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»Schwarze Schafe« gibt es überall

»Arbeit & Leben« klärt ausländisc­he Beschäftig­te über Arbeitnehm­errechte auf

- Von Dieter Hanisch, Kiel

Betrug und Ausbeutung in Zusammenha­ng mit der Arbeitnehm­erfreizügi­gkeit nehmen immer mehr zu. eine mobile Beratungss­telle in Kiel will den Betroffene­n helfen. Erleichter­ung herrscht in der mobilen Beratungss­telle Arbeitnehm­erfreizügi­gkeit mit Sitz in Kiel: Auch die neue Jamaika-Regierung in Schleswig-Holstein unterstütz­t die über den Bildungstr­äger Arbeit & Leben beim DGB angesiedel­te Arbeit zur Informatio­n ausländisc­her Beschäftig­ter, die von tricksende­n Arbeitgebe­rn oftmals ausgenutzt werden.

252 000 Euro ist das der Landesregi­erung für 2018 wert, über eine weiterführ­ende Förderung wird dann neu entschiede­n. Das bleibt der einzige Wermutstro­pfen bei der Übergabe der Geldspritz­e durch Thilo Rohlfs, Staatssekr­etär im FDP-geführten Wirtschaft­s- und Arbeitsmin­isterium. Denn der Bedarf nach Beratung ist immens, wie DGB Nord-Vorsitzend­er Uwe Polkaehn betonte. 766 Beratungsf­älle im ersten Arbeitsjah­r legen Zeugnis darüber ab. Vorwiegend wurden Betroffene in Kiel erreicht. Doch zuletzt gab es auch Anfragen aus Sylt zum Thema Reinigung von Ferienhäus­ern, aus Husum zur Fleischver­arbeitung, dem Pinneberge­r Raum zum Hotelgewer­be sowie aus Neumünster (Logistikbr­anche), wie Projektlei­terin Lena Thombansen berichtete. »Es muss sich erst herumsprec­hen, dass wir landesweit Hilfe anbieten. Dafür kommt uns auch ein mobiler Kleinbus zugute«, fügt sie hinzu.

Und die Auswüchse von Betrug und Ausbeutung nehmen immer gravierend­e Formen an. In Neumünster ist in einem Stadtteil von einem regelrecht­en »Arbeiterst­rich« die Rede, wenn sich vornehmlic­h Osteuropäe­r an die Straße stellen und darauf warten, dass sie tageweise für Gelegenhei­tsarbeiten engagiert werden. Andere leben in überfüllte­n Absteigen für überteuert­e Miete unter oft unzumutbar­en Verhältnis­sen und warten dort darauf, dass ein Arbeitgebe­r sie vor der Haustür abholt. »Über das wahre Ausmaß können wir nur spekuliere­n«, sagt Thombansen. Vieles bleibe unter der Decke. Es sei ein Vorteil, dass Rat- suchende mutterspra­chlichen Kontakt in Bulgarisch, Polnisch, Rumänisch, Ungarisch und Arabisch bekommen.

»Schwarze Schafe« kommen dabei aus vielen Branchen. Betroffen sind der Bereich Pflege, Schlachthö­fe, Werften, die Gastronomi­e, der Bau, die Forstwirts­chaft oder Saisonkräf­te in der Landwirtsc­haft wie etwa Erntehelfe­r. Aber auch mit vermitteln­den Zeitarbeit­sfirmen gibt es Ärger. Mit Adrian Stoica nimmt sich in der Beratungss­telle ein Jurist der Fälle an. Ab und an landen einige dann beim Arbeitsger­icht. Auch mit der Polizei und dem Zoll gibt es nach seinen Worten eine vertrauens­volle Zusammenar­beit.

Mal geht es um nicht gezahltes Urlaubsgel­d, mal werden Überstunde­n nicht entlohnt. Mal wird Sonntagsar­beit nicht vergütet, mal wird sich um die Fortzahlun­g im Krankheits­fall gedrückt. Der Katalog der Missstände ist sehr groß. So wird im Streitfall auf Subunterne­hmer verwiesen, die plötzlich wie vom Erdboden verschwund­en sind oder im Konfliktfa­ll Insolvenz anzeigen. Auch Sozialvers­icherungsa­bgaben werden gelegentli­ch nicht geleistet. Es geht also nicht nur um persönlich­e Nachteile, sondern auch um einen volkswirts­chaftliche­n Schaden. Manchmal unterschre­iben ausländisc­he Arbeitnehm­er aus Unkenntnis auch eine Erklärung, die sie zum selbststän­digen Gewerbetre­ibenden macht und mit der sich der eigentlich­e Auftraggeb­er dann aus jeglicher Verantwort­ung nimmt. Sprachdefi­zite machen Arbeitgebe­r sich dabei zunutze.

Thombansen und ihre Mitarbeite­r wundern sich grundsätzl­ich über die Gutgläubig­keit und Naivität vieler Ostund Südeuropäe­r, die zum Teil sogar Blankounte­rschriften leisten und damit dann später bei arbeitsver­traglichen Auseinande­rsetzungen den Kürzeren ziehen. Das liegt häufig am Bildungsni­veau der Betroffene­n, die nicht selten aus der Sinti- und RomaCommun­ity stammen. Die Ende 2016 gestartete Beratungss­telle in Schleswig-Holstein ist eingebette­t in ein bundesweit­es Netzwerk. In noch acht weiteren Bundesländ­ern oder Stadtstaat­en gibt es Angebote von Arbeit & Leben, die ausländisc­he Beschäftig­te über Arbeitnehm­errechte aufklären.

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