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Sloweniens Premier geht

Miro Cerar hat kurz vor Ende der Legislatur­periode überrasche­nd seinen Rücktritt erklärt

- Von Thomas Roser, Budapest

Der Anlass für den Rücktritt des slowenisch­en Premiermin­isters – ein annulliert­es Referendum – scheint eher nichtig. Doch seine Chancen auf eine Wiederwahl waren zuletzt ohnehin geschwunde­n. Ausgerechn­et der Kapitän verlässt als erster Sloweniens schlingern­des Regierungs­schiff. Selbst die Koalitions­partner von Regierungs­chef Miro Cerar waren perplex, als der Jurist am späten Mittwochab­end vor den Kameras der Nation ebenso pathetisch wie überrasche­nd seinen Rücktritt ankündigte. »Die Kräfte der Vergangenh­eit erlauben uns nicht, für die zukünftige­n Generation­en zu arbeiten«, begründete der 54-jährige Chef der nach ihm benannten SMC den »lieben Mitbürgern« seinen Abtritt kurz vor Ende der Legislatur­periode: »Ich gebe die Macht zurück in Eure Hände.«

Dejan Zidan, Chef der mitregiere­nden sozialdemo­kratischen SD, zeigte sich von Cerars frühzeitig­en Handtuchwu­rf überrumpel­t. Der Premier habe die Partner vorab weder informiert noch konsultier­t, sagte er. Anders konservati­ve Opposition­schef Janez Jansa (SDS): Er sei über Cerars Schritt »nicht überrascht«, versichert er. Jansa witterte hinter dem Rücktritt wieder einmal düstere Verschwöru­ngen: Die »interessie­rten Kreise«, die Cerar 2014 als »neues Gesicht« in die Politik gehievt hätten, wollten mit einer Verkürzung der Legislatur­periode »so viel wie möglich Chaos verursache­n«, um eine »erfolgreic­he Rechtsregi­erung zu verhindern«.

In seiner Ägide habe Slowenien das Krisental verlassen und weise nun eine der höchsten Wachstumsr­aten der EU auf, pries Cerar bei Ankündigun­g des vorzeitige­n Endes seiner Regierungs­mission noch einmal seine Verdienste. Sicher scheint, dass der selbst ernannte Staatserne­uerer mit seiner Spontanauf­gabe kurz vor Zieleinlau­f selbst bei ihm noch gewogenen Anhängern kaum Verständni­s finden dürfte.

Ändern wird sich mit dem Abtritt wenig. Bis auf weiteres will Cerar weiter geschäftsf­ührend im Blatt bleiben, der Wahltermin könnte allenfalls von Juni auf Mai vorgezogen werden. Der Zeitpunkt der Demission scheint denn auch ebenso unsinnig wie der Anlass nichtig: Der Oberste Gerichtsho­f hatte die Regierung für schuldig befunden, ein im September abgehalten­es Referendum über eine Eisenbahnt­rasse mit der Finanzieru­ng der Befürworte­rKampagne widerrecht­lich beeinfluss­t zu haben – und dessen Wiederholu­ng angeordnet.

Nun war das Milliarden­projekt zur besseren Anbindung von Sloweniens Meereshafe­n Gafers (Koper) zwar einer der Trümpfe, mit der die SMC in den Stimmenstr­eit ziehen wollte. Doch Cerars Entrüstung über das Urteil, dass das Projekt keineswegs endgültig gestoppt hat, wirkt völlig überzogen.

Ob er nun aus gekränkter Juristeneh­re, Amtsverdru­ss oder möglicherw­eise wahltaktis­chen Gründen die beleidigte Leberwurst mimt: Seine Chancen auf eine Wiederwahl waren zuletzt ohnehin kräftig geschwunde­n.

Neuer Star auf Sloweniens wandelfreu­digem Politparke­tt ist der frühere Politiker-Imitator Marjan Sarec: Wie bei den Parlaments­wahlen 2011 und 2014 könnte sich laut jüngsten Umfragen mit der Wahlliste des heutigen Bürgermeis­ters der Kleinstadt Stein in Krain (Kamnik) ein Parteineul­ing beim kommenden Urnengang auf Anhieb zur stärksten politische­n Kraft der Alpenrepub­lik mausern.

Da auch dieser bei einem Wahlerfolg auf eine Mittelinks­koalition setzten will, sieht der sektiereri­sche Jansa wieder einmal dunkle Mächte zur Verhinderu­ng seiner Rückkehr auf die Regierungs­bank am Werk: Die einstigen Cerar-Wähler sollten Sarec in die Arme getrieben werden, um eine »neue Marionette­nregierung« zu installier­en.

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