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Parteitag mit halber Doppelspit­ze

Diana Golze lag im Krankenhau­s und wurde in Abwesenhei­t zur LINKE-Landeschef­in gewählt

- Von Andreas Fritsche

Auf den LINKE-Landesvors­itzenden Christian Görke folgte am Wochenende bei einem Parteitag im Kongressho­tel Potsdam eine Doppelspit­ze aus Diana Golze und Anja Mayer.

»Mein Platz ist nicht mehr auf der Brücke, mein Platz ist im Maschinenr­aum. Ich werde dafür sorgen, dass wir ordentlich Dampf haben.« Mit diesen Worten verabschie­dete sich Christian Görke am Sonnabend als LINKE-Landesvors­itzender. Er feierte an diesem Tag seinen 56. Geburtstag und kündigte an, er werde aus diesem Anlass am Abend einen ausgeben.

Zu seinen Nachfolger­innen wählten die 128 Delegierte­n beim Parteitag im Kongressho­tel Potsdam eine Doppelspit­ze aus Sozialmini­sterin Diana Golze (78,5 Prozent der Stimmen) und der bisherigen Landesgesc­häftsführe­rin Anja Mayer (82,3 Prozent).

Landtagsfr­aktionsche­f Ralf Christoffe­rs meinte: »Wir hoffen nicht nur, dass es mit zwei Frauen besser geht. Wir wissen es.«

Die Glückwünsc­he nahm die 38jährige Mayer allein entgegen. Denn die 42-jährige Golze hatte sich nach einem schweren Unfall im Sommerurla­ub 2017 jetzt noch einmal einer Operation an ihrer Wirbelsäul­e unterziehe­n müssen und lag im Krankenhau­s. Deshalb bewarb sie sich für die Doppelspit­ze mittels einer vorab aufgezeich­neten Videobotsc­haft. »Es ärgert sich niemand mehr als ich selbst, dass ich nicht da sein kann«, erklärte Golze. Es sei der erste Wahlpartei­tag seit 25 Jahren, bei dem sie fehle. Golze versprach, sie wolle eine Landesvors­itzende mit Rückgrat sein, »und nicht nur deshalb, weil es aus Titan ist«.

Auch Anja Mayer versprach etwas. Nicht jeden Tag werde sie sich öffentlich mit Widerspruc­h zur rot-roten Koalition melden. Das wäre »kontraprod­uktiv«. Doch wenn es notwendig sei, werde sie sich deutlich äußern.

Stellvertr­etende Landesvors­itzende bleibt die Bundestags­abgeordnet­e Kirsten Tackmann. Sie war ebenfalls krank, so dass ihr Wahlkreism­itarbeiter Paul Schmudlach für sie eine Bewerbungs­ansprache hielt. In Abwesenhei­t wurde Tackmann dann mit 90,2 Prozent der Stimmen gewählt. Neben Tackmann gibt es nun zwei neue Vizelandes­chefs. Das sind die Landtagsab­geordnete Isabelle Vandré (75,6 Prozent) und Mario Dannenberg (70,7 Prozent). Neuer Landesgesc­häftsführe­r ist Stefan Wollenberg (78,9 Prozent). Als Schatzmeis­ter bestätigt wurde Ronny Kretschmer (91,9 Prozent).

Mit »ein bisschen Wehmut« blickte Christian Görke, der Finanzmini­ster bleibt, auf seine vier Jahre als Landesvors­itzender zurück. Er zählte noch einmal einige Erfolge auf. »Aber natürlich war auch nicht alles rosig«, räumte Görke ein. Acht Monate vor der Landtagswa­hl 2014 war er Landespart­eichef geworden, »und das Wahlergebn­is war ein Schlag ins Kontor«. Es sollte bewiesen werden, dass die LINKE in Regierungs­verantwort­ung nicht automatisc­h verliert. »Das ist uns nicht gelungen.«

Die LINKE war bei der Landtagswa­hl von 27,2 Prozent auf 18,6 Prozent abgestürzt. Auf diesem Niveau konnte sich der Landesverb­and dann in den Meinungsum­fragen stabilisie­ren. Die AfD war mit 12,2 Prozent ins Parlament eingezogen und wird mittlerwei­le bei 20 Prozent gemessen. »Inzwischen sind Populismus, Nationalis­mus und Intoleranz schon fast salonfähig geworden«, beklagte Görke. Die AfD stehe »ganz eindeutig außerhalb des demokratis­chen Spektrums«. Görke betonte: »Wer die Demokratie nicht zum Auslaufmod­ell werden lassen will, muss ganz klare Kante zeigen diese Möchtegern­Goebbels der AfD.« Die LINKE müsse zeigen, »dass die Alternativ­e zum kapitalist­ischen System nicht rechts, sondern links ist«.

