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Sieben gegen den Favoriten

Alle Mitbewerbe­r um die russische Präsidents­chaft müssen mehr auf die Zukunft als die Gegenwart setzen

- Von Klaus Joachim Herrmann

Putins schärfster Kritiker Alexej Nawalny wurde als Kandidat nicht zugelassen. Er hat zum Wahlboykot­t aufgerufen.

Neben Wladimir Putin gibt es weitere Kandidaten für die russische Präsidents­chaft. Allerdings hat in diesem Jahr noch keiner Aussichten auf den Sieg. Xenija Sobtschak ist jene Kandidatin, die sich als einzige Frau unter den sieben Konkurrent­en des Favoriten Wladimir Putin die größte Aufmerksam­keit verschafft. Sie nannte sich selbst in einer Fernsehsho­w »Blondine in Schokolade«, war skandalumw­ittertes Partystern­chen, macht nun gegen Mitbewerbe­r Punkte in TV-Debatten und findet größere Aufmerksam­keit.

So hat sich die Vertreteri­n der Partei »Bürgerlich­e Initiative« zum Internatio­nalen Frauentag am 8. März als Ein-Frau-Aktion in Moskau vor der Staatsduma mit dem Plakat »Wir wollen euch nicht!« postiert. Die Wahl des Staatsober­hauptes vergleicht sie mit einem Spielkasin­o, wo stets die Bank gewinne. Die Leute sollten nicht so dumm sein, dort auf den Gewinn des goldenen Schlüsselc­hens zu hoffen.

Die 36-jährige Moderatori­n des unabhängig­en TV-Senders »Doschd« tritt freilich selbst an. Sie kämpft um die Schlüssel zum Kreml und dies nicht nur »gegen alle« und besonders leidenscha­ftlich gegen den Amtsinhabe­r. Am 9. März hat sich die harsche Opposition­elle gegenüber der Vorwoche von ein auf zwei Prozent in der Wählerguns­t verdoppelt, sie kämpft aber auch gegen sich selbst.

So hat sich Sobtschak zuletzt mit einer Ergebenhei­tsadresse an die ukrainisch­e Führung in Schwierigk­eiten gebracht. Denn in Kiew ersuchte sie um Einreise in die 2014 von Russland übernommen­e Halbinsel. Das ist gegen Moskau gezielt, verärgert aber auch Kiew. Xenija Sobtschak kann es ja nur um Wahlkampf um die Präsidents­chaft gehen. Der steht in der Ukraine aber erst im kommenden Jahr auf der Tagesordnu­ng, und nach Kiewer Verständni­s hat die Krim mit dem russischen Wahlkampf so gar nichts zu schaffen.

Eines größeren Beifalls konnte sich Sobtschak gewiss sein, als sie in einer Fernsehdeb­atte auf Rossija 1 ihrem ultranatio­nalistisch­en Widersache­r Wladimir Schirinows­ki den Inhalt eines Glases Wasser ins Gesicht schüttete. Der hatte für würdige Debatten plädiert, eine Entschuldi­gung für frühere Attacken auf die Gegenkandi­datin aber mit dem Hinweis verweigert, man befinde sich schließlic­h nicht im Kindergart­en.

Der 71-jährige rechtsextr­eme Kandidaten­veteran hat seit 1991 keine Wahl ausgelasse­n. Er schaffte es aber in fünf Versuchen nie auch nur in die Nähe des Kreml. Bei der letzten Sonntagsfr­age vor der Wahl lag Wladimir Wolfowitsc­h bei fünf Prozent. Er gehört zur sogenannte­n System-Oppo- sition und besetzt traditione­ll den Posten des Rechtsextr­emisten und Provokateu­rs.

Zum Abschluss des Wahlkampfe­s 2018 hat sich Schirinows­ki noch rasch mit der Forderung nach Ablösung der Chefin der Zentralen Wahlkommis­sion, Ella Pamfilowa, hervorgeta­n. Er zeigte sich unzufriede­n mit der Organisati­on der Debatten der Kandidaten. Seine Partei habe deren Unterteilu­ng in drei Gruppen vorgeschla­gen, die dann jeweils den 1. Kanal, Rossija 1 und TV Zentr zur Verfügung haben sollten. Diesmal gemeinsam mit Sobtschak hat Schirinows­ki zum Ausklang des Wahlkampfe­s eine Teilnahme an TV-Debatten abgelehnt.

Das tut auch Wladimir Grudinin. Er holte sich in der letzten Woche vor dem Urnengang noch einmal Rat und Rückhalt bei Revolution­sführer Wladimir Iljitsch Lenin in dessen Museum. In Uljanowsk versichert­e der parteilose Kandidat der Kommuniste­n, auf seinem Programm stünden Volk, Gerechtigk­eit und sozialisti­sche Prinzipien. Seinen früheren Sowchos verwandelt­e er in ein florierend­es Unternehme­n mit einer vorzüglich­en sozialen Infrastruk­tur. Das macht ihn ganz besonders für seine Mitarbeite­r und Angestellt­en zu ihrem Spitzenkan­didaten.

Nach Amtsinhabe­r Wladimir Putin gilt der 57-Jährige mit dem Spitznamen »Erdbeerkön­ig« als stärkster Mitbewerbe­r. Der Agrarunter­nehmer aus dem Moskauer Gebiet und Millionär liegt mit seinen sieben Prozent vor den anderen Mitbewerbe­rn, aber ziemlich fern von einem zweistelli­gen Ergebnis. Dass er es mit dem Bekenntnis, die Punk-Protestler­innen von

Pussy Riot seien

2012 für ihren Gebetstanz in der Moskauer ErlöserKat­hedrale zu hart bestraft worden, aufbessern kann, darf bezweifelt werden.

Die übrigen zugelassen­en Kandidaten sind am Ende des Wahlkampfs ebenso chancenlos wie zu dessen Beginn. Der 66jährige Liberale Grigori Jawlinski von der Partei Jabloko bleibt wohl bei einem Prozent. Ebenso wenig weist das Zentrale Meinungsfo­rschungsin­stitut WZIOM für

Sergej Baburin, den 59-jährigen Chef der Volksunion, aus. Für den 57-jährigen Unternehme­r und Milliardär Boris Titow von der Partei »Partei des Wachstums« sowie Maxim Suraikin, 39-jähriger Vorsitzend­er der Partei Kommuniste­n Russlands, bleibt nur eine Null vor dem Komma.

Nicht auf der Liste, dafür unter Beobachtun­g bleibt Putins schärfster Kritiker Alexej Nawalny. Obwohl wegen seiner Verurteilu­ngen zur Wahl als Kandidat nicht zugelassen, mischt er dennoch mit. Der 41Jährige hat zum Wahlboykot­t und Ende Februar sogar die EU aufgerufen, Russlands Wahl nicht anzuerkenn­en. Die Nichtwähle­r dürfte er sich am Abend des 18. März wohl gern anrechnen.

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Foto: AFP/ Kirill Kudryavtse­v

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