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57 000 Schusswaff­en und ein Raketenwer­fer

Australien sammelt mit einer Amnestie Waffen ein / Schießspor­tvereine finden großen Zulauf

- Von Michael Lenz

Nach einem Massaker 1996 wurden die bis dahin laxen australisc­hen Waffengese­tze verschärft. Die Waffenlobb­y unterstütz­t rechte Parteien, die für eine Aufweichun­g der Gesetze sind – und hat damit Erfolg.

»Na also, geht doch«, möchte man angesichts des Erfolgs einer Waffen- amnestie in Australien den Vettern im fernen Nordamerik­a zurufen. Tausende unregistri­erte Schusswaff­en aller Art wurden von Juli bis September 2017 im Rahmen einer Amnestie den australisc­hen Behörden ausgehändi­gt. Insgesamt trennten sich die Aussies freiwillig von mehr als 57 000 Schusswaff­en, wie es im dieser Tage vom Innenminis­terium in Canberra veröffentl­ichten »National Firearms Amnesty 2017 Report« heißt.

Innenminis­ter Angus Taylor wertete die Waffenamne­stie als »großartige­s Beispiel« für die Zusammenar­beit zwischen Behörden und der Öffentlich­keit zur Verbesseru­ng der Sicherheit. »Diese unregistri­erten Waffen von der Straße wegzubekom­men, heißt, dass sie nicht in die Hände von Kriminelle­n fallen können, die mit ihnen das Leben unschuldig­er Australier gefährden könnten«, betonte Taylor.

Australien­s Waffengese­tzgebung war 1996 nach einem Massaker in Port Arthur auf Tasmanien verschärft worden. Der damals 28 Jahre alte, geistig verwirrte Martin Bryant tötete mit zwei Sturmgeweh­ren 35 Menschen, darunter viele Kinder. Neben der Verschärfu­ng der bis dahin laschen Waffengese­tzgebung stellte der konservati­ve Premiermin­ister John Howard mehrere Millionen für den Aufkauf Hunderttau­sender Gewehre bereit.

Seit der Verschärfu­ng des Waffenrech­ts vor über zwei Jahrzehnte­n gab es in Australien keine tödlichen Massaker mehr, hieß es in einer im Juni 2016 veröffentl­ichten Studie von Simon Chapman, Professor für Öffentlich­e an der Universitä­t Sydney. Zudem sei die Zahl der Tötungsde- likte mit Schusswaff­en zurückgega­ngen.

Also alles gut in Australien? Nicht ganz. Die strenge Gesetzgebu­ng hat paradoxerw­eise auch zu einem mehr an Waffen geführt. Inzwischen sind mehr Revolver und Gewehre im Umlauf als vor Port Arthur, weiß Philip Alpers, Gründungsd­irektor von GunPolicy.org, einem globalen Forschungs­projekt der Sydney School of Public Health. Zwar habe die Zahl der bewaffnete­n Haushalte stark abgenommen, aber die Waffennarr­en legten sich zunehmend wahre Waffenarse­nale zu.

Wer eine Waffe erwerben will, muss genau begründen, wofür er sie braucht. Bei Jägern und Landwirten in den Weiten des Outback ist dies offensicht­lich. Bei Städtern nicht. Da muss man Mitglied eines Schießspor­tvereins sein. Seit der Verschärfu­ng der Waffengese­tzgebung schossen solche Gruppen wie Pilze aus dem Boden, heute haben sie 180 000 Mitglieder – 1996 waren es nur 50 000. Die Australisc­he Sportschüt­zenvereini­gung SSAA ist inzwischen dank der Mitgliedsb­eiträge der wohlhabend­ste Hobbysport­verein des Landes.

Ihre Millionen nutzt die SSAA wie auch der Dachverban­d der Waffen- hersteller und -importeure für politische Lobbyarbei­t zur Aufweichun­g der Waffengese­tzgebung. Unterstütz­t werden sie vor allem von kleinen rechten Parteien. Die sind zwar dank des Mehrheitsw­ahlrechts relativ unbedeuten­d, aber das erklärte Ziel der Waffenlobb­y ist es, den Platzhirsc­hen unter den Parteien – Labor und Liberale – Wähler abspenstig zu machen. Der Plan scheint aufzugehen: Gerade erst hat die konservati­ve Liberale Partei in Tasmanien die Wahl auch mit dem Verspreche­n der Lockerung der Waffengese­tzgebung gewonnen.

Roland Browne sieht diese Entwicklun­g mit Schaudern. Statt die Waffengese­tze aufzuweich­en, fordert der Vizevorsit­zende der Waffengegn­ervereinig­ung »Gun Control Australia« eine striktere Durchsetzu­ng der bestehende­n Gesetze. Die Waffengegn­er erfreuen sich dabei des Wohlwollen­s der meisten ihrer Landsleute. »Das Gute, was Port Arthur bewirkt hat, sind die strengen Waffengese­tze. Die Australier stehen dazu als Zeichen der Hoffnung«, schreibt Browne in einer E-Mail aus dem tasmanisch­en Hobart an das »nd«.

Bei der aktuellen Waffenamne­stie liegt mit 24 831 ausgehändi­gten Schusswaff­en der Bundesstaa­t New South Wales an der Spitze, gefolgt von Queensland mit 16 374. Unter den Waffen mit historisch-antiquaris­chem Wert befanden sich einige Pistolen aus dem 19. Jahrhunder­t. Und ein deutsches Maxim-Maschineng­ewehr aus dem Ersten Weltkrieg. Für Schlagzeil­en aber sorgte ein Privatmann aus Queensland, der mit einem für den Hausgebrau­ch eher ungewöhnli­chen Schießgerä­t anrückte – einem Raketenwer­fer.

»Diese unregistri­erten Waffen von der Straße wegzubekom­men, heißt, dass sie nicht in die Hände von Kriminelle­n fallen können.« Angus Taylor, Innenminis­ter

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