Für Fairness auf dem Binnenmarkt
Eine neue EU-Behörde soll Europas Arbeitsnomaden unterstützen
Angesichts wachsender Mobilität auf dem Arbeitsmarkt will die EUKommission eine Europäische Arbeitsbehörde schaffen. Gewerkschafter finden das gut, wünschen sich aber mehr Kompetenzen. 17 Millionen Menschen arbeiten in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union als ihrem Heimatland. Das sind fast doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren. Dieser Anstieg der Arbeitskräftemobilität ist von der Europäischen Union durchaus gewollt, allerdings bringt er auch Probleme mit sich. Etwa sind ausländische Arbeiter häufig von Lohn- und Sozialdumping betroffen. Abhilfe soll nach dem Willen der EU-Kommission ab 2019 eine Europäische Arbeitsbehörde (ELA) schaffen. Den entsprechenden Vorschlag stellte die EUKommissarin für Arbeit und Soziales Marianne Thyssen diese Woche vor.
Diese neue Behörde soll demnach drei Aufgabenbereiche haben. Zum einen soll sie Arbeitnehmer und Unternehmen über Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten in anderen EULändern informieren. Besonderes Augenmerk liegt dabei laut EU-Kommissarin Thyssen auf »mehr Transparenz bezüglich der Rechte und Pflichten«, die mit dem Wohnsitz, der Anstellung oder der unternehmerischen Tätigkeit in einem anderen Mitgliedsstaat einhergehen.
Außerdem soll die ELA die Zusammenarbeit nationaler Behörden verbessern, etwa bei der Untersuchung grenzüberschreitender Fälle von Sozialbetrug. Die Kommission zielt dabei – wenn auch nicht explizit – besonders auf Unternehmen aus osteuropäischen Staaten ab, die viele Arbeiter in andere Länder entsenden. Drittens soll die Behörde in grenzüberschreitenden Streitfällen helfen, Lösungen zu finden – zum Beispiel bei Umstrukturierungen von Unternehmen, die in mehreren europäischen Ländern agieren.
Dafür sehen die Pläne der Kommission ein jährliches Budget von 50 Millionen Euro sowie 140 Angestellte vor. Bereits nächstes Jahr soll die ELA an den Start gehen. Brüssel wird zunächst als provisorischer Standort ins Auge gefasst. Bis spätestens 2023 soll die Behörde dann an ihrem endgültigen Sitz in einem der Mitgliedsländer vollständig in Betrieb sein. Zuerst müssen allerdings noch die Mitgliedsstaaten und das Europäische Parlament dem Vorschlag zustimmen.
Beim Europäischen Gewerkschaftsbund (ETUC) stößt der Kom- missionsvorschlag auf ein positives Echo. »Eine Europäische Arbeitsbehörde wird eindeutig gebraucht, um grenzüberschreitenden Sozialbetrug zu bekämpfen«, erklärt ETUC-Generalsekretär Luca Visentini. Allerdings müsse sichergestellt werden, dass es dabei tatsächlich um den Schutz der Arbeiter geht und nicht lediglich ein weiteres Instrument des Binnenmarktes geschaffen wird.
Auch Thomas Händel, Vorsitzender des Sozialausschusses im EU-Parlament (LINKE), begrüßt den Vorschlag. Es sei wichtig, Arbeitnehmer und Gewerkschaften über Rechte und Regeln der nationalen Arbeitsmärkte zu informieren und die Kooperation nationaler Behörden zu unterstützen, so Händel. Die ELA müsste jedoch mehr Kompetenzen haben als im aktuellen Vorschlag der Kommission vorgesehen, etwa »die Möglichkeit, Inspektionen auch initiieren und Sanktionen bei Verstößen verlangen zu können«. Konservative Politiker hingegen fürchten, dass die Kommission bereits mit diesem Vorschlag ihre Kompetenzen überschreitet. Die Sozialpolitik sei alleine Sache der Mitgliedsstaaten, findet der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber.
Gegenwind kommt auch vom deutschen Arbeitgeberverband BDA. »Es ist unverständlich, dass die Kom- mission eine neue teure Arbeitsbehörde schaffen will, obwohl es bereits vier bestehende EU-Agenturen im Bereich Beschäftigung und Soziales gibt«, kritisiert BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter. Eine Zusammenlegung der ELA mit bestehenden Institutionen hält EUKommissarin Thyssen jedoch nicht für sinnvoll, da die existierenden Agenturen andere Aufgabenfelder hätten, etwa im wissenschaftlichen Bereich. »Wir werden dafür Sorge tragen, dass es keine Überschneidungen gibt«, versichert die Belgierin.
Die Idee einer Europäischen Arbeitsbehörde äußerte erstmalig Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seiner Rede zur Lage der Union im September 2017. »Es ist absurd, dass es keine gemeinsame Arbeitsbehörde gibt, die für Fairness innerhalb des Binnenmarktes sorgt«, sagte der Luxemburger EU-Politiker damals. Bei der Gelegenheit schlug er auch eine einheitliche europäische Sozialversicherungsnummer vor. Bei diesem Punkt gebe es jedoch noch »technische Probleme«, erklärte nun EU-Kommissarin Thyssen. Noch in diesem Jahr soll aber auch für die Einführung einer europäischen Sozialversicherungsnummer ein konkreter Vorschlag der Kommission folgen.