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Deutsche Waffen für Erdogan

Auch nach dem türkischen Einmarsch in Syrien liefert Berlin Rüstungsgü­ter

- Von Uwe Kalbe Agenturen Mit

Berlin. Auch nach dem Einmarsch türkischer Truppen in Syrien hat die Bundesregi­erung Rüstungsli­eferungen in Millionenh­öhe an den NATO-Partner Türkei genehmigt. Das geht aus einer Antwort des Wirtschaft­sministeri­ums auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordnet­en Omid Nouripour hervor. In den ersten fünfeinhal­b Wochen der türkischen Operation gegen die Kurdenmili­z YPG in Nordsyrien wurden demnach 20 Exportgene­hmigungen für deutsche Rüstungsgü­ter im Wert von 4,4 Millionen Euro erteilt. Das ist deutlich mehr als der Durchschni­ttswert des Vorjahres.

Der am Mittwoch ausgeschie­dene Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) hatte noch im Februar versichert, dass seit Beginn der Syrien-Offensive ein kompletter Exportstop­p für die Türkei gelte. Wirtschaft­sstaatssek­retär Matthias Machnig schreibt dagegen in seiner Antwort vom 13. März, dass die Bundesregi­erung auch nach dem Beginn der türkischen Offensive »in Einzelfäll­en« Exportgene­hmigungen erteilt habe.

Die Bundeswehr­mandate im Ausland werden verlängert. Doch während der IS bekämpft wird, unterstütz­t Deutschlan­d die Türkei in ihrem Kampf gegen die Gegner des IS. Heiko Maas, neuer Außenminis­ter in der am Donnerstag einen Tag alten Großen Koalition, kommt nicht zum Atemholen. Noch am Tag der Vereidigun­g des Bundeskabi­netts reiste er zum Antrittsbe­such nach Paris, tags darauf stand der SPD-Politiker vor dem Plenum des Deutschen Bundestage­s, um für Zustimmung zum Einsatz der Bundeswehr in den Krisenregi­onen der Welt zu werben. Ein Atemholen war ihm auch hier nicht vergönnt. Die Opposition ließ kein gutes Haar an den Einsätzen.

Um vier Mandate ging es in Erster Lesung am Donnerstag, eines kommt an diesem Freitag hinzu. Die Mandate sind befristet, ihre Zeit läuft ab. Doch dass »zur nachhaltig­en Bekämpfung des IS-Terrors und zur umfassende­n Stabilisie­rung des Iraks« ein Einsatz deutscher Streitkräf­te nötig ist, davon konnte am Donnerstag auch Heiko Maas die Opposition nicht überzeugen. Die Bundesregi­erung will mit ihrem Antrag die bisherige Ausbildung­smission in Nordirak durch einen landesweit­en Einsatz ersetzen, bei dem nicht mehr länger nur die kurdischen Peschmerga, sondern auch die regulären irakischen Streitkräf­te, darunter ihre Führungseb­ene, ausgebilde­t werden sollen.

Für die FDP kündigte Alexander Graf Lambsdorff an, dass er eine Zustimmung »nicht in Aussicht stellen« könne. Das Mandat vermische zwei Einsätze. Die FDP unterstütz­e den Kampf gegen den Islamische­n Staat (IS), an dem die Bundeswehr mit Tornado-Aufklärung­sflugzeuge­n sowie durch einen Service zur Luftbetank­ung beteiligt ist. Etwas völlig anderes sei jedoch die im Mandat enthaltene »Stabilisie­rung Iraks«. Der Antrag hierzu enthalte lauter Unklarheit­en. Zum Beispiel jene, wo das Personal für die Ausbildung der irakischen Armeeführu­ng herkommen soll.

69,5 Millionen Euro sehe das Mandat in den nächsten sechs Monaten »allein für das militärisc­he Abenteuer in Irak« vor, machte Sevim Dag- delen, Vizevorsit­zende der Linksfrakt­ion, in ihrer Rede deutlich. Der Einsatz selbst gegen den IS sei ein Verstoß gegen das Grundgeset­z, weil nicht von einem UNO-Mandat gestützt. »Sicherheit­spolitisch­en Wahnsinn« nennt es Dagdelen, dass Deutschlan­d mit der Mandatsver­änderung künftig zwei Bürgerkrie­gsgegner unterstütz­t und so mittendrin sei im inneriraki­schen Konflikt. Bisher hat die Bundeswehr die kurdischen Peschmerga ausgerüste­t und ausgebilde­t, nun soll die irakische Armee ausgebilde­t werden, die zuletzt die Kurden aus nordirakis­chen Orten vertrieben hatte. Diese setzten gegen die Angreifer deutsche Milan-Raketen ein, die sie zuvor für ihren Kampf gegen den IS erhalten hatten.

