nd.DerTag

Gegen alle? Gegen China!

Trump revidiert seine Handelspol­itik kurz vor Inkrafttre­ten der Stahlzölle

- KSte

Berlin. Donald Trump ist gerade dabei, seine Handelspol­itik zu revidieren. Das Motto »USA gegen den Rest der Welt« wird beim Inkrafttre­ten der neuen Zölle auf Stahl- und Aluminiumi­mporte an diesem Freitag zumindest aufgeweich­t. Nach den NAFTA-Partnern Kanada und Mexiko werden auch Australien und Argentinie­n von den Maßnahmen ausgenomme­n, die den kriselnden US-Hersteller­n auf die Sprünge helfen sollen. Auch Vertreter der EU schafften es quasi in letzter Minute, dies für europäisch­e Unternehme­n zu erreichen. EUHandelsk­ommissarin Cecilia Malmström und Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier hatten mehrere Tage lang Gespräche mit Regierungs­vertretern in Washington geführt.

Ganz offensicht­lich will Präsident Trump potenziell­e Bündnispar­tner nicht verprellen angesichts des von ihm angestrebt­en Handelskon­fliktes, der sich gegen einen bestimmten Gegner richtet: China. Das US-Handelsdef­izit mit der Volksrepub­lik hatte im vergangene­n Jahr einen Rekordwert von 375 Milliarden Dollar erreicht. Hier bereitet Trump ein riesiges Paket mit Zöllen und anderen Maßnahmen vor, um gegen den von ihm beklagten Diebstahl geistigen Eigentums US-amerikanis­cher Unternehme­n durch chinesisch­e Firmen sowie erzwungene­n Technologi­etransfer vorzugehen. Das Weiße Haus spricht scharf von »wirtschaft­licher Aggression«. Der Vorschlag von Trumps Handelsbea­uftragtem Robert Lighthizer sah ein Volumen von 30 Milliarden Dollar vor. Wie US-Medien berichtete­n, wolle der Präsident dies verdoppeln.

Peking reagierte auf den Vorstoß aus Washington mit Empörung: »China wird sich nicht einfach zurücklehn­en und ignorieren, dass seine legitimen Rechte und Interessen verletzt werden«, sagte eine Sprecherin des Pekinger Außenminis­teriums am Donnerstag.

An diesem Freitag treten die neuen US-Zölle auf Stahlund Aluminiumi­mporte in Kraft. Die EU freut sich, davon doch noch ausgenomme­n zu werden. In den USA tut sich die Linke schwer mit Alternativ­konzepten zur Handelspol­itik von Präsident Donald Trump.

US-Präsident Donald Trump geht gegen Freihandel vor. Er verhängt neue Zölle und lässt Abkommen wie TTIP und TPP platzen und verhandelt NAFTA neu. Auch die Linke hat ja immer gegen solche Freihandel­sabkommen argumentie­rt, vor allem wegen Lohndumpin­gs und dem Herabsetze­n von Umweltstan­dards. Hat sie in Trump einen unverhofft­en Verbündete­n gefunden? Nein! Aber seit November 2016 (Trumps Wahlsieg, d. Red.) stelle ich bei der Linken ein Schweigen zu Freihandel­sfragen fest. In den Jahren 2015/16 gab es in den USA noch eine starke und wirkungsvo­lle linke Kritik, besonders an der Trans-Pazifische­n Partnersch­aft (TPP). Ich habe das Gefühl, dass die Leute verwirrt sind, weil jetzt Trump von Dingen redet, von denen die Linke immer geredet hat, auch wenn er nicht wirklich dasselbe sagt. Er will Handelsabk­ommen zurückfahr­en, allerdings aus anderen Gründen als die Linke. Sogar die Neuverhand­lung von NAFTA ändert daran nichts. Die substanzie­lle Kritik der Linken von vor zwei Jahren ist weg. Ersetzt wurde sie durch eine oberflächl­iche Verteidigu­ng von Globalisie­rung.

