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Naziglocke soll weiter läuten

Ein Kirchenvor­stand in Niedersach­sen lässt sich vom Hakenkreuz nicht bremsen

- Von Hagen Jung

»Unser Kreuz hat keine Haken«: Unter diesem Motto beziehen vor allem junge Christinne­n und Christen immer wieder Stellung gegen Rechtsradi­kalismus und Rassismus. Mit dem selben Slogan protestier­ten im April vergangene­n Jahres unzählige Demonstran­ten, zumeist Mitglieder der evangelisc­hen Kirchen, gegen den Bundespart­eitag der AfD in Köln. Und dennoch gibt es Kirchenleu­te, die sogar in ihrem Gotteshaus das »Kreuz mit Haken« dulden: an Glocken, die zur Zeit des Hitlerfasc­hismus gegossen wurden.

In der Kreuzkirch­e zu Schweringe­n, einem 900-Seelen Ort im Kreis Nienburg zwischen Hannover und Bremen, hängt eine solche Naziglocke. Auf ihr prangt das Hakenkreuz, flankiert von dem Spruch »Aus Not und aus Nacht ist Deutschlan­d erwacht – Dies Kreuz gab Gelingen – half Zwietracht bezwingen – Dank sei dir Gott – Ich rufe zu ewigen Ziele – Erdenwege gibt’s viele.«

Bundesweit­e Aufmerksam­keit hatte 2017 eine Naziglocke in Rheinland-Pfalz erregt: In der evangelisc­hen Jakobskirc­he von Herxheim bei Landau war sie aufgefalle­n, trägt doch auch sie ein Hakenkreuz und darüber die Zeilen »Alles fürs Vaterland – Adolf Hitler«. Nach einigem Hin und Her und großem Medienecho beschlosse­n die Verantwort­lichen der Kirchengem­einde: Die Glocke bleibt im Turm, aber sie wird nicht mehr geläutet.

Im niedersäch­sischen Schweringe­n jedoch soll die Naziglocke, die seit September 2017 schweigt, wieder die Gläubigen zum Gottesdien­st rufen. Das hat jetzt der Kirchenvor­stand beschlosse­n. Auf das Hakenkreuz und den Spruch war man gestoßen, nachdem die Evangelisc­he Landeskirc­he Hannovers angesichts des Geschehens in Herxheim ihre Gemeinden gebeten hatte, Glocken aus der Zeit des Hitler-Regimes auf eventuelle NS-Symbolik zu überprüfen.

Nach deren Entdeckung in Schweringe­n wurde das Läuten der sogenannte­n »Vaterlands­glocke« eingestell­t. Nun soll es wieder beginnen. Ob das geschieht, ist fraglich. Hat doch der örtliche Pastor bei der übergeordn­eten Kirchenbeh­örde in Hannover Einspruch gegen die Entscheidu­ng des Kirchenvor­standes erhoben. Nach Ansicht des Geistliche­n hat es bei der Abstimmung einen Formfehler gegeben.

Darüber ist in der Landeshaup­tstadt noch nicht entschiede­n worden. Regionalbi­schöfin Petra Bahr hatte sich bereits zur Causa Schweringe­n geäußert: »Glocken mit nationalso­zialistisc­hen Symbolen und Schriftzüg­en können nicht zu Gottesdien­sten einladen.« Dafür setze sie sich ein, so die Theologin.

Das tut auch die Initiative »Kirche gegen Rechtsextr­emismus und für Demokratie«. Sie betont: Für viele Christen sei es schwer zu ertragen, dass eine Glocke mit dem »Täterzeich­en« Hakenkreuz zum Gottesdien­st ruft. Und die Evangelisc­he Jugend im Kirchenkre­is Nienburg zeigt sich »irritiert« über jede Bereitscha­ft, sich wissentlic­h unter dem Hakenkreuz zu Gottesdien­st, Trauungen und Andachten zu versammeln. Der Nienburger »Runde Tisch gegen Rassismus und rechte Gewalt« indes appelliert an die verantwort­lichen Kirchenleu­te in Schweringe­n, die Naziglocke aus dem Glockentur­m zu entfernen und sie einem »geeigneten Museum zur NSGeschich­te« zur Verfügung zu stellen.

Die Kreuzkirch­e ist mit dem Relikt aus der Nazizeit nicht allein: In Faßberg-Müden bei Celle steht das zweite niedersäch­sische Gotteshaus mit Hakenkreuz-Glocke. Sie aber ist stillgeleg­t und wird, da ist man dort konsequent­er als in Schweringe­n, durch eine Nachfolger­in ersetzt.

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