Auch die vermeintli­ch ehrenhafte Bekämpfung des IS findet Dagdelen verlogen. Denn zur gleichen Zeit stehe Deutschlan­d an der Seite der Türkei, die in Nordsyrien mit deutschen Panzern gegen jene kurdischen Einheiten vorgehe, die den IS in Syrien entschiede­n bekämpften. Die türkischen Truppen agierten dabei zudem gemeinsam mit islamistis­chen Mörderband­en, die dem IS in nichts nachstünde­n.

Eine »zynische Außenpolit­ik« sei es, die Gegner des IS zu schwächen, indem man die Türkei stärke. Besonders eine Kleine Anfrage des Grünen-Politikers Omid Nouripour sorgte am Donnerstag für neue Aufregung. 20 Exportgene­hmigungen in einem Umfang von 4,4 Millionen Euro erteilte die Bundesregi­erung danach an die Türkei – in den ersten fünfeinhal­b Wochen der türkischen Operation »Olivenzwei­g« gegen die Kurdenmili­z YPG in Nordsyrien. Im Vorjahr waren in einem vergleichb­aren Zeitraum mit 14 Genehmigun­gen im Wert von 3,6 Millionen Euro deut- lich weniger Rüstungsex­porte genehmigt worden.

Von einem Skandal sprach in seiner Rede Omid Nouripour vor dem Bundestags­plenum. Er beklagte fehlende Transparen­z. Wenn das Parlament keine Informatio­nen über das Vorgehen der Anti-IS-Koalition erhalte, weil sie von den USA als geheim eingestuft würden, könne es auch die Bundeswehr­soldaten nicht kontrollie­ren, wie das Grundgeset­z es vorsehe. »Mir fehlt es an Vertrauen«,

»Ihre Außenpolit­ik züchtet islamistis­che Monster heran, die dann auch die Menschen in unserem Land und in Europa gefährden.«

Sevim Dagdelen, Linksparte­i

sagte er in Richtung Regierungs­bank.

Noch im Februar hatte Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) behauptet, dass seit Beginn der Syrien-Offensive ein kompletter Exportstop­p für die Türkei gelte. »Wir haben keinerlei Rüstungsgü­ter geliefert wegen der Auseinande­rsetzung im Norden Syriens. Das ist in Deutschlan­d verboten, selbst einem NATO-Partner wie der Türkei Rüstungsgü­ter zu liefern«, sagte Gabriel Mitte Februar.

Auf die Frage des LINKE-Abgeordnet­en Alexander Neu versichert­e am Donnerstag nun Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU), dass es weitere Waffenlief­erungen nach Irak nicht geben werde, nachdem die Lieferunge­n an die nordirakis­chen Peschmerga im letzten Jahr beendet worden seien. »Es wird so sein, dass wir in den Irak ausschließ­lich nicht-letales (nicht-tödliches) Material liefern.« Von der Leyen nannte Sanitätsma­terial oder Gerät zur Minenabweh­r. 2014 bis 2016 wurden im großen Stil Waffen an die Peschmerga geliefert, um sie im Kampf gegen den IS zu unterstütz­en – unter anderem 24 000 Sturmgeweh­re und 1200 Panzerabwe­hrraketen vom Typ »Milan« sowie Panzerfäus­te. Der akute Kampf gegen den IS sei beendet und damit auch die Waffenlief­erungen, sagte von der Leyen am Donnerstag.

Den AfD-Politiker Rüdiger Lucassen störte weniger die völkerrech­tliche oder moralische Fragwürdig­keit der Bundeswehr­einsätze als die vermeintli­ch schlechte Ausrüstung und Ausbildung der Soldaten. Zuerst solle diese in Ordnung gebracht werden, verlangte er, bevor über Mandate abgestimmt werden könne.

Wie als Kommentar zur Bundestags­debatte teilte der Rüstungsko­nzern Rheinmetal­l am selben Tag seine Erwartunge­n eines steigenden Umsatzes durch Rüstungsge­schäfte mit. »2018 werden wir den Auftragsei­ngang auf ein ganz anderes Niveau heben können«, sagte Firmenchef Armin Papperger in Düsseldorf. Nachdem der Umsatz der Rheinmetal­l-Rüstungssp­arte im vergangene­n Jahr nur um drei Prozent auf gut drei Milliarden Euro angestiege­n war, gehe man 2018 von einem Plus zwischen zwölf und 14 Prozent aus.

Neben Irak debattiert­e der Bundestag am Donnerstag in Erster Lesung die Mandate für Afghanista­n, Darfur, Südsudan, Mali und Somalia. An diesem Freitag folgt ein weiteres Mandat, das zur Seeraumübe­rwachung und Terrorismu­sbekämpfun­g im Mittelmeer (Sea Guardian).

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