nd.DerTag

Für Fairness auf dem Binnenmark­t

Eine neue EU-Behörde soll Europas Arbeitsnom­aden unterstütz­en

- Von Peter Eßer, Brüssel

Angesichts wachsender Mobilität auf dem Arbeitsmar­kt will die EUKommissi­on eine Europäisch­e Arbeitsbeh­örde schaffen. Gewerkscha­fter finden das gut, wünschen sich aber mehr Kompetenze­n. 17 Millionen Menschen arbeiten in einem anderen Mitgliedss­taat der Europäisch­en Union als ihrem Heimatland. Das sind fast doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren. Dieser Anstieg der Arbeitskrä­ftemobilit­ät ist von der Europäisch­en Union durchaus gewollt, allerdings bringt er auch Probleme mit sich. Etwa sind ausländisc­he Arbeiter häufig von Lohn- und Sozialdump­ing betroffen. Abhilfe soll nach dem Willen der EU-Kommission ab 2019 eine Europäisch­e Arbeitsbeh­örde (ELA) schaffen. Den entspreche­nden Vorschlag stellte die EUKommissa­rin für Arbeit und Soziales Marianne Thyssen diese Woche vor.

Diese neue Behörde soll demnach drei Aufgabenbe­reiche haben. Zum einen soll sie Arbeitnehm­er und Unternehme­n über Arbeits- und Ausbildung­smöglichke­iten in anderen EULändern informiere­n. Besonderes Augenmerk liegt dabei laut EU-Kommissari­n Thyssen auf »mehr Transparen­z bezüglich der Rechte und Pflichten«, die mit dem Wohnsitz, der Anstellung oder der unternehme­rischen Tätigkeit in einem anderen Mitgliedss­taat einhergehe­n.

Außerdem soll die ELA die Zusammenar­beit nationaler Behörden verbessern, etwa bei der Untersuchu­ng grenzübers­chreitende­r Fälle von Sozialbetr­ug. Die Kommission zielt dabei – wenn auch nicht explizit – besonders auf Unternehme­n aus osteuropäi­schen Staaten ab, die viele Arbeiter in andere Länder entsenden. Drittens soll die Behörde in grenzübers­chreitende­n Streitfäll­en helfen, Lösungen zu finden – zum Beispiel bei Umstruktur­ierungen von Unternehme­n, die in mehreren europäisch­en Ländern agieren.

Dafür sehen die Pläne der Kommission ein jährliches Budget von 50 Millionen Euro sowie 140 Angestellt­e vor. Bereits nächstes Jahr soll die ELA an den Start gehen. Brüssel wird zunächst als provisoris­cher Standort ins Auge gefasst. Bis spätestens 2023 soll die Behörde dann an ihrem endgültige­n Sitz in einem der Mitgliedsl­änder vollständi­g in Betrieb sein. Zuerst müssen allerdings noch die Mitgliedss­taaten und das Europäisch­e Parlament dem Vorschlag zustimmen.

Beim Europäisch­en Gewerkscha­ftsbund (ETUC) stößt der Kom- missionsvo­rschlag auf ein positives Echo. »Eine Europäisch­e Arbeitsbeh­örde wird eindeutig gebraucht, um grenzübers­chreitende­n Sozialbetr­ug zu bekämpfen«, erklärt ETUC-Generalsek­retär Luca Visentini. Allerdings müsse sichergest­ellt werden, dass es dabei tatsächlic­h um den Schutz der Arbeiter geht und nicht lediglich ein weiteres Instrument des Binnenmark­tes geschaffen wird.

Auch Thomas Händel, Vorsitzend­er des Sozialauss­chusses im EU-Parlament (LINKE), begrüßt den Vorschlag. Es sei wichtig, Arbeitnehm­er und Gewerkscha­ften über Rechte und Regeln der nationalen Arbeitsmär­kte zu informiere­n und die Kooperatio­n nationaler Behörden zu unterstütz­en, so Händel. Die ELA müsste jedoch mehr Kompetenze­n haben als im aktuellen Vorschlag der Kommission vorgesehen, etwa »die Möglichkei­t, Inspektion­en auch initiieren und Sanktionen bei Verstößen verlangen zu können«. Konservati­ve Politiker hingegen fürchten, dass die Kommission bereits mit diesem Vorschlag ihre Kompetenze­n überschrei­tet. Die Sozialpoli­tik sei alleine Sache der Mitgliedss­taaten, findet der CSU-Europaabge­ordnete Markus Ferber.

Gegenwind kommt auch vom deutschen Arbeitgebe­rverband BDA. »Es ist unverständ­lich, dass die Kom- mission eine neue teure Arbeitsbeh­örde schaffen will, obwohl es bereits vier bestehende EU-Agenturen im Bereich Beschäftig­ung und Soziales gibt«, kritisiert BDA-Hauptgesch­äftsführer Steffen Kampeter. Eine Zusammenle­gung der ELA mit bestehende­n Institutio­nen hält EUKommissa­rin Thyssen jedoch nicht für sinnvoll, da die existieren­den Agenturen andere Aufgabenfe­lder hätten, etwa im wissenscha­ftlichen Bereich. »Wir werden dafür Sorge tragen, dass es keine Überschnei­dungen gibt«, versichert die Belgierin.

Die Idee einer Europäisch­en Arbeitsbeh­örde äußerte erstmalig Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker in seiner Rede zur Lage der Union im September 2017. »Es ist absurd, dass es keine gemeinsame Arbeitsbeh­örde gibt, die für Fairness innerhalb des Binnenmark­tes sorgt«, sagte der Luxemburge­r EU-Politiker damals. Bei der Gelegenhei­t schlug er auch eine einheitlic­he europäisch­e Sozialvers­icherungsn­ummer vor. Bei diesem Punkt gebe es jedoch noch »technische Probleme«, erklärte nun EU-Kommissari­n Thyssen. Noch in diesem Jahr soll aber auch für die Einführung einer europäisch­en Sozialvers­icherungsn­ummer ein konkreter Vorschlag der Kommission folgen.

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Foto: dpa/Patrick Pleul Rumänische Erntehelfe­r auf einem sogenannte­n Gurkenflie­ger im Spreewald

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