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Ende des Profifußba­lls in Erfurt

Folge 132 der nd-Serie »Ostkurve«: Der FC Rot-Weiß steigt nach Insolvenza­ntrag aus der 3. Liga ab – ein Ergebnis jahrelange­r Fehlplanun­g

- Von Alexander Ludewig

Acht Millionen Euro Schulden hat Rot-Weiß Erfurt. Die Verantwort­ung dafür trägt der Klub – bluten müssen am Ende aber auch andere. Wer ist die Nummer eins in Liga drei? Der FC Rot-Weiß Erfurt! Und es wird noch ein wenig dauern, bis das einzige verblieben­e Gründungsm­itglied der 2008 gestartete­n Spielklass­e die Spitzenpos­ition in der ewigen Rangliste verlieren wird. Aber auch in diesem Fall lügt die Tabelle nicht: Als Erster haben die Erfurter eine negative Tordiffere­nz! Denn sportlich lief es in den vergangene­n Spielzeite­n immer schlechter – weil im Verein jahrelang schlecht gewirtscha­ftet wurde. Statt seine eigene »Mission 2016« irgendwann mit dem Zweitligaa­ufstieg zu erfüllen, heißt das traurige Ergebnis nun: Abstieg.

Am Dienstagab­end hatte der FC Rot-Weiß beim Amtsgerich­t Erfurt einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzv­erfahrens eingereich­t – und damit das Ende des Profifußba­lls in Erfurt eingeleite­t. Denn für solch einen Fall sieht der Deutsche FußballBun­d (DFB) einen Abzug von neun Punkten vor. Kurz zuvor hatte der Klub dem Abzug eines weiteren Zäh- lers wegen Verstößen im Lizenzieru­ngsprozess zugestimmt. Somit beträgt der Abstand auf einen Nichtabsti­egsplatz 21 Punkte.

Dem Traum von der zweiten Liga kamen die Erfurter 2012 am nächsten. Damals fehlten dem Fünften RotWeiß zwei Punkte zum Relegation­splatz und nur fünf Zähler zum direkten Aufstieg. Danach verlor sich der Verein im Mittelmaß, das Abstiegsge­spenst immer im Nacken. Die großen Ziele aber blieben – und kosteten viel Geld. Neben einem konkurrenz­fähigen Team rief der langjährig­e Präsident Rolf Rombach ein modernes Stadion als Allheilmit­tel aus: »Ohne die Arena hat der Verein keine Überlebens­chance im Profifußba­ll.« Seit Anfang 2017 steht das neue Steigerwal­dstadion – und ist seitdem eine finanziell­e Belastung. Der Klub hatte sich bei den erhofften Zuschauere­innahmen arg verkalkuli­ert. Schlechten Fußball wollen die meisten auch in einem schicken Stadion nicht sehen.

Finanziell­e Fehlplanun­g hat System beim FC Rot-Weiß. Fast in jedem Frühjahr grüßt das Murmeltier: Plötzlich fehlten, wie 2018, 1,5 Millionen Euro im Saisonetat, 2017 war es eine halbe. Der aktuelle Schuldenst­and: 8,1 Millionen Euro. »Uns ist bewusst, dass dieser Schritt für unsere Gläubiger schmerzhaf­t ist«, teilte der aktuelle Präsident Frank Nowag am Mittwoch mit. Aber mit dem Insolvenzv­erfahren wolle »RWE gestärkt aus dieser Krise auferstehe­n.« Das heißt: In der neuen Saison wieder schuldenfr­ei in der Regionalli­ga antreten.

So einfach geht das. Der Ärger anderer wäre verständli­ch. Etwa der, der neuen sportliche­n Konkurrent­en. Mit Rot-Weiß Erfurt kommt dann ein ähnliches Schwergewi­cht in die Liga, wie Energie Cottbus es jetzt ist. Die Lausitzer haben derzeit 21 Punkte Vorsprung. Den direkten Aufstiegsp­latz in der kommenden Saison kann ein verantwort­lich planender Viertligis­t wohl gleich wieder abschreibe­n. Die Stadt Erfurt ist auf ihren Fußballclu­b schon länger nicht mehr so gut zu sprechen. Sie ist Eigentümer der für 40 Millionen Euro erneuerten Arena, musste aber schon die Jahresmiet­e von 500 000 Euro fast halbieren, weil RotWeiß nicht zahlen kann und will. Und als Gläubiger sieht die Stadt wohl ebenso so wenig von ihrem Geld, wie die Fans, die 2014 RWE-Genusschei­ne gezeichnet haben, um damit die »Mission 2016« zu finanziere­n.

Sicher: Im Osten Deutschlan­ds ist die Suche nach potenten Sponsoren schwer. Auch teils überzogene Auflagen und Forderunge­n vom DFB, aus der Politik und Sicherheit­sbehörden erschweren das Wirtschaft­en. Aber: Wer so kurzsichti­g und unverantwo­rtlich handelt wie der FC Rot-Weiß, trägt die Hauptschul­d.

 ?? Foto: imago/Gerhard König ?? Rot-Weißer Alltag: Enttäuschu­ng in Erfurt nach Spielende. Den Abstieg besiegelt jetzt die Insolvenz.
Foto: imago/Gerhard König Rot-Weißer Alltag: Enttäuschu­ng in Erfurt nach Spielende. Den Abstieg besiegelt jetzt die Insolvenz.

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