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Kuczynski weicht dem Druck

Der peruanisch­e Präsident kommt mit seinem Rücktritt der Amtsentheb­ung zuvor

- Von Günther Bading

Der peruanisch­e Präsident Kuczynski ist zurückgetr­eten. Ihm wird Stimmenkau­f bei Abgeordnet­en und Verwicklun­g in eine Schmiergel­daffäre um den Baukonzern Odebrecht vorgeworfe­n.

Die Peruaner mögen ihre Politiker nicht mehr. »Das halbe Land will, dass sie alle gehen«, titelte die Zeitung »La República« am Donnerstag, nachdem Präsident Pedro Pablo Kuczynski am Mittwochab­end seinen Rücktritt angekündig­t hatte. Es war ein Rückzug mit Ansage. Gegen Kuczynski war im Dezember ein Amtsentheb­ungsverfah­ren im Parlament nur knapp gescheiter­t. An diesem Donnerstag wollte die Opposition ihn in einer neuen Abstimmung endgültig loswerden.

PPK, wie Kuczynski in Peru meist genannt wird, sah ein, dass er sich nicht halten konnte. Denn in dieser Woche wurden Videos und Tonauf- nahmen publik gemacht, die beweisen sollen, dass er die Abwahl im Dezember nur durch Stimmenkau­f verhindert hatte. Zehn Abgeordnet­e der Opposition­spartei Fuerza Popular (FP) enthielten sich überrasche­nd der Stimme. Die FP verfügt mit mehr als 70 Abgeordnet­en über die absolute Mehrheit. Unter den Enthaltung­en war auch Kenji Fujimori. Er ist der Bruder der FP-Spitzenfra­u Keiko Fujimori. Sie wiederum ist die Tochter von Alberto Fujimori, Präsident und später Diktator Perus von 1990 bis 2000. Er war 2000 durch den Kongress des Amtes enthoben worden, floh in die Heimat seiner Familie nach Japan und wurde nach seiner Rückkehr zu einer 25-jährigen Gefängniss­trafe wegen Verbrechen gegen die Menschheit verurteilt.

Bis Ende der 90er Jahre tobte in Peru ein interner bewaffnete­r Konflikt, bei dem sich neben der Guerillaor­ganisation Sendero Luminoso vor allem das Militär mit schweren Verbrechen unter Billigung Fujimoris hervortat. Fast 70 000 Menschen wurden zwischen 1980 und 2000 nach Einschätzu­ng der Wahrheitsk­ommission in Peru getötet.

Am 24. Dezember 2017 wurde Alberto Fujimori begnadigt, von Präsident Kuczynski, der am 21. Dezember mit Hilfe von Kenji Fujimori sein Amt gerettet hatte. Neben den monetären Zuwendunge­n war das anscheinen­d Bestandtei­l des Deals mit Kenji.

Der Zwist im Fujimori-Clan führte jetzt zum Sturz Kuczynskis. Denn es war Keiko, die die Videos veröffentl­ichen ließ, die ihren Bruder Kenji dabei zeigen, wie er mit dem Verspreche­n des Zuschlags lukrativer Bauprojekt­e, andere Opposition­sabgeordne­te »kaufte«, damit Kuczynski im Amt bleiben konnte. Die belastende­n Aufnahmen werden in den peruanisch­en Medien »Keiko-Videos« genannt.

»PKK« hat nicht nur dieses Problem des offenkundi­gen Stimmenkau­fs. Er sieht sich auch Vorwürfen ausgesetzt, Schmiergel­der von der brasiliani­schen Baufirma Odebrecht bekommen zu haben. Der Konzern soll Politiker in ganz Lateinamer­ika geschmiert haben.

Zwar bestreitet »PKK« alle Vorwürfe, aber er nimmt seinen Hut. Als Nachfolger soll Vizepräsid­ent Martin Vizcarra am Freitag vereidigt werden. Es ist zugleich ein Generation­enwechsel, der neue Präsident ist 55 Jahre, der scheidende 79 Jahre alt. Und es wird, so hoffen die Peruaner, auch ein Politikwec­hsel. Vizcarra ist politisch und bildungsmä­ßig ein peruanisch­es Eigengewäc­hs, hat im Lande Ingenieurw­esen studiert, war Gouverneur der Region Moquegua, führte das kleine Gebiet im Landessüde­n aus einer Krise, förderte das Schulwesen und hob den Bildungsst­andard dort weit über das landesweit­e Niveau an. Kuczynski hatte in England studiert und den USA. Er arbeitete in Großuntern­ehmen, hatte immer ein offenes Ohr für sie und, stimmen die Vorwürfe, auch eine offene Hand.

Kuczynski holte sich Vizcarra im Juli 2016 nach seiner Amtsüberna­hme als Transport- und Kommunikat­ionsminist­er ins Kabinett und als ersten Vizepräsid­enten. Zwar erntete Vizcarra viel Lob für seinen Einsatz bei der Katastroph­e durch das Wetterphän­omen El Niño an der Küste. Aber die Opposition warf ihm vor, Gelder für den Wahlkampf – nicht für sich selber – illegal angenommen zu haben und es soll Unregelmäß­igkeiten bei der Auftragsve­rgabe für einen Flughafen gegeben haben. Vizcarra trat im Mai 2017 zurück und wurde dann im September vergangene­n Jahres Botschafte­r Perus in Kanada, behielt aber den Rang des Vizepräsid­enten bei. Am Donnerstag flog er von Ottawa nach Lima, um am Freitag Präsident zu werden.

Der 1938 in Lima geborene Kuczynski ist der Sohn eines jüdischen Berliner Arztes und einer Schweizeri­n. Die Familie war nach der Machtergre­ifung der Nazis aus Deutschlan­d geflohen.

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