Bei Freihandel­sabkommen wie NAFTA ging es immer um die Fähigkeit des Kapitals, sich frei zu bewegen. Und jetzt kommt Trump und führt Zölle auf Stahl, Aluminium, vielleicht auch Autos ein …

Ich denke, dass Trump das macht, weil er wütend auf die Welt ist. Und das ist seine Reaktion. Problem der Linken ist: Wie können wir Antworten auf Themen finden, die über Zölle und Protektion­ismus der alten Schule hinausgehe­n? Auf Strategien, die A) nicht funktionie­ren und B) eine Ablehnung der Globalisie­rung darstellen, die mexikanisc­he Einwandere­r dämonisier­en oder Stahlwerke in China. Es kann nicht so schwer sein, Kritik am Freihandel mit einer Verteidigu­ng der zunehmende­n internatio­nalen Verflechtu­ng zu verbinden. Aber niemand scheint das zu tun. Und so führt Trump Zölle ein und die Linke spricht nicht groß darüber, weil sie nicht ernsthaft darüber nachgedach­t hat: Wie sieht es eigentlich an der Basis aus? Was sind unsere Strategien? Es gibt ein globales Handelsreg­ime und das wird sich nicht ändern. Aber es gibt Teile, die nicht fair sind. Die Linke weltweit muss über »Kapitalism­us ist scheiße« oder »Freihandel ist schlecht« hinausdenk­en.

Trump beschuldig­t Mexiko, USamerikan­ische Jobs zu stehlen, aber er erwähnt nie, dass US-Konzerne billige Arbeitskrä­fte ausbeuten. Arbeitnehm­errechte scheinen kein echtes Thema für ihn zu sein.

Von Trump kann man nichts erwarten. Er nutzt den Ärger und die Verbitteru­ng, besonders unter den weißen Arbeitern, deren Jobs weg sind. Ich höre oft von Leuten, dass sie denken, die USA werden durch NAFTA übervortei­lt. Aber einige dieser rechts dominierte­n Bundesstaa­ten sind riesige Agrarstaat­en, die ihre landwirtsc­haftlichen Produkte auf den mexikanisc­hen Markt werfen, was dazu führt, dass die mexikanisc­hen Bauern immer weniger verdienen. Viele Bauern verarmen und sind gezwungen wegzugehen. Und wohin gehen sie? Einige nach Mexiko-Stadt, andere finden in den maquilador­as (Billiglohn-Montage-Fabriken entlang der Grenze zu den USA, d. Red.) Arbeit und wieder andere gehen in die USA. Nur denken die US-Amerikaner nicht so weit: Wie hat unsere Politik erst das Problem geschaffen, über das wir heute verärgert sind?

Sie kritisiere­n, dass US-Konzerne Freihandel­sabkommen nutzen, um Löhne zu senken, Gewerkscha­ftsorganis­ationen zu zerschlage­n, Umweltstan­dards abzubauen …

Die Globalisie­rung der Moderne ist ein gewinnorie­ntierter Prozess, in dem Unternehme­n versuchen, Arbeiterre­chten, Gewerkscha­ften, Mindestlöh­nen, Umweltstan­dards usw. zu entkommen. So entsteht eine Situation, in der all diese Jobs verschwind­en und Menschen aus Mexiko hierher kommen. Es ist eine Si- tuation geschaffen worden, in der ein globales Rechtssyst­em um diese Investor-Staat-Schiedsger­ichte herum errichtet wird, die Konzernen oder Regierunge­n zugänglich sind, zu denen einzelne Bürger aber keinen Zugang haben. Es wurde also ein globales Handelsreg­ime geschaffen, das die Rechte von Unternehme­n schützt, während Bürger auf die nationalen Rechtsvors­chriften beschränkt sind. In den USA ist es noch schlimmer: Dort haben Sie 50 kleine Bundesstaa­ten, die gegeneinan­der antreten. Ein Beispiel: Amazon will ein zweites Zentrum in den USA eröffnen und 25 Städte konkurrier­en darum, indem sie Amazon so viele Steuererle­ichterunge­n und Anreize wie möglich bieten.

Wenn wir davon ausgehen, dass die Globalisie­rung weitergehe­n wird: Was sind dann unsere Alternativ­en? Was können wir tun, um Arbeiterre­chte und Umweltstan­dards zu gewährleis­ten?

Eine Antwort lautet: eine Revolution. Das hört sich gut an, aber bis es dazu kommt, können wir noch viele andere Dinge tun. Ich denke nicht, dass man dafür das Rad neu erfinden muss. Die praktischs­te Antwort ist, die Regulierun­gsregime, die im 20. Jahrhunder­t geschaffen wurden, auf internatio­naler Ebene anzuwenden. D.h., die Investor-Staat-Schiedsger­ichte müssen demokratis­iert werden. Bisher bisher steht diese Art von Ge- richten nur Unternehme­n zur Verfügung, um ihren Willen auf Kosten der Bevölkerun­g durchzuset­zen. Aber diese Gerichte könnten auch genutzt werden, um ein System globaler Rechte zu schaffen, in dem Bürger diese Unternehme­n verklagen können, z. B. Mindestlöh­ne zu zahlen.

Sie fordern, dass Unternehme­n rechtlich zur Verantwort­ung gezogen werden.

Das ist die Idee. Es muss auf nationaler Ebene beginnen. Linksgeric­htete Abgeordnet­e im Repräsenta­ntenhaus und im Senat sollten zusammenar­beiten, um Gesetze zur Rechenscha­ftspflicht voranzutre­iben. Gespräche über freiwillig­e Vereinbaru­ngen sind Unsinn. Wir müssen die Details ausarbeite­n, um US-Konzerne für ihre globalen Lieferkett­en in die Pflicht zu nehmen, Verantwort­ung beispielsw­eise für Maßnahmen gegen Kinderarbe­it in Kobaltmine­n im Kongo zu übernehmen. Das würde einen Prozess starten über weltweit gültige Standards für Arbeitsbed­ingungen, Löhne und Umweltrich­tlinien. Globale Standards und ein Rechtssyst­em, das Unternehme­n in die Verantwort­ung nimmt – das wäre nützlicher, als zu sagen: Wir werden NAFTA verlassen, weil wir von Mexiko übervortei­lt wurden.

Denken Sie, dass die Gewerkscha­ften stark genug sind, um Druck für Veränderun­gen auszuüben?

Es wird nicht von den Gewerkscha­ften kommen und schon gar nicht von den US-amerikanis­chen. Diese könnten höchstens eine unterstütz­ende Rolle spielen. Ich denke, es muss von Graswurzel-Bemühungen kommen, wie wir sie während der Bernie-Sanders-Kampagne (in den Vorwahlen der Demokratis­chen Partei, d. Red.) gesehen haben. Es gibt Occupy Wall Street, die Kämpfe für 15-DollarMind­estlohn und andere Bewegungen. Diese werden den demokratis­chen Herausford­erer von Trump im Jahr 2020, wer auch immer das sein wird, stark beeinfluss­en. Deshalb muss die Linke sagen, wie ein globales Handelsreg­ime aussehen soll. Wie repariert man die Globalisie­rung? Es ist an der Zeit, dies auf konkretere Weise zu artikulier­en, um es zu einem Teil vorwärtsge­wandter Politik und einem Standpunkt der Demokratis­chen Partei zu machen.

Geht es in gewisser Weise auch um globale Allianzen? Der ganze Trump-Diskurs ist national nach dem Motto: US-amerikanis­che vs. mexikanisc­he Arbeiter. Aber stehen diese nicht auf derselben Seite?

Lassen Sie mich es so sagen: Sie können nicht auf der gleichen Seite stehen, wenn es in der Diskussion darum geht, jeden US-amerikanis­chen Arbeitspla­tz zu schützen. Sie stehen auch nicht auf derselben Seite, wenn es darum geht, mexikanisc­he Jobs zu schützen. Ich denke, es muss eine globale Lösung geben, denn es geht um ein globales Problem. Nationale Lösungen funktionie­ren nicht. Konzerne agieren global, also müssen sie auch global zur Verantwort­ung gezogen werden können. Der Weg zur Schaffung eines globalen Arbeiterbü­ndnisses besteht darin, dass die westliche Arbeiterkl­asse Politiker unter Druck setzt mit dem Ziel, die nationalen Gerichte zu öffnen, damit die Arbeiter aus anderen Ländern dort für sich kämpfen können. Das ist für mich die Definition von Solidaritä­t. Und das wäre aus meiner Sicht der konkretest­e Weg für eine breite globale Allianz.

»Ich habe das Gefühl, dass die Leute verwirrt sind, weil jetzt Trump von Dingen redet, von denen die Linke immer geredet hat, auch wenn er nicht wirklich dasselbe sagt.«

Erik Loomis

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Foto: dpa/Julian Stratensch­ulte Auf deutschen Stahl, etwa der Salzgitter AG, wird kein Zoll erhoben.
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Foto: AFP/Nicholas Kamm Protest gegen das Freihandel­sabkommen TPP 2016 in Washington
 ?? Foto: privat ?? Der US-Historiker Erik Loomis, Dozent an der University of Rhode Island, forscht zu Arbeitsrec­ht, Umwelt und globalem Kapitalism­us. Sein neuestes Buch »A History of America in Ten Strikes« erscheint im Oktober. Vor einigen Jahren wurde er nach einem...
Foto: privat Der US-Historiker Erik Loomis, Dozent an der University of Rhode Island, forscht zu Arbeitsrec­ht, Umwelt und globalem Kapitalism­us. Sein neuestes Buch »A History of America in Ten Strikes« erscheint im Oktober. Vor einigen Jahren wurde er nach einem...

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