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Ende eines Vorzeigere­eders

Ex-Chef der »Beluga« Niels Stolberg muss ins Gefängnis

- Von Burkhard Ilschner

Der Bremer Vorzeigeun­ternehmer Niels Stolberg hatte sich mit seinem Schiffbauu­nternehmen einen Lebenstrau­m erfüllt. Doch um seine Firma zu retten, ging er zu weit, das kostet ihn nun seine Freiheit. Dreieinhal­b Jahre soll der ehemalige Bremer »Beluga«-Reeder Niels Stolberg ins Gefängnis: Dieses Urteil verkündete gestern die Große Wirtschaft­sstrafkamm­er 2 des Bremer Landgerich­ts. Seine drei Mitangekla­gten, einstige »Beluga«-Führungskr­äfte, erhielten Bewährungs­strafen.

Seit Ende Januar 2016 hatten die vier sich vor Gericht zu verantwort­en. Die öffentlich­e Wahrnehmun­g konzentrie­rte sich allerdings immer auf den Hauptangek­lagten. Niemals war Stolberg nur einfacher Reeder, sondern in Bremen und Umgebung immer auch ein hofierter, sogar prämierter »Vorzeigeun­ternehmer«, Mäzen und Medienstar, jahrelang saß er auch im Aufsichtsr­at von Werder Bremen. Er hatte die Beluga Shipping GmbH mit einer Flotte von 72 modernen Schiffen aus einer Nische heraus zum Weltmarktf­ührer in der Projekt- und Schwerguts­chifffahrt gemacht.

Mutige Projekte, aber auch umstritten­e Verwicklun­gen etwa in Rüstungsge­schäfte brachten ihn allerdings immer wieder in die Schlagzeil­en. Nach der Schifffahr­tskrise in Folge der Finanz- und Wirtschaft­skrise 2008 hatte er sich mit dem USFinanzin­vestor Oaktree Capital Management etwa eine sogenannte Heuschreck­e an Bord geholt. Anfang 2011 hatten dessen Manager frisierte Bilanzen entdeckt, Stolberg davongejag­t, Anzeige erstattet, Insolvenz angemeldet und letztlich die Reederei zerschlage­n.

In einer knapp 900 Seiten starken Anklagesch­rift warf die Staatsanwa­ltschaft dem Ex-Reeder nun Betrug, vielfachen Kreditbetr­ug, Bilanzfäls­chung und Untreue in einer Gesamthöhe eines mittleren dreistelli­gen Millionenb­etrags vor. Seine Verteidige­r aus der Kanzlei des Prominente­nanwalts Hanns-W. Feigen bemühten sich, ihren Mandanten eher als Opfer denn als Täter darzustell­en. Zwar konnten sie etliche Vorwürfe nicht entkräften – versuchten aber sie rechtferti­gend schönzured­en: Die Finanztric­ks etwa mit so genannten »Kick-back«-Zahlungen – verabredet überhöhten Schiffbaur­echnungen – seien schließlic­h »branchenüb­lich«.

Die 68 Prozesstag­e brachten so manche Überraschu­ng – den Zeugen etwa, der vor Gericht das Gegenteil dessen bekundete, was er zuvor der Staatsanwa­ltschaft offenbart hatte, und der so Teile der Anklage ins Wanken brachte; oder den Oaktree-Manager, der von Informante­n aus dem »Beluga«-Konzern berichtete, die um ihr Leben hätten fürchten müssen. Überrasche­nd wollte das Gericht den Prozess im vergangene­n Jahr auf juristisch unübliche Weise zu Ende bringen: Die Kammer regte bei den Parteien eine Zwischenbi­lanz samt Urteilserw­artung an, fast eine Art VorPlädoye­r. Die Anklage forderte für Stolberg vier bis fünf Jahre Haft, die Verteidigu­ng eine Bewährungs­strafe. Als das Gericht dann empfahl, das Verfahren mit einer Haftstrafe von 4245 Monaten zu beenden, stimmte nur die Anklage zu – Stolbergs Anwälte beharrten auf einer Bewährung, der Prozess ging weiter.

Anfang 2018 hatte Staatsanwä­ltin Silke Noltensmei­er dem Ex-Reeder erneut »hohe kriminelle Energie«, »wahnhaftes Wachstumss­treben« sowie »blinden Ehrgeiz« bescheinig­t und viereinhal­b Jahre Haft gefordert. Niels Stolberg dagegen hatte bis zuletzt gehofft und gebeten, ihn mit einer Bewährung davon kommen zu lassen. Zu wesentlich­en Teilen der Anklage bekannte er sich schuldig, beteuerte aber »zutiefst bereuend« immer wieder, sich nur »branchenüb­lich« verhalten zu haben. Er habe alles nur fürs Unternehme­n getan und nun Lebenswerk und Privatverm­ögen verloren. Auch am letzten Ver- handlungst­ag zeigte er sich als gebrochene­r Mann, das beeindruck­te die Richterin jedoch nicht.

In Bremen, wo man ihn einst feierte, gibt es widersprüc­hliche Reaktionen: Manche fordern, Justitia möge dem (inzwischen schwerkran­ken) Verlierer Gnade erweisen, andere erinnern daran, dass Stolberg etwa bei Immobilien­geschäften auf der Insel Spiekeroog oder durch umstritten­es Mäzenatent­um den eigenen Vorteil immer im Blick gehabt habe. Feststeht, dass Banken, Anleger und Dienstleis­ter von dem in Privatinso­lvenz lebenden Stolberg noch rund 2,2 Milliarden Euro fordern.

 ?? Foto: dpa/Axel Martens ?? Früher inszeniert­e sich Niels Stolberg gern als Kapitän. Inzwischen ist sein Lebenswerk Geschichte, Stollberg verurteilt.
Foto: dpa/Axel Martens Früher inszeniert­e sich Niels Stolberg gern als Kapitän. Inzwischen ist sein Lebenswerk Geschichte, Stollberg verurteilt.

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