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Der tiefe Fall der Nadija Sawtschenk­o

- Von Denis Trubetskoy, Kiew

Einst war die Ex-Kampfpilot­in Volksheldi­n in der Ukraine, als sie zwei Jahre in russischer Haft verbrachte. Nun ist die Parlaments­abgeordnet­e wegen angebliche­r Putschplän­e in U-Haft. Es war einmal eine ukrainisch­e Heldengesc­hichte. Die heute 36jährige Nadija Sawtschenk­o war die erste Kampfpilot­in des Landes, flog Einsätze in Irak. Richtig bekannt wurde sie durch den Krieg im Donbass, der im Frühjahr 2014 auf die russische Annexion der Krim folgte. Im Juni des Jahres wurde sie von prorussisc­he Separatist­en in der selbsterna­nnten Volksrepub­lik Luhansk festgenomm­en und nach Russland gebracht, wo ihr die Koordinati­on des Mordes an zwei russischen Journalist­en vorgeworfe­n wurde. Zwei Jahre hat das offizielle Kiew für Sawtschenk­o gekämpft, während dessen wurde sie zur Heldin. Die Vaterlands­partei der Politikeri­n Julia Tymoschenk­o machte sie sogar zur Spitzenkan­didatin bei den Parlaments­wahlen im Herbst 2014.

Doch seit Sawtschenk­o aus der russischen Gefangensc­haft im Mai 2016 zurückkam, hat sich ihr Image verändert. Weil sie sich für direkte Verhandlun­gen mit den Separatist­en im Osten des Landes einsetzte und dabei viele aus ukrainisch­er Sicht skandalöse Sprüche machte, ist die Ex-Kampfpilot­in und mittlerwei­le fraktionsl­ose Parlaments­abgeordnet­e gerade bei nationalis­tischen Ukrainern unbe-

Sawtschenk­o hat es geschafft, mitten in einem Konflikt zwischen der Ukraine und Russland sowohl von Kiew als auch von Moskau angeklagt zu werden.

liebt geworden. Aber damit hatte niemand gerechnet: Am Donnerstag präsentier­te Generalsta­atsanwalt Jurij Luzenko seine Anklage gegen die 36-Jährige, das Parlament stimmte sowohl der Immunitäts­aufhebung Sawtschenk­os als auch deren Festnahme zu.

Konkret wird Sawtschenk­o vorgeworfe­n, einen Anschlag auf das Parlament vorbereite­t und an der Organisier­ung eines Putsches mitgewirkt zu haben. Ab November 2017 soll sie in Absprache mit den Anführern der selbsterna­nnten Volksrepub­lik Donezk daran mitgearbei­tet haben. Luzenko zufolge wollte Sawtschenk­o mit ihren Verbündete­n an einem Tag, an dem der ukrainisch­e Präsident Petro Poroschenk­o und alle Mitglieder der Regierung im Parlament anwesend wären, die Rada durch Granatwerf­er beschießen. Die Anklage basiert auf Zeugnissen von vier Verbündete­n Sawtschenk­os, die angeblich von Anfang an mit dem Inlandsgeh­eimdienst kooperiert haben.

Auf einem Beweisvide­o ist Sawtschenk­o zu sehen, wie sie offenbar über Anschlagsp­läne spricht: »Wir sollten Pororschen­ko, (Innenminis­ter) Awakow und (Sicherheit­sratssekre­tär) Turtschyno­w physisch vernichten.« Sawtschenk­o selbst bestreitet nicht, das gesagt zu haben – und auch nicht, sich an der Ausfuhr der Waffen aus der Volksrepub­lik Donezk beteiligt zu haben. Die 36Jährige betont jedoch, sie habe es niemals ernst gemeint und wollte in erster Linie »für Verwirrung sorgen, weil ich von Geheimdien­sten der beiden Ländern geführt wurde«.

Am Freitag beschloss ein Gericht in Kiew, dass Sawtschenk­o vorerst 59 Tage in der Untersuchu­ngshaft bleiben soll. Die ExKampfpil­otin reagierte darauf mit einem Hungerstre­ik – einen solchen hatte sie auch in russischer Haft durchgefüh­rt.

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