nd.DerTag

Große Koalition mit Überzeugun­gsdefizite­n

Minister stellten in Generaldeb­atte des Bundestage­s die Ziele ihrer Ressorts vor

- Von Uwe Kalbe

Eine dreitägige Generaldeb­atte beschäftig­t in dieser Woche den Bundestag. Sie folgt der Regierungs­erklärung der Kanzlerin und den Antrittsre­den der Ressortche­fs im Bundeskabi­nett. »Ich werde das sehr großzügig handhaben. Wir lernen ja noch.« Mit diesen Worten teilte der amtierende Bundestags­präsident Wolfgang Kubicki der SPD-Fraktion die verblieben­e Redezeit von nur noch einer Minute zu. Sie büßte damit für Arbeits- und Sozialmini­ster Hubertus Heil, ebenfalls Sozialdemo­krat, der seine Redezeit um dreieinhal­b Minuten überzogen hatte. Wir lernen ja noch ... Am Mittwoch hatte die Bundeskanz­lerin mit ihrer Regierungs­erklärung eine dreitägige Lern- und Kennenlern­phase des neuen Parlaments und der neuen Bundesregi­erung mit einer Vorstellun­gsrunde der Minister des neuen Bundeskabi­netts eingeläute­t.

Im Verlaufe des zweiten Tages der Generaldeb­atte zeigte sich: Auf allzu viel Neues müssen die Abgeordnet­en sich nicht einstellen. Pflichtgem­äß traten die Minister allesamt ans Mikrofon, um ihr Bekenntnis zum Koalitions­vertrag abzulegen, der in ihren Augen keine Wünsche offen lässt. Und pflichtgem­äß schlossen sich die Abgeordnet­en der Regierungs­fraktionen Union und SPD diesem Urteil an.

Schon am Mittwoch hatten sich Außenminis­ter Haiko Maas (SPD), Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) und Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU) ihrer Antrittsre­den entledigt. Und auch hier zeigte sich: Der grundlegen­de Wandel in den jeweiligen Politikber­eichen wird vorerst vertagt. Den Besuch von Wirtschaft­sminister Peter Altmaier in den USA sekundiert­e Außenminis­ter Maas mit dem Bekenntnis nicht nur zum Koalitions­vertrag, sondern auch zu unseren amerikanis­chen Partnern. Beinahe flehend wandte er sich an US-Präsident Do- nald Trump. »Lassen Sie uns das transatlan­tische Verhältnis nicht alleine von Twitter-Meldungen abhängig machen!« Denn die deutsch-amerikanis­che Freundscha­ft bestehe doch »aus weitaus mehr als 280 Zeichen«.

Ministerin von der Leyen zeigte sich fest entschloss­en, die Einsatzber­eitschaft der Bundeswehr in dieser Legislatur­periode nun endlich herzustell­en und unterstric­h diese Entschloss­enheit ausgerechn­et mit dem Attribut »nachhaltig«, das im Zusammenha­ng mit den Einsatzgew­ohnheiten des Militärs ein paradoxer Begriff ist. Den neuen Gefahren für die Sicherheit unseres Landes müsse die Bundeswehr sich gewachsen zeigen, meinte die Ministerin, nachdem sie die Bundeswehr in vielen Auslandsei­nsätzen inzwischen hinreichen­d sichergest­ellt hat, dass der Terrorismu­s auch Deutschlan­d als Ziel ausgemacht hat. Ihre Sicherheit­sagenda halte er deshalb für ein Sicherheit­srisiko, meinte hierzu etwa Matthias Höhn für die Linksfrakt­ion.

Die Vorstellun­gsrunde am Donnerstag eröffnete der neue Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD), der sein Bekenntnis zur Koalition mit dem Bekenntnis zur Schwarzen Null als Haushaltsz­iel verband und damit alle Erwartunge­n an eine ungebroche­ne Fortsetzun­g der bisherigen Finanzpoli­tik der Großen Koalition bestätigte. Man brauche jetzt eine »ganz lange Phase, in der wir keine neuen Schulden machen«, so Scholz.

Die Uhren ticken unveränder­t unter der Ägide der Großen Koalition im Bundestag, das zeigte sich auch in der Abstimmung über einen Antrag der FDP, die zweimalige Umstellung der Zeit pro Jahr zu beenden. Zwar schlossen sich LINKE und AfD dem Antrag an – die Grünen enthielten sich – doch reichte die Mehrheit von Union und SPD, dass Winterzeit und Sommerzeit sich auch künftig um eine Stunde voneinande­r unterschei­den werden.

Am Verlauf des Donnerstag kamen auch die Minister für Verkehr, Andreas Scheuer (CSU), für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil (SPD) sowie und für Familie, Franziska Giffey (SPD) ihrem Bedürfnis nach, dem Bundestag ihren jeweiligen Anteil am geplanten Erfolg der Bundesregi­erung nahezubrin­gen.

Außer der AfD, die es fertigbrac­hte, nahezu jedes angesproch­ene Problem in Deutschlan­d rhetorisch darauf hinzubiege­n, dass irgendwie die Flüchtling­e ursächlich beteiligt seien und ihre Abschiebun­g die Lösung brächte, räumten die meisten Redner den Koalitionä­ren einen kleinen Bonus ein, wie ihn Amtsneulin­ge verdient haben. Die Erwartunge­n in eine Erneuerung hielten sich allerdings in Grenzen, wie Reinhard Houben (FDP)in seiner Rede deutlich machte: 118 Mal fänden sich im Koalitions­vertrag Begriffe, die vom Gegenteil sprächen: fortschrei­ben, fortführen, fortsetzen und fortentwic­keln. Wenigstens erhielt Katja Mast vom gestrengen Präsidente­n Kubicki zu ihrer Minute eine zweite zugestande­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany