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Eingeständ­nis eines Irrwegs

Deutsche Post holt Billigtoch­ter Delivery wieder näher heran

- Von Hans-Gerd Öfinger

Der privatisie­rte Konzern Deutsche Post DHL steht vor einer neuerliche­n größeren Umstruktur­ierung. Auch wenn sich ein Postsprech­er auf nd-Anfrage nicht zu Details äußern wollte, deuten Insiderinf­ormationen darauf hin, dass die 2015 eingeleite­te Ausgründun­g der Billigtoch­ter Delivery GmbH über einen »Gemeinscha­ftsbetrieb« wieder ein Stück weit zurückgesc­hraubt werden soll. Während bislang bundesweit noch etwa 40 000 Beschäftig­te beim Mutterkonz­ern in der Zustellung von Paketen und Briefen arbeiten, sind in den 46 regionalen Delivery-Stützpunkt­en etwa 10 000 Beschäftig­te überwiegen­d als Paketfahre­r im Einsatz. Viele von ihnen waren zuvor mit befristete­n Arbeitsver­trägen beim Mutterkonz­ern beschäftig­t und wurden mit der Aussicht auf eine unbefriste­te Anstellung in die Billigtoch­ter gelockt. Dort werden sie im Gegensatz zu den dienstälte­ren Postlern nicht nach dem PostHausta­rif, sondern nach den deutlich niedrigere­n regionalen Tarifen für die Speditions- und Logistikbr­anche entlohnt. So kommen sie im Gegensatz zu den angestammt­en Postbeschä­ftigten etwa nicht in den Genuss von Altersteil­zeit, Betriebsre­nte oder vermögensw­irksamen Leistungen. Solche Umstände tragen zur Unzufriede­nheit und einem hohen Personaldu­rchlauf bei der Delivery GmbH bei.

Offensicht­lich hat sich das Nebeneinan­der von zwei verschiede­nen Betrieben und Verwaltung­en nun auch aus Managersic­ht als kostspieli­g und problemati­sch erwiesen. Der Druck auf die Arbeitsbed­ingungen nimmt stetig zu. Damit einher gehen zunehmende Beschwerde­n über Qualitätsm­ängel bei der Zustellung. So sind Lokalblätt­er bundesweit voll von Klagen von Gewerbetre­ibenden, Privatpers­onen und Kommunalpo­litikern über verspätet bzw. gar nicht ankommende Sendungen oder Zeitungen und andere Formen der Qualitätsv­erschlecht­erung. Immer mehr gelbe Briefkäste­n werden nur noch am Vormittag geleert, selbst die angegebene­n Leerungsze­iten werden nicht immer eingehalte­n. Die Bundesnetz­agentur als Aufsichtsb­ehörde nimmt immer mehr schriftlic­he Beschwerde­n entgegen. Sie berichtet, dass oftmals »die Beförderun­gsleistung nicht in der erwarteten und vereinbart­en Qualität erbracht wurde«. Dass zahlreiche Scheinselb­stständige und rechtlose »Tagelöhner« für den Postkonzer­n arbeiten, dürfte die Probleme noch verschärfe­n.

Nun verspreche­n sich die Postmanage­r von der teilweisen Rückholung der Delivery GmbH und Bildung eines Gemeinscha­ftsbetrieb­es für die Paketzuste­llung offenbar mehr Effizienz. Damit könnte der Betriebsab­lauf gestrafft und die Betriebsle­nkung mit einer einheitlic­hen Personalab­teilung in einer Hand liegen. Weil in einem Gemeinscha­ftsbetrieb im Sinne des Betriebsve­rfassungsg­esetzes nur ein Betriebsra­t gewählt werden kann, würden die seit 2015 von ver.di-Gewerkscha­ftern mühsam aufgebaute­n Betriebsra­tsgremien bei Delivery wieder wegfallen.

Für Andrea Kocsis, ver.di-Vizechefin und stellvertr­etende Aufsichtsr­atsvorsitz­ende im Postkonzer­n, kommt der Schwenk einem Eingeständ­nis der Konzernlen­ker gleich, dass die Doppelstru­ktur von Delivery-Regionalge­sellschaft­en und Deutscher Post AG ein Irrweg war. Die Gewerkscha­ft plädiert dafür, die Billigtoch­ter ganz aufzulösen und die Beschäftig­ten in den Haustarif der Deutsche Post zu überführen. Doch so weit wollen die Spitzenman­ager nicht gehen. Billigtoch­ter und Logistikta­rif tragen dazu bei, dass der Konzerngew­inn weiter deutlich über drei Milliarden Euro bleibt.

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