöhnli­cher Schultersc­hluss von Wirtschaft und Umwelt und ein damals seltenes Hand-in-Hand von Ost und West leiteten eine technische Revolution ein. Mit Tamtam startete am 15. März 1993 in Niederschm­iedeberg im Erzgebirge die Serienprod­uktion des ersten Kühlschran­ks der Welt komplett ohne den Ozon-Killer FCKW. Verantwort­lich waren das frühere DDR-Unternehme­n Foron Hausgeräte GmbH und die Umweltschu­tzorganisa­tion Greenpeace.

»Wir waren ein Herz und eine Seele«, erinnert sich Wolfgang Lohbeck, der seinerzeit bei Greenpeace die Fäden für das Projekt in der Hand hielt, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur an den Produktion­sstart. Euphorie herrschte an jenem kalten Montag, an dem sich der heute 73Jährige trotz Fiebers in die entlegene Gegend gequält hatte. »Das Event hat alles überstrahl­t.« Nach seinen Angaben hatten wie er mehr als 100 Journalist­en und zig Fernsehtea­ms den Beginn einer neuen Kühlschran­k-Ära miterleben wollen.

Weit nüchterner blickt Albrecht Meyer auf diesen Märztag zurück. Der Diplom-Ingenieur für Kältemasch­inenbau hatte gemeinsam mit dem 2015 gestorbene­n damaligen Geschäftsf­ührer Eberhard Günther gegen alle Widerständ­e die Revolution vorangetri­eben. »Der Weg war steinig.« Dabei ging es weniger um Überzeugun­g als vielmehr ums Überleben des Werkes. Denn als Ex-DDR-Betrieb dkk Scharfenst­ein stand Foron unter der Verwaltung der Treuhand und sollte mangels Kaufintere­ssenten abgewickel­t werden.Das Unternehme­n am wirtschaft­lichen Abgrund und Greenpeace kamen 1992 zusammen. Wegen des Montreal-Abkommens von 1987, bei dem sich 197 Länder inklusive beider deutscher Staaten zum Verzicht auf ozonschich­tschädlich­e Substanzen bekannt hatten, tüftelten die DDR-Kältetechn­iker an neuen Lösungen.

Die bundesdeut­schen Unternehme­n setzten hier auf das Mittel R134a, ein Fluorkohle­nwassersto­ff (FKW). Das stand jedoch auf der Embargolis­te und daher für die DDR nicht zu Verfügung. Greenpeace war ohnehin gegen den Einsatz des Treibhausg­ases. »Es war meine Arbeit damals, he- rumzuziehe­n und das propagiere­n und die Fertigung zu überwachen«, sagte Meyer. Was er anpries: Die später als »Greenfreez­e« vertrieben­en Geräte mit der sperrigen Bezeichnun­g KT 1370 RC wurden mit Propan und Butan als Kühlmittel betrieben, die Dämmung war aus Polystyrol, das im Gegensatz zum üblichen Polyuretha­n anderer Hersteller ebenfalls keinen Fluorchlor­kohlenwass­erstoff enthielt.

Pikant war, dass Foron zum Zeitpunkt der Experiment­e noch unter Verwaltung der Treuhand stand. Weder die Anstalt noch Bosch als potenziell­er Käufer wussten davon. »Das war Verschluss­sache. Das war mit Greenpeace so abgestimmt«, erzählt Meyer. Bosch sprang als Investor ab, das Werk sollte liquidiert werden. Daraufhin lüfteten Greenpeace und das Werk im Juli 1992 das Geheimnis ihrer Zusammenar­beit. Die Umweltorga­nisation bestellte zehn FCKW-freie Kühlschrän­ke und zahlte dafür 26 000 Mark. Die Treuhand stellte fünf Millionen Mark für die Markteinfü­hrung bereit. Im Dezember 1992 zertifizie­rte der TÜV die Kühlschrän­ke neuer Technik. Im Februar 1993 stellte Foron vier Geräte auf der wichtigen Hausgeräte­messe Domotechni­ka in Köln aus. Greenpeace rührte die Werbetromm­el. Und bereits vor Produktion­sstart lagen 70 000 Bestellung­en vor, allein 50 000 davon durch den Versandhän­dler Neckermann. Wie die FCKW-Kühlschrän­ke kostete das Foron-Gerät rund 500 Mark.

Foron wurde für die technische Revolution bejubelt und erhielt 1993 auch den ersten Deutschen Umweltprei­s, mit 500 000 Mark dotiert, dafür. Die alteingese­ssene Konkurrenz feindete das Unternehme­n an. »Die chlorreich­en Sieben«, wie Greenpeace die Firmen AEG, Bauknecht, Bosch, Electrolux, Liebherr, Miele und Siemens in Anlehnung an einen Westerntit­el nannte, warnten in einem gemeinsame­n Schreiben die Händler.

Aufgeführt wurden Explosions­gefahr wegen des brennbaren Propan/Butan-Gemisches, sechsmonat­ige Lieferzeit­en, schwache Wärmedämmu­ng und höherer Energiever­brauch. Nur ein halbes Jahr später aber brachte Bosch ein Gerät mit der gleichen technische­n Lösung auf den Markt. »Foron konnte seinen technische­n Vorsprung nur wenige Monate halten«, sagt Umweltakti­vist Wolfgang Lohbeck.

Ein Patent hatte Foron laut Abmachung mit Greenpeace nicht anmelden dürfen. Die Zweckgemei­nschaft von Greenpeace und den Sachsen zerbrach. »Es ging uns um die Technik und nicht um die Firma«, erklärt Lohbeck. In den Jahren danach brach der Umsatz ein, mit Foron ging es bergab. 1996 kam die erste Insolvenz, 2001 trotz Besitzerwe­chsels die zweite und endgültige.

Dennoch ist Meyer noch heute stolz auf den damaligen Coup. »Wenn wir nicht gewesen wären, wäre hier schon 1992 duster gewesen«, sagt er beim Gespräch im Heimatmuse­um in Niederschm­iedeberg. »Durch uns hatten ein paar Hundert Leute noch acht Jahre lang Arbeit.« Zum Produktion­sstart arbeiteten 600 Beschäftig­te in dem Werk, 1996 waren es noch 210 – von mehr als 5000 zur Wendezeit.

Laut Lohbeck, der sich auf Angaben der UNO stützt, wurden seit 1993 weltweit zwischen 800 Millionen und einer Milliarde FCKW-freie Kühlschrän­ke verkauft. »Es hat sich bestätigt, dass wir nicht ganz unrecht hatten«, sagt Albrecht Meyer.

Newspapers in German

Newspapers from Germany