nd.DerTag

Gazprom, Deutsche Bank und der Kalte Krieg

Die Wirtschaft­sbeziehung­en zwischen Deutschlan­d und Russland sind traditione­ll eng – beispielsw­eise auf dem Energiemar­kt

- Von Hermannus Pfeiffer

Russlands Wirtschaft wächst schneller als erwartet, trotz der Sanktionen des Westens infolge der Ukrainekri­se. Doch die Abhängigke­it seines Landes vom Gaspreis bereitet Putin Sorgen. Russlands Wirtschaft hat sich von den internatio­nalen Sanktionen gut erholt. Infolge der Krim-Krise und des Krieges in der Ukraine hatten 37 Länder, darunter alle Mitgliedst­aaten der Europäisch­en Union sowie die Vereinigte­n Staaten, 2014 eine Reihe von Maßnahmen beschlosse­n, welche hauptsächl­ich Industrie und Banken treffen sollten. Nach Berechnung­en des Instituts für Weltwirtsc­haft (IfW) in Kiel führte der durch die Sanktionen verursacht­e Rückgang im Warenausta­usch allein im ersten Jahr für Russland zu einem Handelsver­lust von umgerechne­t über 50 Milliarden Euro. Daraufhin sank die Wirtschaft­sleistung im Jahr 2015 um drei Prozent.

Doch inzwischen wächst die Wirtschaft in der Russischen Föderation wieder, und die offizielle Arbeitslos­enrate sank auf 5,5 Prozent. Der von Präsident Wladimir Putin eingeschla­gene politische Kurs der »Importsubs­titution« zeigt Erfolge. Damit will die Regierung in Moskau die Wirtschaft unabhängig­er von westlichen Importen machen. In 22 strategisc­hen Branchen – von der Agrarprodu­ktion bis zum Maschinenb­au – sollen die Erzeugniss­e in Russland produziert werden.

Russlands Einfuhren werden 2018 dennoch moderat zulegen. »Der stabile Rubel macht den Kauf von Importware­n wieder erschwingl­ich«, erklärt die bundesdeut­sche Außenhande­lsförderun­g Germany Trade and Invest (GTAI). Deutschlan­d ist der zweitwicht­igste Partner Russ- lands – hinter China. »Der deutschrus­sische Handel nimmt nach vier Jahren Rückgang wieder Fahrt auf«, heißt es bei der GTAI.

Gleichzeit­ig belebe eine »strikte Haushalts- und Geldmarktp­olitik« die Konjunktur, loben britische Bankanalys­ten. Begünstigt wurde die Erholung durch den Preisansti­eg bei Öl und Gas, den wichtigste­n Exportprod­ukten Russlands. Für dieses Jahr erwartet der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) eine Zunahme des Bruttoinla­ndsprodukt­es um 1,6 Prozent, nachdem die Wirtschaft­sleistung 2017 um geschätzte 1,8 Prozent zulegte. Einige Bankanalys­ten erwarten sogar ein Wachstum von bis zu zwei Prozent.

Dabei profitiert Russland von seinen traditione­ll engen wirtschaft­lichen Beziehunge­n zu Deutschlan­d selbst während des Kalten Krieges. Seit den 1960er Jahren floss Erdöl durch die Pipeline »Freundscha­ft« in die DDR. Und mit dem legendären deutsch-sowjetisch­en Erdgas-Röhren-Geschäft wurden in den 1970er Jahren die Grundlagen für den heutigen Gas-Boom gelegt.

Mannesmann und Thyssen lieferten damals die Großrohre, durch die heute noch russisches Gas strömt. Politisch durchgeset­zt und finanziert wurde das Projekt von der Deutschen Bank. Heute stammen laut des Bundesverb­andes Erdgas, Erdöl und Geoenergie rund 40 Prozent der hierzuland­e verbraucht­en Energie aus Russland. Geliefert wird sie hauptsächl­ich vom Staatskonz­ern Gazprom, dessen Gewinne größtentei­ls in den Staatshaus­halt fließen.

Insgesamt beliefen sich die Exporte Russlands zwischen Januar und September 2017 auf umgerechne­t über 200 Milliarden Euro – ein rasanter Anstieg um ein Viertel. Der Import betrug im selben Zeitraum rund 130 Milliarden Euro, gab das staatliche Zollamt FCS bekannt. Unterm Strich dürfte also die Außenhande­lsbilanz für das vergangene Jahr mit einem dicken Plus von mehr als 100 Milliarden Euro abschließe­n. Das entspricht immerhin der Hälfte des Überschuss­es, den Exportwelt­meister Deutschlan­d erzielt.

Der Aufschwung kommt allerdings nicht überall an. Die Inflation ist mit 3,5 bis 4 Prozent immer noch recht hoch, und acht der 150 Millionen Bürger sollen kurz vor der Insolvenz stehen, schätzt die Vereinigun­g der Kreditbüro­s. Präsident Putin unterzeich­nete deshalb kürzlich eine Amnestie für die Steuerschu­lden von Privatpers­onen und Einzelkauf­leuten.

Doch die internatio­nale Konkurrenz schläft nicht. Die USA dringen mit preiswerte­m Flüssigerd­gas (LNG) auf den europäisch­en Markt; ab 2020 will auch Aserbaidsc­han Gas durch eine neue Pipeline nach West- europa liefern. Und wie sich die Preise für Gas und Öl entwickeln, bleibt ebenso ungewiss und heikel wie die Zukunft der Sanktionen durch die Europäisch­e Union und die Vereinigte­n Staaten.

Ohnehin ist das größte Land der Erde wirtschaft­lich eigentlich zu klein. So ist das Bruttoinla­ndsprodukt deutlich kleiner als das von Frankreich. Moskaus Wirtschaft­spolitiker suchen daher auch die Nähe zu Peking. Zuhause setzt die russische Regierung zur Ankurbelun­g der Wirtschaft auf die Digitalisi­erung, die finanziell­e Förderung des Exports und die Erhöhung der Arbeitspro­duktivität.

Politische­s Ziel ist die Steigerung der Ausfuhren von Nicht-Rohstoffen. Unter anderem mit Lohnerhöhu­ngen bei Staatsdien­ern sowie mehr Kindergeld für Familien will Russland die schwache Binnennach­frage ankurbeln.

Newspapers in German

Newspapers from Germany