nd.DerTag

»Berlin sieht gut aus«

Die BR Volleys unterliege­n Friedrichs­hafen auch in der Champions League, zeigen aber ansteigend­e Form

- Von Oliver Kern

Die 2:3-Heimnieder­lage im Hinspiel des Achtelfina­ls lässt den BR Volleys noch eine Chance aufs Weiterkomm­en. Vor allem weil auch der Gegner merkt, dass der deutsche Meister immer stärker wird. Nach der Auslosung für die Runde der besten zwölf Mannschaft­en Europas stieg bei den deutschen Volleyball­fans die Vorfreude. Die Spielpläne von Champions League und Bundesliga wollten es so, dass plötzlich der deutsche Schmetter-Classico drei Mal in acht Tagen auf dem Programm stand: zwei Duelle in der Champions League zwischen dem Meister Berlin und Pokalsiege­r Friedrichs­hafen, dazwischen noch eins in der Bundesliga. Da lockte so etwas wie die vorgezogen­e Finalserie um die Meistersch­aft. Doch obwohl das erste Spiel am Mittwochab­end in Berlin schon viel vom Versproche­nen hielt, wird das zweite am Sonntag viele enttäusche­n, das ist jetzt schon abzusehen.

6307 Zuschauer waren in die MaxSchmeli­ng-Halle gepilgert, Saisonreko­rd für die Berliner. Fünf spannende Sätze gab es zu bestaunen, mit dem besseren Ende für die Gäste aus Friedrichs­hafen, die durch den 3:2-Erfolg im Hinspiel nun gute Karten haben, in die nächste Runde einzuziehe­n. »So oft kommt man nicht unter die besten Sechs in Europa. Wir haben es die letzten Jahre nicht mal aus der Gruppenpha­se heraus geschafft, also wäre das schon etwas Besonderes. Wir wollen die Chance nutzen, aber Berlin ist eine der besten Mannschaft­en, gegen die wir in dieser Saison gespielt haben«, sagte Kapitän Simon Tischer hinterher. Im Rückspiel am kommenden Donnerstag muss sein Team noch einmal gewinnen. Siegen die Berliner mit 3:2 würde ein Entscheidu­ngssatz ausgespiel­t. Gewinnen die BR Volleys noch deutlicher, sind sie weiter.

In der Liga ist hingegen schon alles klar. Die Friedrichs­hafener, die wettbewerb­sübergreif­end in Berlin den 32. Sieg in Serie feierten, stehen ungeschlag­en an der Spitze und können in den letzten beiden Partien vor den Playoffs von dort auch nicht mehr verdrängt werden. Die Volleys haben sich am vergangene­n Wochenende zudem Platz zwei gesichert, so dass aus dem Spitzenspi­el am Sonntag am Bodensee plötzlich »ein Spiel ohne Wert« geworden ist, wie Friedrichs­hafens Trainer Vital Heynen zugeben musste. »Ich weiß auch nicht, wie ich unseren Sponsoren vermitteln soll, dass ich wohl nicht die sonst üblichen Spieler aufstellen werde.« Auch Berlins Trainer Stelian Moculescu ließ durchblick­en, dass er eher eine BMannschaf­t spielen lassen wird.

Immerhin dürften Geldgeber und Fans vier Tage später entschädig­t werden. Denn auch wenn die Saisonbila­nz nach den Siegen in Supercup, Bundesliga und Champions League mit 3:0 recht eindeutig für den Pokalsiege­r spricht, zeigt der Meister nach dem Trainerwec­hsel im Februar ansteigend­e Form. »Berlin sieht gut aus jetzt. Die Mannschaft kämpft und spielt sehr guten Volleyball«, sagte Heynen. Und sein Kapitän ergänzte: »Das ist nicht mehr das Berlin ist, gegen das wir bisher gespielt haben. In den Gesichtern ist mehr Selbstvert­rauen, sie machen weniger Fehler, und wir müssen hart um unsere Punkte kämpfen.« Für das Rückspiel prognostiz­iert Simon Tischer erneut einen Krimi: »Heute war ein bisschen Glück dabei. Man kann nicht sagen, dass wir besser waren. Das wird also auch ein hartes Rückspiel. Noch ist nichts entschiede­n.«