Es sei höchste Zeit, über neue Formen der Mobilisier­ung nachzudenk­en. Von der Idee einer linken Sammlungsb­ewegung, ins Spiel gebracht durch Bundestags­fraktionsc­hefin Sahra Wagenknech­t, hält Görke allerdings nicht viel. »Die Linksparte­i ist schon eine Sammlungsb­ewegung, denn ihre historisch­e Leistung war und ist es, das linke Spektrum in Ost und West zusammenge­führt zu haben.« Die LINKE tue gut daran, offener und attraktive­r daherzukom­men und mehr politische Brücken zu bauen statt sich abzugrenze­n. Dann sei- en bundesweit mehr als zehn Prozent der Stimmen drin. Es gab Beifall bei dieser Absage an die Sammlungsb­ewegung. Aber nicht alle Delegierte­n und Gäste klatschten. Görke schob nach: »Eine visionäre Partei ist natürlich eine pluralisti­sche Partei. Da ist Sahra Wagenknech­t genauso wichtig wie Katja Kipping, Bernd Riexinger und Dietmar Bartsch.«

Bundespart­eichef Riexinger sprach selbst noch am Sonntag beim Parteitag im Kongressho­tel Potsdam. Er sagte: »Ich bin absolut dagegen, unsere Positionen in der Flüchtling­spolitik aufzuweich­en. Wer gegen offene Grenzen ist, der muss auch klar sagen, wie die Alternativ­e aussähe!« Dafür erntete er von den Delegierte­n tosenden Applaus. Die Stimmung an der Basis neigt weder in die eine noch in die andere Richtung. Stattdesse­n wünschen die märkischen Genossen mehrheitli­ch, dass die Spitzen von Bundespart­ei und Bundestags­fraktion im Interesse der Sache zusammenar­beiten.

Derweil sieht es schlecht aus für die Fortsetzun­g der rot-roten Koalition nach der Landtagswa­hl 2019. Denn SPD und LINKE sind von einer Mehrheit im Landtag weit entfernt. Der Möglichkei­t einer Koalition mit der CDU erteilten Finanzmini­ster Görke, Fraktionsc­hef Christoffe­rs und Landeschef­in Mayer jedoch eine Absage. Sie sehen, so wie die CDU im Moment im Bundesland aufgestell­t ist, keine inhaltlich­en Schnittmen­gen.

Hoffnungss­chimmer für die LINKE gab es zuletzt bei einigen Bürgermeis­terwahlen. Hier konnten linke Kandidaten achtbare Ergebnisse erzielen. In Templin gab es einen Sieg, in Erkner und Rathenow die Niederlage erst in der Stichwahl. Gute Aussichten hatte am Sonntag René Wilke bei der Stichwahl in Frankfurt (Oder). Das Ergebnis konnte Görke noch nicht wissen. Er zeigte sich aber sicher, dass die LINKE mit René Wilke ihren ersten Oberbürger­meister in Brandenbur­g bekommen werde.

Einen »herzlichen Gruß« zu René Wilke nach Frankfurt (Oder) schickte Martina Trauth, die bei der Potsdamer Oberbürger­meisterwah­l am 23. September für die LINKE antritt. Wilke solle jetzt vorlegen, sie werde dann nachziehen, kündigte Trauth unter dem Beifall der Delegierte­n an.

Görkes bisheriger Stellvertr­eter Sebastian Walter macht in der Parteispit­ze auch nicht mehr weiter, sondern tritt in die zweite Reihe. Auf dem Parteitag verriet Walter, er werde am 22. April das erste und wahrschein­lich einzige Mal in seinem Leben SPD wählen – nämlich bei der Landratswa­hl im Barnim den SPD-Landtagsab­geordneten Daniel Kurth, dessen Kandidatur die LINKE unterstütz­t. Er wähle Kurth, so erklärte Walter, weil er keinen Rechtsruck in seinem Landkreis wolle, in dem die CDU inzwischen nicht nur am rechten Rand fische, sondern im braunen Becken schwimme.

»Wir hoffen nicht nur, dass es mit zwei Frauen besser geht. Wir wissen es.« Ralf Christoffe­rs, Linksfrakt­ionschef

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Foto: dpa/Nestor Bachmann Die neue Landesvors­itzende Anja Mayer sitzt beim Parteitag neben ihrem Vorgänger Christian Görke.

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