Spahn verteidigt Abtreibungsgegner
Gesundheitsminister provoziert mit konservativer Stimmungsmache
Berlin. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat Rufe nach einer Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen scharf kritisiert und heizt damit auch den koalitionsinternen Streit wieder an. »Mich wundern die Maßstäbe: Wenn es um das Leben von Tieren geht, da sind einige, die jetzt für Abtreibungen werben wollen, kompromisslos«, sagte er der »Bild am Sonntag«. »Aber in dieser Debatte wird manchmal gar nicht mehr berücksichtigt, dass es um ungeborenes menschliches Leben geht.«
Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach warf Spahn vor, mit seiner Zuspitzung zu spalten, was ungut für die Debatte sei. »Es geht nicht um Werbung für Abtreibung, sondern neutrale Information«, schrieb Lauterbach am Sonntag bei Twitter. LINKE-Fraktionsgeschäftsführer Jan Korte sagte: »Immer wieder sonntags: Jens Spahn muss etwas Rückschrittliches erklären.« Am vergangenen Wochenende hatten Äußerungen des konservativen CDU-Politikers zu Hartz-IV-Sozialleistungen für Wirbel gesorgt.
Es ist schon oft, auch in dieser Zeitung, darüber geschrieben und davor gewarnt worden, wie rasant es der AfD gelingt, zahlreiche politische Diskurse sprachlich wie inhaltlich nach rechts zu verschieben. Neu dagegen ist, wie unverhohlen inzwischen auch Stimmen des bürgerlichen Lagers nun aus ihrer Deckung kommen und sich an faktenbefreiter Stimmungsmache beteiligen. Im Zweifel stellen sich konservative Stimmen wie Henryk M. Broder in den Dienst einer Bewegung, die fließende Übergänge bis tief hinein ins völkisch-nationale Lager nicht scheut, und verkleiden dies nur schemenhaft in ein Einstehen für die Meinungsfreiheit.
Die »Erklärung 2018« solidarisiert sich mit jenen, die vermeintlich friedlich gegen »Masseneinwanderung« protestieren. Gemeint ist etwa der Berliner »Frauenmarsch« von Mitte Februar, der nichts mit Feminismus, wohl aber mit einem Kameradschaftsreffen von Pegida, Identitären, NPD und vielen anderen Rechtsradikalen gemein hatte. Wer solche Personen unterstützt, nimmt den Schulterschluss auch mit jenen hin, die Anschläge auf Geflüchtete als verzweifelten Aufstand des »deutschen Volkes« interpretieren.
Bedenklich ist: Die Geschichte lehrt uns, wohin eine »konservative Revolution« führt. Und die sogenannte Neue Rechte ist letztlich nichts anderes als ein umetikettierter brauner Aufguss.