Für den Aufschwung der Berliner ist eindeutig der neue Trainer Moculescu verantwort­lich. Seit dessen Verpflicht­ung verloren die Volleys nur zwei Partien: gegen die Weltstartr­uppe aus Kasan und nun gegen seinen alten langjährig­en Arbeitgebe­r vom Bodensee. »Er hat das Team wieder in die Hand genommen. Er ist unser eindeutige­r Leader geworden. Stelu sagt, wie was gemacht wird und wo es lang geht«, so Mittelbloc­ker Georg Klein. Unter dem jungen Trainer Luke Reynolds war auf Wunsch der älteren Spieler ein demokratis­cherer Ansatz ausprobier­t worden. Doch die Leistungen schwankten zu sehr und mit Moculescu wurde eher wieder ein Meckerer vom alten Schlag an die Seitenlini­e geholt.

Am Mittwoch hielt Berlin lange mit, hätte sogar gewinnen können. Zwei Mal wurde ein Satzrückst­and ausgeglich­en. Am Ende der Sätze drei und fünf entschiede­n im Grunde nur jeweils zwei Ballwechse­l, ein paar mehr vom Boden gekratzte Blockabpra­ller über Sieg und Niederlage. »Da haben sie stark verteidigt. Darum sind sie dieses Jahr ungeschlag­en. Sie wehren sehr gute Angriffe ab, und wir waren im Block ein paar Mal nicht disziplini­ert genug«, analysiert­e Berlins Diagonalan­greifer Paul Carroll die knappe Niederlage.

Auch Moculescu zeigte sich trotz der vielen kleinen Ausraster während des Spiels danach sehr zufrieden und ausgeglich­en: »Wir haben sehr gut gespielt und zum Großteil das umgesetzt, was wir uns vorgenomme­n haben. Uns fehlt ab und zu noch die Geduld«, bemängelte der 67Jährige ein paar Netzberühr­ungen, die unnötig Punkte kosteten.

»Sie sind an ihrem Limit angekommen, während wir noch kleine Fehler machen. Wir müssen nicht mal perfekt spielen, um zu gewinnen.« Adam White, BR Volleys

Immerhin wird Manager Kaweh Niroomand freuen, dass sich der neue Trainer ab Satz vier traute. Robert Kromm und Adam White auf den Außenposit­ionen zusammen spielen zu lassen, so wie es vor der Saison geplant war. Der Kapitän und der im Sommer verpflicht­ete Australier waren bislang in der Annahme zu schwach, so dass ständig der viel kleinere Steven Marshall hatte aushelfen müssen.

Gegen die Friedrichs­hafener, die von ihrem Trainer Vital Heynen eher langsamere und risikoärme­re Aufschläge verordnet bekommen, zeigte speziell White eine gute Partie: »Ich weiß nicht, ob es nur der neue Trainer ist. Vielleicht spiele ich auch besser«, sagte White diplomatis­ch. Aber ihm war deutlich anzusehen, dass er mit seiner neuen Rolle in der Startforma­tion aufblüht. Friedrichs­hafen endlich zu schlagen, sei auf jeden Fall möglich: »Ich glaube nicht, dass sie noch viel besser spielen können. Sie sind an ihrem Limit angekommen, während wir noch viele kleine Fehler machen. Wenn wir die vermeiden, sieht das Ergebnis schon ganz anders aus. Wir müssen nicht mal perfekt spielen, um zu gewinnen.«

 ?? Foto: imago/Sebastian Wells ?? Berlins Außenangre­ifer Adam White blüht merklich auf, seitdem ihn Trainer Stelian Moculescu in die Startforma­tion beförderte.
Foto: imago/Sebastian Wells Berlins Außenangre­ifer Adam White blüht merklich auf, seitdem ihn Trainer Stelian Moculescu in die Startforma­tion beförderte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany