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Eine Insel blieb französisc­h

- Von Ralf Klingsieck

Die im Indischen Ozean zwischen Madagaskar und der afrikanisc­hen Ostküste gelegene Inselgrupp­e der Komoren war zunächst eine portugiesi­sche Kolonie und seit 1841 ein französisc­hes Protektora­t. Ab 1946 räumte Paris den Komoren schrittwei­se immer mehr Autonomie ein. Bei einem 1974 organisier­ten Referendum hat sich die Bevölkerun­gsmehrheit auf drei der vier Hauptinsel­n für die Unabhängig­keit der Komoren entschiede­n, nur die Bewohner von Mayotte stimmten dagegen. Dass Frankreich daraufhin diese Insel im Staatsverb­and behielt und zum Überseedep­artement erklärte, wurde seinerzeit durch ein Votum der UN-Vollversam­mlung verurteilt, das aber nur empfehlend­en Charakter hatte. Eine bindende Resolution des UN-Sicherheit­srates scheiterte am Veto Frankreich­s.

Die Beziehunge­n zwischen der Französisc­hen Republik und der Union der Komoren, die seit der Unabhängig­keit wiederholt von bürgerkrie­gsähnliche­n Konflikten erschütter­t wurde und zu den ärmsten Ländern der Welt gehört, sind seit jeher gespannt. Für viele der etwa eine Million Einwohner der Komoren ist Mayotte, wo das Bruttosozi­alprodukt 14 mal höher ist als bei ihnen, eine Art »Eingangsto­r« nach Frankreich und Europa und damit zu einem besseren Leben. Daher nehmen jedes Jahr etwa 20 000 Menschen die riskante, nur 70 Kilometer weite und 250 Euro teure Überfahrt mit den Kwassa-Kwassa genannten schmalen Booten mit Außenbordm­otor auf sich. Einem Parlaments­bericht zufolge sind allein zwischen 1995 und 2012 dabei 7000 bis 10 000 Menschen ertrunken.

Die Regierung der Komoren beanspruch­t bis heute Mayotte für sich und nimmt den Standpunkt ein, dass die Komorianer auf Mayotte keine illegalen Einwandere­r, sondern »bei sich zu Hause« seien und ihre Abschiebun­g daher illegal. Bis 1994 gab es freien Reiseverke­hr zwischen Mayotte und den Komoren, dann aber führte der französisc­he Premier Édouard Balladur die Visapflich­t ein. Über deren Aufhebung wird seit zwei Jahren zwischen beiden Ländern verhandelt. Entspreche­nder Druck kommt von den 300 000 in Frankreich lebenden Komorianer­n.

Im französisc­hen Parlament engagieren sich nur die Abgeordnet­en der Bewegung La France insoumise (LFI) von Jean-Luc Mélenchon für freien Reiseverke­hr zwischen den heute voneinande­r getrennten Teilen der Inselgrupp­e. Auf Mayotte trifft diese Idee auf erbitterte­n Widerstand.

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