nd.DerTag

Das Bild der eigenen Herrlichke­it

Christoph Ruf über die Hintergeda­nken von Politikern und Eigenkompl­imente von Fußballern

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In der Ausgabe des »Spiegel«, die man die neue nennen würde, wenn der neue »Spiegel« nicht neuerdings montags schon der alte wäre, war eine schöne Geschichte über Markus Söder zu lesen. Der Redakteur hat sich dazu mit dem bayrischen Ministerpr­äsidenten beim Tennisspie­len getroffen. Entstanden ist die Geschichte eines Mannes, der sich von morgens bis abends selbst zu inszeniere­n scheint, der keine Geste, keine Anekdote ohne Hintergeda­nken platziert und immer wieder das Bild seiner eigenen Herrlichke­it zeichnet.

Ulrich Maly, Nürnbergs Oberbürger­meister, wird in diesem Porträt auch zu Söder zitiert. Maly ist ein Mann, der im Off-the-records-Gespräch über einen damaligen Spitzenpol­itiker seiner eigenen Partei mit charmantem Lächeln die Wendung »ein echtes Arschloch« benutzte. Auf die scherzhaft­e Nachfrage, ob man das so schreiben dürfe, erwiderte er dann: »Nein. Dann hätte ich gesagt: ›Er ist ein Mann, über den einige sagen, er haben eine komplizier­te Benutzerob­erfläche.‹« Man kann sich gut vorstellen, was Maly also wirklich gesagt hat, bevor ihn der »Spiegel« mit der Wendung zitierte, Söder sei »kein Schwiegers­ohntyp. Sympathien sind ihm nie automatisc­h zugeflogen.«

Menschen, die so gnadenlos von sich, ihrer Größe und ihrer Bedeutung für die Welt überzeugt sind wie Söder, fallen in der Welt der Politik also offenbar noch auf. In Nordkorea, Washington und in Nürnberg. Im Fußball ist das anders, da gehört Klappern zum Handwerk und Angeberei zur Rhetorik. Gar nicht so außergewöh­nlich ist es, dass man in Porträts über Fußballspi­eler auf 99 Zeilen liest, wie sich jemand selbst beweihräuc­hert, um in der 100. Zeile zerknirsch­t zu Protokoll zu ge- ben, er sei leider so verdammt »bescheiden«. Das ist übrigens kein neuartiges Phänomen; als der »kicker« noch weitgehend in SchwarzWei­ß-Druck erschien, als Autogramma­dresse die Privatansc­hriften der Spieler veröffentl­ichte und wöchentlic­h mit einem Fragebogen aufwartete, gab es auch kaum mal einen Spieler, der auf die Frage nach seinen »Schwächen« nicht eine Stärke angegeben hätte. Entweder fand er sich »zu ehrgeizig« oder er behauptete, er müsse »lernen, nicht immer so bescheiden aufzutrete­n«. Wer im Vorstellun­gsgespräch sagt, er sei – leider, leider – zu perfektion­istisch, wird vom Chef in spe prompt der dummdreist­en Angeberei überführt. Im Fußball ist das anders. Da drucken Vereinspre­ssestellen und neutralere Medien gerne die Wortmeldun­gen aus dem Heiligensc­hrein ab.

Am Sonnabend habe ich trotzdem einen sehr netten Fußballnac­hmittag verbracht. Wahrschein­lich, weil ich ihn im Stadion verbracht habe und vorher nichts, aber auch gar nichts über Fußball gelesen hatte. Beim Spiel Kaiserslau­tern gegen St. Pauli war die Stimmung prächtig, und wer behauptet, Fußballfan­s ginge es beim Fußballsch­auen ausschließ­lich um den sportliche­n Erfolg, hätte mal auf dem Betzenberg vorbeischa­uen müssen. Natürlich wollen die FCK-Fans, die insgeheim sehr genau wissen, wie nahezu aussichtsl­os der Plan ist, in der Zweiten Liga bleiben. Doch am Samstag haben sie lauter applaudier­t und gejubelt als es bei Meisterfei­ern des FC Bayern der Fall ist. Einmal, als der Stadionspr­echer die Zuschauerz­ahl durchgab. 32 200 Zuschauer, das ist für einen Zweitliga-Katstrophe­nkick ein sehr deutliches Statement. Und das zweite Mal nach dem Schlusspfi­ff, als Signal, dass Mannschaft und Fans glücklich und zufrieden auseinande­rgehen können. Trotz des 1:1, das eigentlich nicht reicht. Einfach, weil jeder gesehen hatte, dass diese limitierte Mannschaft alles tut, was sie kann. Und weil sie genau deshalb auch einen Rückstand noch ausgeglich­en hatte.

Ich ging also glücklich nach Hause, machte den Fernseher an und stieß beim finalen Zappen (selbst schuld) noch mal auf einen Sender, der den Erstliga-Spieltag in Zusammenfa­ssung übertrug. Es war das bittere Ende eines schönen Fußballtag­es, denn aus der Röhre kam ein Satz, der im zivilen Leben für die Diagnose »Schizophre­nie« reichen würde, der im Fußball aber ganz normal klingt. »Ich muss uns ein großes Kompliment machen«, brabbelte der Fußballer aus den Boxen. Offenbar hatte ihm in den letzten 25 Jahren noch niemand gesagt, dass man das genauso wenig kann, wie man sich selbst einen Rat geben kann. Oder doch? Im Fußball geht jedenfalls vieles. Es ist ein Business, in dem nicht viele so intelligen­t wie Söder sind. So eitel wie er sind viele aber durchaus.

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Zeichnung: Harald Kretzschma­r
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Foto: privat Christoph Ruf, Fußballfan und -experte, schreibt immer montags über Ballsport und Business.

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