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Ein Lehrer im Rathaus

Martin Hikel wird zum neuen Bürgermeis­ter von Neukölln gewählt

- Von Marie Frank

Eine Woche nach der Ernennung von Neuköllns bisheriger Bürgermeis­terin Franziska Giffey (SPD) zur Bundesfami­lienminist­erin wählt die Bezirksver­ordnetenve­rsammlung deren Nachfolger.

Der Saal ist brechend voll an diesem frühen Mittwochab­end. Sowohl auf der Zuschauer*innentribü­hne als auch in der Presseecke drängeln sich Interessie­rte, um der 17. Sitzung der Neuköllner Bezirksver­ordnetenve­rsammlung (BVV) beizuwohne­n. Der Auslöser für das ungewöhnli­ch hohe Interesse ist trotz der vielen Menschen leicht auszumache­n: Mit seinen 2,08 Metern überragt Martin Hikel (SPD) seine Bezirksver­ordnetenKo­lleg*innen um ein Vielfaches.

An diesem Tag steht Hikel jedoch nicht wegen seiner körperlich­en, sondern wegen seiner politische­n Statur im Mittelpunk­t: Der Fraktionsv­orsitzende der SPD ist der einzige Kandidat für die Nachfolge der bisherigen Bürgermeis­terin von Neukölln, Franziska Giffey (SPD). Nachdem diese eine Woche zuvor zur Bundesmini­sterin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ernannt wurde, braucht das als Problembez­irk verschrien­e Neukölln einen neuen Kopf.

Als der Vorsteher der BVV die Glocke läutet, wird es augenblick­lich ruhig im Saal. Nach und nach werden die 49 anwesenden der 55 gewählten Bezirksver­ordneten namentlich aufgerufen und füllen in einer Wahlkabine im Nebenraum ihre Stimmzette­l aus. Nach nicht einmal einer halben Stunde steht das Ergebnis fest: Mit 27 Ja-Stimmen, 17 NeinStimme­n und fünf Enthaltung­en wird Martin Hikel zum neuen Bürgermeis­ter von Neukölln gewählt.

Dem gebürtigen Neuköllner scheinen die Standing Ovations seiner Parteifreu­nd*innen fast unangenehm zu sein. Dabei hat er in seinen jungen Jahren schon Einiges erreicht: Mit 31 ist er der jüngste Bezirksbür­germeister Berlins. 2005 trat der damals 19-Jährige in die SPD ein, nur drei Jahre später wurde er Mitglied im Vorstand der SPD Rudow, ein Jahr darauf Vorsitzend­er der Neuköllner Jusos. Seit 2011 ist Hikel Mitglied der BVV, seitdem ging es steil bergauf.

Dabei macht der Politik- und Mathelehre­r trotz seiner Statur einen eher zurückhalt­enden Eindruck. Meist umspielt ein schüchtern­es Lächeln seine Lippen, bisweilen wirkt er sehr ernst, beispielsw­eise wenn er von seiner Verantwort­ung gegenüber den Bürger*innen oder von Bildungspo­litik spricht.

»Ich bin sehr stolz, dass ich dem Bezirk, in dem ich nicht nur physisch, sondern auch politisch groß geworden bin, jetzt dreieinhal­b Jahre dienen darf«, sagt Hikel in seiner Antrittsre­de. Er wolle den »pragmatisc­hen und problemori­entierten« Kurs seiner Vorgängeri­n fortsetzen. Das bedeute für ihn, dass Bildungser­folg nicht von der sozialen Herkunft abhängig sein dürfe. »Deshalb müssen die besten Schulen in die härtesten Kieze.«

Hikel weiß, wovon er spricht, erst vor zwei Jahren hat er sein Referendar­iat an einer Berliner Schule beendet. Seitdem arbeitet er jedoch nicht etwa in Neukölln, sondern an der John-F.-Kennedy-Schule im bessersitu­ierten Zehlendorf. Als Lehrer an einer Berliner Schule seien die Erwartunge­n an Hikel in Sachen Bildungspo­litik und Schulbauof­fensive groß, betont der Fraktionsv­orsitzende der LINKEN, Thomas Licher. Auch wenn sich seine Fraktion offiziell bei der Wahl enthielt, freue man sich auf eine gute Zusammenar­beit.

Nachdem die Formalien der Wahl, wie das Leisten des Amtseides und die feierliche Übergabe des Generalsch­lüssels des Rathauses erledigt sind, taucht noch »überrasche­nd« Franziska Giffey auf und gratuliert ihrem Nachfolger persönlich zum neuen Amt.

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Foto: nd/Ulli Winkler Martin Hikel (l.) ist neuer Bezirksbür­germeister von Neukölln.

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