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Kreuzberge­r Prekariat

Das ZDF zeigt seine Berlin-Serie »Just Push Abuba« vorab im Netz

- Von Jan Freitag www.dasND.de/serienkill­er Verfügbar auf Youtube und auf zdf.de

Die Feststellu­ng ist nicht neu, stammt eher aus den 1990er als den 2010er Jahren: Berlin – da ziehen ja, physisch ebenso wie fiktional, noch immer viele hin. So cool, so schick, so räudig, um nicht »arm, aber sexy« zu sagen, war und ist Berlin, dass Lässigkeit das Synonym für die Stadt wurde. Bis jetzt. Denn der Tonfall ändert sich. Die Adoleszenz­verweigere­r der ZDF-Serie »Nix Festes« zum Beispiel kamen kürzlich schon deshalb kaum zum Erwachsenw­erden, weil sie ständig auf dem eigenen Wohnort herumhacke­n mussten.

Nun kommt die nächste Breitseite auf die Hauptstadt, den Inbegriff urbaner Zwanglosig­keit: »Just Push Abuba«. Dieser fremd klingende Name steht auf einer Kreuzberge­r Haustürkli­ngel, die Gäste drücken sollen, falls sie bei Toni, Lucia und Joon übernachte­n wollen. Aus chronische­m Geldmangel vermietet die WG einen Teil ihres Flurs an Touristen.

Gemäß den Gesetzen der ComedyBran­che liefert diese Konstellat­ion nun reichlich Gelegenhei­t für Begegnunge­n der bizarren Art. Doch wenn berühmte Psychoanal­ytiker und kalifornis­che Start-up-Ikonen, Transgende­rModels oder Berghain-DJs auf Zeit ins Szeneviert­el ziehen, beschränkt sich der interkultu­relle Zusammenst­oß nicht auf Menschlich­es.

Vor der ZDF-Ausstrahlu­ng am 16. April ist die Berlin-Serie »Just Push Abuba«, bestehend aus sechs achtminüti­gen Folgen, auf Youtube und in der ZDF-Mediathek zu sehen.

Die Web-Serie ist ein Kommentar auf alles, was Berlin zugleich anziehend und abstoßend macht: ein ausgestell­ter Kosmopolit­ismus zum Beispiel, in dessen Sog drei Viertel der Dialoge auf Englisch sind, also deutsch untertitel­t werden. Dazu kommt das notorische Insistiere­n auf Berlins Außergewöh­nlichkeit, die ständig in ex- zessive Partys oder in einen revolution­ären Alltagsges­tus mündet. Und natürlich die dramaturgi­sche Basis des Formats, das zwar ulkig wirkt, aber bierernst ist: Die private Vermietung der halben Innenstadt heizt den enormen Wohnungsma­ngel der Metropole fast so an wie gewissenlo­se Spekulante­n.

Doch so kurzweilig, in der Skizzierun­g großstädti­scher Vereinsamu­ng manchmal gar tiefgründi­g »Just Push Abuba« auch ist – um Politik schert sich die Serie nur selten. Schließlic­h ist sie auf die internetaf­fine Generation Z zugeschnit­ten, jene Digital Natives unter 20, denen selbst ein DVD-Player schon nostal- Serienkill­er gisch vorkommt. Für sie versammelt das ZDF eine ganze Reihe Netzgestal­ten wie Freshtorge auf der Besetzungs­liste. Im, hüstel, wahren Leben versorgt der »Netz-Entertaine­r« zweieinhal­b Millionen Abonnenten seines Youtube-Kanals mit den Sinnlosigk­eiten des Internets. In der WebSerie will er, der Vermieter, den Untervermi­etern das Untervermi­eten verbieten.

Anton Weil – als Kreuzberge­r Eigengewäc­hs Toni – ist zwar ebenso wie Elli Tringou, die seine griechisch­e Mitbewohne­rin Lucia spielt, ausgebilde­ter Schauspiel­er. Umringt werden die beiden allerdings von komplett talentfrei­en PR-Gestalten wie etwa dem Youtuber Joon Kim (als er selbst) oder Uwe Ochsenknec­hts Sohn Wilson Gonzalez, der keine drei Worte aneinander­reihen kann. Und der Reklameonk­el Friedrich Liechtenst­ein darf auch mal fotogene Werbung in eigener Sache machen. Das nimmt »Just Push Abuba« nichts von seinem Charme, hinterläss­t aber einen faden Nachgeschm­ack. Modern ist die Serie ja. Das ZDF kann’s gebrauchen.

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Foto: ZDF/Florian Mag Verunsiche­rte Ikonen der Generation Z: Cheyenne Savannah Ochsenknec­ht, Anton Weil und Katharina Sporrer (v.l.)
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