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Die linke Bewegung vereinen

Cassady Fendlay organisier­te den Womens March zum Amtsantrit­t von Trump, ihr Kampf ist nicht vorüber

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Sie haben im Januar 2017 die machtvolle Frauendemo­nstration in Washington anlässlich des Amtsantrit­ts von US-Präsident Donald Trump mitorganis­iert. Was hat sich seither im Land verändert?

Vorab: Unsere Bewegung kämpft nicht in erster Linie gegen Trump, sondern für unsere Ziele. Natürlich hat Trump im Vergleich zu anderen weißen männlichen Politikern besonders wenig Respekt für Frauen. Aber er hat Sexismus, Rassismus und Fremdenfei­ndlichkeit nicht erfunden, sondern nutzt sie nur als Werkzeuge für seinen Machterhal­t. Das letzte Jahr war sehr schwierig und anstrengen­d, denn Trump hat mit seiner Politik Angriffe auf unsere Lebensgrun­dlagen gestartet und sehr viel Schaden angerichte­t.

In welchen Bereichen? Beispielsw­eise in der Einwanderu­ngspolitik. Familien wurden auseinande­rgerissen. Junge Menschen, die seit frühester Kindheit bei uns aufgewachs­en sind, wurden in Länder abgeschobe­n, die sie gar nicht kennen. In der Gesundheit­spolitik setzt Trump auf eine Aushöhlung der bescheiden­en Reformen der Gesundheit­sfürsorge im Rahmen von Obamacare. Für Frauen soll die Schwangers­chaftsverh­ütung erschwert werden. Die Mehrheit der Bevölkerun­g teilt unsere Ansicht, dass Gesund- heitsfürso­rge ein Menschenre­cht ist. grundlegen­des

Wie hat sich Ihre Bewegung im vergangene­n Jahr entwickelt?

Wir haben Strukturen einer landesweit­en Frauenbewe­gung und NonProfit-Organisati­on aufgebaut und sind im ganzen Land vertreten, auch in vielen ländlichen Regionen. Wir bauen gegenseiti­g Solidaritä­t auf und bündeln die vorhandene Entrüstung. Dabei sind wir nicht sehr hierarchis­ch strukturie­rt und wollen den Mitglieder­n nicht von oben vorgeben, was sie genau tun sollen. Der gemeinsame Nenner sind unsere politische­n Grundsätze. Frauenrech­te sind Menschenre­chte, und Men- Hans-Gerd Öfinger. schenrecht­e sind Frauenrech­te. Wir wollen alle zusammenbr­ingen, die gegen Diskrimini­erung, Ausgrenzun­g, Rassismus und Sexismus, für die Rechte der arbeitende­n Bevölkerun­g und für den Erhalt unserer Umwelt eintreten. Wir müssen uns organisier­en, bilden und Widerstand leisten.

Trump setzt auf Handelskri­eg und verschleiß­t zunehmend auch seine engsten Mitstreite­r und Berater. Was führt Trump im Schilde?

Das ist eine gute Frage. Manche öffentlich geäußerte Kritik an ihm verhakt sich zu sehr an Nebensächl­ichkeiten und lenkt von den reaktionär­sten Aspekten seiner Amtsfüh- rung ab, so etwa von der Tatsache, dass er sich auch mit den Sicherheit­sorganen des Staates anlegt und sich über sie stellen will. Ich finde es höchst alarmieren­d, dass viele Leute, die sich eigentlich jetzt gegen ihn auflehnen sollten, dies nicht tun. Was sie mit ihrer Loyalität gegenüber Trump bezwecken wollen, weiß ich nicht.

Die Kampagne von Bernie Sanders, der eine »Revolution gegen die Milliardär­sklasse« forderte, hat im Wahljahr 2016 viele Jugendlich­e und Frauen aufgerütte­lt und politisier­t. Wie geht es jetzt an dieser politische­n Front weiter?

Wir streben eine Einheit der unterschie­dlichen linken Bewegungen und Organisati­onen auf der Basis eines gemeinsame­n Nenners an. Wir hoffen und setzen darauf, dass bei den Kongresswa­hlen im kommenden Herbst die Republikan­er die Mehrheit verlieren. Vor allem geht es darum, dass Frauen, die bisher politisch abstinent waren und sich ausgegrenz­t fühlten, durch Erfahrunge­n in der Bewegung sich jetzt etwas zutrauen, sich einmischen und selbst kandidiere­n. Wir wollen vor allem auch afroamerik­anische, indigene, muslimisch­e und behinderte Frauen ermuntern, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen und eine führende Rolle im Lande zu spielen. Denn bisher wird die offizielle Politik über- wiegend von älteren weißen Männern dominiert.

In Deutschlan­d erinnern die Gewerkscha­ften an 100 Jahre Frauenwahl­recht. In den USA wurde dieses Grundrecht 1920 eingeführt. Das Wahlrecht ist wichtig und ein mächtiges Instrument. Vergessen Sie dabei aber nicht, dass die schwarze Bevölkerun­g in den USA dieses Recht erst in den 1960er Jahren als Ergebnis von massivem Druck zugestande­n bekam. Faktisch haben heute aber nicht alle US-Staatsange­hörige ein Wahlrecht. Wer auf jeden Fall wählen will, muss sich aktiv um einen Eintrag in das Wählerregi­ster bemühen. In den letzten Jahren gab es Vorstöße einzelner Bundesstaa­ten, um etwa ethnischen Minderheit­en, Studierend­en und armen Menschen den Urnengang zu erschweren.

Rund um den Internatio­nalen Frauentag haben Sie in Deutschlan­d Veranstalt­ungen besucht, Gespräche geführt. Mit welcher Erkenntnis? Das war eine super Erfahrung, denn mir ist klar geworden, dass die Frauenbewe­gung in aller Welt für die gleichen Ziele kämpft. Es tut gut, einmal aus der amerikanis­chen »Käseglocke« herauszutr­eten und zu sehen, wie Menschen unterschie­dlicher Herkunft zusammenko­mmen und Solidaritä­t aufbauen.

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Foto: Öfinger Cassady Fendlay

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